Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Freiwillige Krankenpflege im Kriege.

weitaus leistungsfähigste der evangelischen Bruderhäuser, das Rauhe Haus zu
Horn bei Hamburg. Dieses hat in seinem mehr als funfzigjährigen Wirken
hinreichend bewiesen, daß es mit seiner jetzt etwa 430 Männer umfassenden
Bruderschaft großen christlich-humanen Aufgaben gewachsen ist; es hat an der
Organisation der deutschen evangelischen Rettungshäuser, der Herbergen zur
Heimat, der Arbeiterkolonien den wichtigsten Anteil. Auch war die von dem
nun verstorbenen' Gründer der Anstalten des Rauben Hauses, Dr. tneol. Wiehern,
1866 und 1870 ins Leben gerufene Felddiakonie von militärischen und medi¬
zinischen Autoritäten aufs freundlichste anerkannt worden. Hatte nun auch zuerst
die Direktion des Rauben Hauses (Prediger I. Wiehern) das Bedenken, ob es
möglich sein werde, den streng evangelisch-konfessionellen Charakter der Anstalt
mit dem allgemeineren patriotisch-humane" Geiste des neuen Unternehmens so
zu vereinigen, daß beides gedeihen könne, so überwand doch die Größe und
Wichtigkeit der Aufgabe die vorhandenen Zweifel, und eine in den Räumen des
königlichen Hausministeriums zu Berlin Ende Mai vorigen Jahres abgehaltene
Versammlung der Verbandsvorsteher und Vertrauensmänner der Bruderschaft
stellte die Grundsätze fest, nach denen man arbeiten wollte.

Das Wesentlichste an den Einrichtungen der Genossenschaft freiwilliger
Krankenpfleger im Kriege ist dieses. Sie wendet sich in erster Linie an militär¬
freie Studenten aller Fakultäten, dann aber auch an jeden deutschen Mann,
welcher die nötigen Bürgschaften für verständnisvolles, treues Wirken zu bieten
imstande ist, und sammelt ihre Mitglieder zu Ortsgruppen, welche ihre eigne
verwaltende und technische Leitung haben. In der Ortsgruppe macht nun zu¬
nächst der künftige Krankenpfleger einen sechswöchentlichen vorbereitenden Kursus
durch, der, in den Abendstunden abgehalten, ihn in seiner sonstigen Thätigkeit
möglichst wenig hemmen soll. In diesen Kursen erhält er auf Grund eines kleinen
Leitfadens der Chirurgie theoretischen Unterricht und wird an gesunden Personen
(bezahlten Handwerkern u. s. w.) in den einfachsten Handreichungen seines
Dienstes unterwiesen. Dann tritt er zu einem einmaligen vierwöchentlichen
Kursus in ein Lazaret oder öffentliches Krankenhaus ein und wird hier in
Theorie und Praxis der Wundenbehandluug und der im Kriege häufigeren
pathologischen Aufgaben von besonders hierfür gewonnenen Ärzten eingeführt.
Hat er diesen Hauptkursus mit Erfolg beendet, so sorgen von Zeit zu Zeit
Wiederholungskurse in der Art der Vorbereituugskurse dafür, daß das Gelernte
nicht in längerer Friedenszeit der Vergessenheit anheimfalle.

Ein unvermeidlicher Mangel dieser Einrichtung ist es freilich, daß solche
Leute, welche uicht in den Mittelpunkten der Ortsgruppen wohnen, sich nur
schwer beteiligen können, und es ist doch nur zu hoffen, daß die Zahl der Orts¬
gruppen beständig wachse. Bis jetzt giebt es im preußische-, Bereich, auf welchen
(mit Einschluß des hamburgischen Gebiets) sich die Genossenschaft des Rauben
Hauses beschränkt, thätige Mittelpunkte in Berlin. Halle, Greifswald, Breslau,


Freiwillige Krankenpflege im Kriege.

weitaus leistungsfähigste der evangelischen Bruderhäuser, das Rauhe Haus zu
Horn bei Hamburg. Dieses hat in seinem mehr als funfzigjährigen Wirken
hinreichend bewiesen, daß es mit seiner jetzt etwa 430 Männer umfassenden
Bruderschaft großen christlich-humanen Aufgaben gewachsen ist; es hat an der
Organisation der deutschen evangelischen Rettungshäuser, der Herbergen zur
Heimat, der Arbeiterkolonien den wichtigsten Anteil. Auch war die von dem
nun verstorbenen' Gründer der Anstalten des Rauben Hauses, Dr. tneol. Wiehern,
1866 und 1870 ins Leben gerufene Felddiakonie von militärischen und medi¬
zinischen Autoritäten aufs freundlichste anerkannt worden. Hatte nun auch zuerst
die Direktion des Rauben Hauses (Prediger I. Wiehern) das Bedenken, ob es
möglich sein werde, den streng evangelisch-konfessionellen Charakter der Anstalt
mit dem allgemeineren patriotisch-humane« Geiste des neuen Unternehmens so
zu vereinigen, daß beides gedeihen könne, so überwand doch die Größe und
Wichtigkeit der Aufgabe die vorhandenen Zweifel, und eine in den Räumen des
königlichen Hausministeriums zu Berlin Ende Mai vorigen Jahres abgehaltene
Versammlung der Verbandsvorsteher und Vertrauensmänner der Bruderschaft
stellte die Grundsätze fest, nach denen man arbeiten wollte.

Das Wesentlichste an den Einrichtungen der Genossenschaft freiwilliger
Krankenpfleger im Kriege ist dieses. Sie wendet sich in erster Linie an militär¬
freie Studenten aller Fakultäten, dann aber auch an jeden deutschen Mann,
welcher die nötigen Bürgschaften für verständnisvolles, treues Wirken zu bieten
imstande ist, und sammelt ihre Mitglieder zu Ortsgruppen, welche ihre eigne
verwaltende und technische Leitung haben. In der Ortsgruppe macht nun zu¬
nächst der künftige Krankenpfleger einen sechswöchentlichen vorbereitenden Kursus
durch, der, in den Abendstunden abgehalten, ihn in seiner sonstigen Thätigkeit
möglichst wenig hemmen soll. In diesen Kursen erhält er auf Grund eines kleinen
Leitfadens der Chirurgie theoretischen Unterricht und wird an gesunden Personen
(bezahlten Handwerkern u. s. w.) in den einfachsten Handreichungen seines
Dienstes unterwiesen. Dann tritt er zu einem einmaligen vierwöchentlichen
Kursus in ein Lazaret oder öffentliches Krankenhaus ein und wird hier in
Theorie und Praxis der Wundenbehandluug und der im Kriege häufigeren
pathologischen Aufgaben von besonders hierfür gewonnenen Ärzten eingeführt.
Hat er diesen Hauptkursus mit Erfolg beendet, so sorgen von Zeit zu Zeit
Wiederholungskurse in der Art der Vorbereituugskurse dafür, daß das Gelernte
nicht in längerer Friedenszeit der Vergessenheit anheimfalle.

Ein unvermeidlicher Mangel dieser Einrichtung ist es freilich, daß solche
Leute, welche uicht in den Mittelpunkten der Ortsgruppen wohnen, sich nur
schwer beteiligen können, und es ist doch nur zu hoffen, daß die Zahl der Orts¬
gruppen beständig wachse. Bis jetzt giebt es im preußische-, Bereich, auf welchen
(mit Einschluß des hamburgischen Gebiets) sich die Genossenschaft des Rauben
Hauses beschränkt, thätige Mittelpunkte in Berlin. Halle, Greifswald, Breslau,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0372" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201151"/>
          <fw type="header" place="top"> Freiwillige Krankenpflege im Kriege.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1133" prev="#ID_1132"> weitaus leistungsfähigste der evangelischen Bruderhäuser, das Rauhe Haus zu<lb/>
Horn bei Hamburg. Dieses hat in seinem mehr als funfzigjährigen Wirken<lb/>
hinreichend bewiesen, daß es mit seiner jetzt etwa 430 Männer umfassenden<lb/>
Bruderschaft großen christlich-humanen Aufgaben gewachsen ist; es hat an der<lb/>
Organisation der deutschen evangelischen Rettungshäuser, der Herbergen zur<lb/>
Heimat, der Arbeiterkolonien den wichtigsten Anteil. Auch war die von dem<lb/>
nun verstorbenen' Gründer der Anstalten des Rauben Hauses, Dr. tneol. Wiehern,<lb/>
1866 und 1870 ins Leben gerufene Felddiakonie von militärischen und medi¬<lb/>
zinischen Autoritäten aufs freundlichste anerkannt worden. Hatte nun auch zuerst<lb/>
die Direktion des Rauben Hauses (Prediger I. Wiehern) das Bedenken, ob es<lb/>
möglich sein werde, den streng evangelisch-konfessionellen Charakter der Anstalt<lb/>
mit dem allgemeineren patriotisch-humane« Geiste des neuen Unternehmens so<lb/>
zu vereinigen, daß beides gedeihen könne, so überwand doch die Größe und<lb/>
Wichtigkeit der Aufgabe die vorhandenen Zweifel, und eine in den Räumen des<lb/>
königlichen Hausministeriums zu Berlin Ende Mai vorigen Jahres abgehaltene<lb/>
Versammlung der Verbandsvorsteher und Vertrauensmänner der Bruderschaft<lb/>
stellte die Grundsätze fest, nach denen man arbeiten wollte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1134"> Das Wesentlichste an den Einrichtungen der Genossenschaft freiwilliger<lb/>
Krankenpfleger im Kriege ist dieses. Sie wendet sich in erster Linie an militär¬<lb/>
freie Studenten aller Fakultäten, dann aber auch an jeden deutschen Mann,<lb/>
welcher die nötigen Bürgschaften für verständnisvolles, treues Wirken zu bieten<lb/>
imstande ist, und sammelt ihre Mitglieder zu Ortsgruppen, welche ihre eigne<lb/>
verwaltende und technische Leitung haben. In der Ortsgruppe macht nun zu¬<lb/>
nächst der künftige Krankenpfleger einen sechswöchentlichen vorbereitenden Kursus<lb/>
durch, der, in den Abendstunden abgehalten, ihn in seiner sonstigen Thätigkeit<lb/>
möglichst wenig hemmen soll. In diesen Kursen erhält er auf Grund eines kleinen<lb/>
Leitfadens der Chirurgie theoretischen Unterricht und wird an gesunden Personen<lb/>
(bezahlten Handwerkern u. s. w.) in den einfachsten Handreichungen seines<lb/>
Dienstes unterwiesen. Dann tritt er zu einem einmaligen vierwöchentlichen<lb/>
Kursus in ein Lazaret oder öffentliches Krankenhaus ein und wird hier in<lb/>
Theorie und Praxis der Wundenbehandluug und der im Kriege häufigeren<lb/>
pathologischen Aufgaben von besonders hierfür gewonnenen Ärzten eingeführt.<lb/>
Hat er diesen Hauptkursus mit Erfolg beendet, so sorgen von Zeit zu Zeit<lb/>
Wiederholungskurse in der Art der Vorbereituugskurse dafür, daß das Gelernte<lb/>
nicht in längerer Friedenszeit der Vergessenheit anheimfalle.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1135" next="#ID_1136"> Ein unvermeidlicher Mangel dieser Einrichtung ist es freilich, daß solche<lb/>
Leute, welche uicht in den Mittelpunkten der Ortsgruppen wohnen, sich nur<lb/>
schwer beteiligen können, und es ist doch nur zu hoffen, daß die Zahl der Orts¬<lb/>
gruppen beständig wachse. Bis jetzt giebt es im preußische-, Bereich, auf welchen<lb/>
(mit Einschluß des hamburgischen Gebiets) sich die Genossenschaft des Rauben<lb/>
Hauses beschränkt, thätige Mittelpunkte in Berlin. Halle, Greifswald, Breslau,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0372] Freiwillige Krankenpflege im Kriege. weitaus leistungsfähigste der evangelischen Bruderhäuser, das Rauhe Haus zu Horn bei Hamburg. Dieses hat in seinem mehr als funfzigjährigen Wirken hinreichend bewiesen, daß es mit seiner jetzt etwa 430 Männer umfassenden Bruderschaft großen christlich-humanen Aufgaben gewachsen ist; es hat an der Organisation der deutschen evangelischen Rettungshäuser, der Herbergen zur Heimat, der Arbeiterkolonien den wichtigsten Anteil. Auch war die von dem nun verstorbenen' Gründer der Anstalten des Rauben Hauses, Dr. tneol. Wiehern, 1866 und 1870 ins Leben gerufene Felddiakonie von militärischen und medi¬ zinischen Autoritäten aufs freundlichste anerkannt worden. Hatte nun auch zuerst die Direktion des Rauben Hauses (Prediger I. Wiehern) das Bedenken, ob es möglich sein werde, den streng evangelisch-konfessionellen Charakter der Anstalt mit dem allgemeineren patriotisch-humane« Geiste des neuen Unternehmens so zu vereinigen, daß beides gedeihen könne, so überwand doch die Größe und Wichtigkeit der Aufgabe die vorhandenen Zweifel, und eine in den Räumen des königlichen Hausministeriums zu Berlin Ende Mai vorigen Jahres abgehaltene Versammlung der Verbandsvorsteher und Vertrauensmänner der Bruderschaft stellte die Grundsätze fest, nach denen man arbeiten wollte. Das Wesentlichste an den Einrichtungen der Genossenschaft freiwilliger Krankenpfleger im Kriege ist dieses. Sie wendet sich in erster Linie an militär¬ freie Studenten aller Fakultäten, dann aber auch an jeden deutschen Mann, welcher die nötigen Bürgschaften für verständnisvolles, treues Wirken zu bieten imstande ist, und sammelt ihre Mitglieder zu Ortsgruppen, welche ihre eigne verwaltende und technische Leitung haben. In der Ortsgruppe macht nun zu¬ nächst der künftige Krankenpfleger einen sechswöchentlichen vorbereitenden Kursus durch, der, in den Abendstunden abgehalten, ihn in seiner sonstigen Thätigkeit möglichst wenig hemmen soll. In diesen Kursen erhält er auf Grund eines kleinen Leitfadens der Chirurgie theoretischen Unterricht und wird an gesunden Personen (bezahlten Handwerkern u. s. w.) in den einfachsten Handreichungen seines Dienstes unterwiesen. Dann tritt er zu einem einmaligen vierwöchentlichen Kursus in ein Lazaret oder öffentliches Krankenhaus ein und wird hier in Theorie und Praxis der Wundenbehandluug und der im Kriege häufigeren pathologischen Aufgaben von besonders hierfür gewonnenen Ärzten eingeführt. Hat er diesen Hauptkursus mit Erfolg beendet, so sorgen von Zeit zu Zeit Wiederholungskurse in der Art der Vorbereituugskurse dafür, daß das Gelernte nicht in längerer Friedenszeit der Vergessenheit anheimfalle. Ein unvermeidlicher Mangel dieser Einrichtung ist es freilich, daß solche Leute, welche uicht in den Mittelpunkten der Ortsgruppen wohnen, sich nur schwer beteiligen können, und es ist doch nur zu hoffen, daß die Zahl der Orts¬ gruppen beständig wachse. Bis jetzt giebt es im preußische-, Bereich, auf welchen (mit Einschluß des hamburgischen Gebiets) sich die Genossenschaft des Rauben Hauses beschränkt, thätige Mittelpunkte in Berlin. Halle, Greifswald, Breslau,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/372
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/372>, abgerufen am 29.05.2024.