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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Die Verfassung des deutschon Reiches im vorigen Jahrhundert.

Dieser Reichstag, vvirM", oder cliaktg, Inixsiii, wurde nicht mehr, wie das
früher üblich gewesen war, von den Fürsten in Person besucht, sondern durch
Gesandte beschickt. Er bestand aus drei Kollegien: das erste und vornehmste
bildeten die Kurfürsten, ^luotorss Iinxsrii, von denen schon das nötige mit¬
geteilt ist. Das zweite Kollegium war der Fürsteurat, Lvii^of ?rin<zixnnr;
dies war die Versammlung und Vertretung des hohen Adels von Deutschland.
Er zerfiel in zwei Bänke, die geistliche Bank, svWmrun voolösisstivum, und
die weltliche Bank, "os-innuin Ls,"zen1g.r<z. Die erstere zählte siebenunddreißig
Stimmen, nämlich fünfunddreißig Virilstimmcn und zwei Kuriatstimmen; die
beiden Kurier waren die schwäbische Prälatenbank mit zmeiundzwanzig, und die
rheinische Prälatenbank mit achtzehn Stimmen, im ganzen vierzig Stimmen.
Die weltliche Fürstenbank zählte fünfundsechzig Stimmen, einundsechzig Viril-
nnd vier Kuriatstimmen. Die vier Kurieu wurden gebildet durch die LoUvZii,.
Oomiwiri,, die wctterauische Grafenkurie mit siebenundzwanzig, die schwäbische
mit sechsundzwanzig, die fränkische mit sechzehn und die westfälische mit vier-
unddreißig Stimmen, zusammen hundertunddrei Stimmen.

Das dritte Kollegium war das der Reichsstädte, welches erst durch den
westfälischen Frieden Sitz und Stimme auf Reichstagen erlangt hatte. Die
beiden andern Kollegien hießen daher auch: "mbo svxerwra oollsZia Imxvrü.
Die Reichsstädte teilten sich in die rheinische Städtebank mit vierzehn, und die
schwäbische Städtebank mit siebenunddreißig, zusammen einundfünfzig Stimmen.
Im ganzen hatten also zweihnudertsechsundueuuzig Reichsstände, die Mitglieder
der beiden geistlichen "ut vier weltlichen Kurier einzeln gezählt, Sitz und
Stimme auf dem deutschen Reichstage.

Der Kaiser war zu Regensburg vertreten durch den Priuzipalkomnnssarius,
dem in der Regel ein Kvukommissarius zur Seite zu stehen pflegte. Der Kur¬
fürst von Mainz war Direktor des Reichstages; sein Gesandter hieß daher der
Direktvrialgescmdte. Kam jedoch bei irgendeiner Angelegenheit die Konfession
in Frage, so trat die sogenannte illo in xartss ein, und der Reichstag trennte
sich in ein oorxus gvMgsIieorum oder svMgLlienm und ein vorvus og.tnoliouni.
Der Direktor des ersteren war der Kursttrst von Sachsen, während letzteres von
Mainz geleitet wurde.

Näher auf die Geschäftsordnung, die Abstimmungswcise u. s. w. einzugehen,
würde wiederum zu weit führe". Daß es fast unmöglich war, eine Beschlu߬
fassung im Plenum herbeizuführen, ergiebt sich schon aus der Zusammensetzung
der Versammlung. Man denke, welche Zeit dazu gehörte, bis diese Gesandten
Instruktionen eingeholt hatten! Wenn es aber wirklich gelungen war, einen von
den drei Kollegien in Übereinstimmung gefaßten Entschluß zu Stande zu bringen,
so war das immer erst ein Reichsgutachten, sultr^wiu, Iropgrii. Gesetzeskraft er¬
hielt es erst durch das kaiserliche Natifikationsdekret und die darauf folgende Ver¬
öffentlichung. Dann endlich kam ein Reichsschluß, ein oonolri8urQ luixorii, heraus.


Die Verfassung des deutschon Reiches im vorigen Jahrhundert.

Dieser Reichstag, vvirM», oder cliaktg, Inixsiii, wurde nicht mehr, wie das
früher üblich gewesen war, von den Fürsten in Person besucht, sondern durch
Gesandte beschickt. Er bestand aus drei Kollegien: das erste und vornehmste
bildeten die Kurfürsten, ^luotorss Iinxsrii, von denen schon das nötige mit¬
geteilt ist. Das zweite Kollegium war der Fürsteurat, Lvii^of ?rin<zixnnr;
dies war die Versammlung und Vertretung des hohen Adels von Deutschland.
Er zerfiel in zwei Bänke, die geistliche Bank, svWmrun voolösisstivum, und
die weltliche Bank, »os-innuin Ls,«zen1g.r<z. Die erstere zählte siebenunddreißig
Stimmen, nämlich fünfunddreißig Virilstimmcn und zwei Kuriatstimmen; die
beiden Kurier waren die schwäbische Prälatenbank mit zmeiundzwanzig, und die
rheinische Prälatenbank mit achtzehn Stimmen, im ganzen vierzig Stimmen.
Die weltliche Fürstenbank zählte fünfundsechzig Stimmen, einundsechzig Viril-
nnd vier Kuriatstimmen. Die vier Kurieu wurden gebildet durch die LoUvZii,.
Oomiwiri,, die wctterauische Grafenkurie mit siebenundzwanzig, die schwäbische
mit sechsundzwanzig, die fränkische mit sechzehn und die westfälische mit vier-
unddreißig Stimmen, zusammen hundertunddrei Stimmen.

Das dritte Kollegium war das der Reichsstädte, welches erst durch den
westfälischen Frieden Sitz und Stimme auf Reichstagen erlangt hatte. Die
beiden andern Kollegien hießen daher auch: »mbo svxerwra oollsZia Imxvrü.
Die Reichsstädte teilten sich in die rheinische Städtebank mit vierzehn, und die
schwäbische Städtebank mit siebenunddreißig, zusammen einundfünfzig Stimmen.
Im ganzen hatten also zweihnudertsechsundueuuzig Reichsstände, die Mitglieder
der beiden geistlichen »ut vier weltlichen Kurier einzeln gezählt, Sitz und
Stimme auf dem deutschen Reichstage.

Der Kaiser war zu Regensburg vertreten durch den Priuzipalkomnnssarius,
dem in der Regel ein Kvukommissarius zur Seite zu stehen pflegte. Der Kur¬
fürst von Mainz war Direktor des Reichstages; sein Gesandter hieß daher der
Direktvrialgescmdte. Kam jedoch bei irgendeiner Angelegenheit die Konfession
in Frage, so trat die sogenannte illo in xartss ein, und der Reichstag trennte
sich in ein oorxus gvMgsIieorum oder svMgLlienm und ein vorvus og.tnoliouni.
Der Direktor des ersteren war der Kursttrst von Sachsen, während letzteres von
Mainz geleitet wurde.

Näher auf die Geschäftsordnung, die Abstimmungswcise u. s. w. einzugehen,
würde wiederum zu weit führe». Daß es fast unmöglich war, eine Beschlu߬
fassung im Plenum herbeizuführen, ergiebt sich schon aus der Zusammensetzung
der Versammlung. Man denke, welche Zeit dazu gehörte, bis diese Gesandten
Instruktionen eingeholt hatten! Wenn es aber wirklich gelungen war, einen von
den drei Kollegien in Übereinstimmung gefaßten Entschluß zu Stande zu bringen,
so war das immer erst ein Reichsgutachten, sultr^wiu, Iropgrii. Gesetzeskraft er¬
hielt es erst durch das kaiserliche Natifikationsdekret und die darauf folgende Ver¬
öffentlichung. Dann endlich kam ein Reichsschluß, ein oonolri8urQ luixorii, heraus.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/363>, abgerufen am 04.06.2024.