Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Noch einmal die Tonleiter.

Wohnstätte, das obere e, (um bei Odur zu bleiben) gar nicht mit gehört, und
auch sein dienstbarer Anhang, das d nicht, daß beide vielmehr der grundlegende
Ansatz zu dem höheren Tvnraume und seiner Tonbewegung sind, die über dem
ersten liegen, daß dagegen zu dem naturgegebenen ersten Tonraume zwischen
" und A mit seinen beiden Stufen auch darüber hinaus das a und das untere 1i
noch mit gehören als notwendige Anhänge für die melodische Bewegung auf
und ab, um dieser oben und unten gleichsam die Tritt- oder Antrittstelle zu
geben zu neuem Anlauf auf und ab. Das war mir längst still aufgefallen an
den Tongängen des echten Volksliedes mit seiner wunderbaren einfach tiefen
Wirkung, an dem ich viel herumgesonnen habe in stillen Augenblicken, um mög¬
lichst hinter das Geheimnis der großen Wirkung mit so einfachen Mitteln zu
kommen, immer fern von aller musikalischen Wissenschaft, nur mit dem Privat¬
gefühl und nur für mich. So ist mirs um eine lebhafte Frende, mein stilles
Gefühl von seiten musikwissenschaftlicher Erkenntnis bestärkt und erhellt zu finden.
Auch die Lücke zwischen a und u oder der Sprung an dieser Stelle ist mir
nun deutlich, wie ich denn an seiner grelleren Darstellung in der Molltonleiter,
wo die Lücke sogar bis zur kleinen Terz oder übermäßigen Sekunde auseinander¬
gezogen erscheint (g-s-n), schou vor laugen Jahren (noch vor Mendelssohns Wir¬
kung) viel mit Verwunderung herumgeklügelt oder gehorcht und gefühlt habe,
wenn ich mirs endlos wiederholt auf- und absteigend vorspielte.

So bin ich denn auch mit der Gestaltung der Tonleiter von Herzen ein¬
verstanden, wie sie Herr F. D. giebt in rhythmisch harmonischer Herstellung,
indem er sie nur bis zu s. aufsteigen laßt und da herabschwenkt nach <z, das
aber mit feinem n und einem wiederholten e> zu einer Schleife (mir gefüllt das
Bild nun einmal) ausgestaltet wird und damit dem Tongange einen tresslichen
Abschluß giebt, bei demi auch das liebe u an seiner rechten Stelle und in seinem
wahren Werte mit auftritt, sodaß alle Töne zu ihrem natürlichen Rechte kommen.
Freilich muß man dabei vom Standpunkt der Schulüberlieferung aus auf die
Anklage gefaßt sein, daß ja damit der eigentlichen Tonleiter der Kopf abge¬
schnitten sei, da oben Il und o fehlen, als wollte man aus dem ABC das
T N und Z ausmerzen und doch sagen, man lehre die Schüler das wahre ABC.
Aber der Vergleich ist hinkend wie je einer, er stammt aus bloßen engen Schul¬
gedanken. Übrigens habe ich selbst am Schlüsse meiner Auslassung, allerdings
nur beiläufig in Parenthese, weil ich auch noch an der überlieferten vermeint¬
lichen Vollständigkeit hing, einen Tongang angegeben, bei dem das obere d.
und o anklingen und doch das Ganze rhythmisch wird, indem am Schlüsse eine
Schleife c-et-o angesetzt ist. die einen melodisch-rhythmischen Abschluß giebt; es
ist aber dazu hüpfender Rhythmus nötig, also:



Noch einmal die Tonleiter.

Wohnstätte, das obere e, (um bei Odur zu bleiben) gar nicht mit gehört, und
auch sein dienstbarer Anhang, das d nicht, daß beide vielmehr der grundlegende
Ansatz zu dem höheren Tvnraume und seiner Tonbewegung sind, die über dem
ersten liegen, daß dagegen zu dem naturgegebenen ersten Tonraume zwischen
« und A mit seinen beiden Stufen auch darüber hinaus das a und das untere 1i
noch mit gehören als notwendige Anhänge für die melodische Bewegung auf
und ab, um dieser oben und unten gleichsam die Tritt- oder Antrittstelle zu
geben zu neuem Anlauf auf und ab. Das war mir längst still aufgefallen an
den Tongängen des echten Volksliedes mit seiner wunderbaren einfach tiefen
Wirkung, an dem ich viel herumgesonnen habe in stillen Augenblicken, um mög¬
lichst hinter das Geheimnis der großen Wirkung mit so einfachen Mitteln zu
kommen, immer fern von aller musikalischen Wissenschaft, nur mit dem Privat¬
gefühl und nur für mich. So ist mirs um eine lebhafte Frende, mein stilles
Gefühl von seiten musikwissenschaftlicher Erkenntnis bestärkt und erhellt zu finden.
Auch die Lücke zwischen a und u oder der Sprung an dieser Stelle ist mir
nun deutlich, wie ich denn an seiner grelleren Darstellung in der Molltonleiter,
wo die Lücke sogar bis zur kleinen Terz oder übermäßigen Sekunde auseinander¬
gezogen erscheint (g-s-n), schou vor laugen Jahren (noch vor Mendelssohns Wir¬
kung) viel mit Verwunderung herumgeklügelt oder gehorcht und gefühlt habe,
wenn ich mirs endlos wiederholt auf- und absteigend vorspielte.

So bin ich denn auch mit der Gestaltung der Tonleiter von Herzen ein¬
verstanden, wie sie Herr F. D. giebt in rhythmisch harmonischer Herstellung,
indem er sie nur bis zu s. aufsteigen laßt und da herabschwenkt nach <z, das
aber mit feinem n und einem wiederholten e> zu einer Schleife (mir gefüllt das
Bild nun einmal) ausgestaltet wird und damit dem Tongange einen tresslichen
Abschluß giebt, bei demi auch das liebe u an seiner rechten Stelle und in seinem
wahren Werte mit auftritt, sodaß alle Töne zu ihrem natürlichen Rechte kommen.
Freilich muß man dabei vom Standpunkt der Schulüberlieferung aus auf die
Anklage gefaßt sein, daß ja damit der eigentlichen Tonleiter der Kopf abge¬
schnitten sei, da oben Il und o fehlen, als wollte man aus dem ABC das
T N und Z ausmerzen und doch sagen, man lehre die Schüler das wahre ABC.
Aber der Vergleich ist hinkend wie je einer, er stammt aus bloßen engen Schul¬
gedanken. Übrigens habe ich selbst am Schlüsse meiner Auslassung, allerdings
nur beiläufig in Parenthese, weil ich auch noch an der überlieferten vermeint¬
lichen Vollständigkeit hing, einen Tongang angegeben, bei dem das obere d.
und o anklingen und doch das Ganze rhythmisch wird, indem am Schlüsse eine
Schleife c-et-o angesetzt ist. die einen melodisch-rhythmischen Abschluß giebt; es
ist aber dazu hüpfender Rhythmus nötig, also:



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0388" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201167"/>
          <fw type="header" place="top"> Noch einmal die Tonleiter.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1180" prev="#ID_1179"> Wohnstätte, das obere e, (um bei Odur zu bleiben) gar nicht mit gehört, und<lb/>
auch sein dienstbarer Anhang, das d nicht, daß beide vielmehr der grundlegende<lb/>
Ansatz zu dem höheren Tvnraume und seiner Tonbewegung sind, die über dem<lb/>
ersten liegen, daß dagegen zu dem naturgegebenen ersten Tonraume zwischen<lb/>
« und A mit seinen beiden Stufen auch darüber hinaus das a und das untere 1i<lb/>
noch mit gehören als notwendige Anhänge für die melodische Bewegung auf<lb/>
und ab, um dieser oben und unten gleichsam die Tritt- oder Antrittstelle zu<lb/>
geben zu neuem Anlauf auf und ab. Das war mir längst still aufgefallen an<lb/>
den Tongängen des echten Volksliedes mit seiner wunderbaren einfach tiefen<lb/>
Wirkung, an dem ich viel herumgesonnen habe in stillen Augenblicken, um mög¬<lb/>
lichst hinter das Geheimnis der großen Wirkung mit so einfachen Mitteln zu<lb/>
kommen, immer fern von aller musikalischen Wissenschaft, nur mit dem Privat¬<lb/>
gefühl und nur für mich. So ist mirs um eine lebhafte Frende, mein stilles<lb/>
Gefühl von seiten musikwissenschaftlicher Erkenntnis bestärkt und erhellt zu finden.<lb/>
Auch die Lücke zwischen a und u oder der Sprung an dieser Stelle ist mir<lb/>
nun deutlich, wie ich denn an seiner grelleren Darstellung in der Molltonleiter,<lb/>
wo die Lücke sogar bis zur kleinen Terz oder übermäßigen Sekunde auseinander¬<lb/>
gezogen erscheint (g-s-n), schou vor laugen Jahren (noch vor Mendelssohns Wir¬<lb/>
kung) viel mit Verwunderung herumgeklügelt oder gehorcht und gefühlt habe,<lb/>
wenn ich mirs endlos wiederholt auf- und absteigend vorspielte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1181"> So bin ich denn auch mit der Gestaltung der Tonleiter von Herzen ein¬<lb/>
verstanden, wie sie Herr F. D. giebt in rhythmisch harmonischer Herstellung,<lb/>
indem er sie nur bis zu s. aufsteigen laßt und da herabschwenkt nach &lt;z, das<lb/>
aber mit feinem n und einem wiederholten e&gt; zu einer Schleife (mir gefüllt das<lb/>
Bild nun einmal) ausgestaltet wird und damit dem Tongange einen tresslichen<lb/>
Abschluß giebt, bei demi auch das liebe u an seiner rechten Stelle und in seinem<lb/>
wahren Werte mit auftritt, sodaß alle Töne zu ihrem natürlichen Rechte kommen.<lb/>
Freilich muß man dabei vom Standpunkt der Schulüberlieferung aus auf die<lb/>
Anklage gefaßt sein, daß ja damit der eigentlichen Tonleiter der Kopf abge¬<lb/>
schnitten sei, da oben Il und o fehlen, als wollte man aus dem ABC das<lb/>
T N und Z ausmerzen und doch sagen, man lehre die Schüler das wahre ABC.<lb/>
Aber der Vergleich ist hinkend wie je einer, er stammt aus bloßen engen Schul¬<lb/>
gedanken. Übrigens habe ich selbst am Schlüsse meiner Auslassung, allerdings<lb/>
nur beiläufig in Parenthese, weil ich auch noch an der überlieferten vermeint¬<lb/>
lichen Vollständigkeit hing, einen Tongang angegeben, bei dem das obere d.<lb/>
und o anklingen und doch das Ganze rhythmisch wird, indem am Schlüsse eine<lb/>
Schleife c-et-o angesetzt ist. die einen melodisch-rhythmischen Abschluß giebt; es<lb/>
ist aber dazu hüpfender Rhythmus nötig, also:</p><lb/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341845_200778/figures/grenzboten_341845_200778_201167_004.jpg"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0388] Noch einmal die Tonleiter. Wohnstätte, das obere e, (um bei Odur zu bleiben) gar nicht mit gehört, und auch sein dienstbarer Anhang, das d nicht, daß beide vielmehr der grundlegende Ansatz zu dem höheren Tvnraume und seiner Tonbewegung sind, die über dem ersten liegen, daß dagegen zu dem naturgegebenen ersten Tonraume zwischen « und A mit seinen beiden Stufen auch darüber hinaus das a und das untere 1i noch mit gehören als notwendige Anhänge für die melodische Bewegung auf und ab, um dieser oben und unten gleichsam die Tritt- oder Antrittstelle zu geben zu neuem Anlauf auf und ab. Das war mir längst still aufgefallen an den Tongängen des echten Volksliedes mit seiner wunderbaren einfach tiefen Wirkung, an dem ich viel herumgesonnen habe in stillen Augenblicken, um mög¬ lichst hinter das Geheimnis der großen Wirkung mit so einfachen Mitteln zu kommen, immer fern von aller musikalischen Wissenschaft, nur mit dem Privat¬ gefühl und nur für mich. So ist mirs um eine lebhafte Frende, mein stilles Gefühl von seiten musikwissenschaftlicher Erkenntnis bestärkt und erhellt zu finden. Auch die Lücke zwischen a und u oder der Sprung an dieser Stelle ist mir nun deutlich, wie ich denn an seiner grelleren Darstellung in der Molltonleiter, wo die Lücke sogar bis zur kleinen Terz oder übermäßigen Sekunde auseinander¬ gezogen erscheint (g-s-n), schou vor laugen Jahren (noch vor Mendelssohns Wir¬ kung) viel mit Verwunderung herumgeklügelt oder gehorcht und gefühlt habe, wenn ich mirs endlos wiederholt auf- und absteigend vorspielte. So bin ich denn auch mit der Gestaltung der Tonleiter von Herzen ein¬ verstanden, wie sie Herr F. D. giebt in rhythmisch harmonischer Herstellung, indem er sie nur bis zu s. aufsteigen laßt und da herabschwenkt nach <z, das aber mit feinem n und einem wiederholten e> zu einer Schleife (mir gefüllt das Bild nun einmal) ausgestaltet wird und damit dem Tongange einen tresslichen Abschluß giebt, bei demi auch das liebe u an seiner rechten Stelle und in seinem wahren Werte mit auftritt, sodaß alle Töne zu ihrem natürlichen Rechte kommen. Freilich muß man dabei vom Standpunkt der Schulüberlieferung aus auf die Anklage gefaßt sein, daß ja damit der eigentlichen Tonleiter der Kopf abge¬ schnitten sei, da oben Il und o fehlen, als wollte man aus dem ABC das T N und Z ausmerzen und doch sagen, man lehre die Schüler das wahre ABC. Aber der Vergleich ist hinkend wie je einer, er stammt aus bloßen engen Schul¬ gedanken. Übrigens habe ich selbst am Schlüsse meiner Auslassung, allerdings nur beiläufig in Parenthese, weil ich auch noch an der überlieferten vermeint¬ lichen Vollständigkeit hing, einen Tongang angegeben, bei dem das obere d. und o anklingen und doch das Ganze rhythmisch wird, indem am Schlüsse eine Schleife c-et-o angesetzt ist. die einen melodisch-rhythmischen Abschluß giebt; es ist aber dazu hüpfender Rhythmus nötig, also: [Abbildung]

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/388
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/388>, abgerufen am 14.05.2024.