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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Die Weisheit Salomos.

Der unsre trunkne Seele fröhlich macht,
Daß wir die Welt anlächelt, wie das Kindlein
Die Mutterbrust, die es ernährt. O Freundin,
Sei du auch fröhlich mit mir Fröhlichen.
Denn fremder Freuden sich erfreuen ist
Der Weisheit Krone.

Im Gefolge Sulamiths ist aber auch Hcidad in Ketten mitgekommen; etwas
unvorsichtig jedenfalls. In der realen Welt wäre dies zweifellos vermieden
worden, im Schauspiel Heyses bedürfte es allerdings dieses schwach motivirten
Zusammentreffens, um der Handlung zu dem bewegten Schlüsse zu verhelfen. Als
Hadad die herrlich geschmückte Sulamith erblickt, da bricht er, nachdem er sie
erst sprachlos angestarrt hat, in die rührende Klage aus: "Lieber den Tod als
die Entsagung!" Schon ist er jedoch im Abgehen begriffen, schon will Salomo
Sulamiths Hand ergreifen, um sie unter Führung des Priesters zum Altar zu
geleiten, da verliert das Mädchen die mühsam behaltene Fassung, blickt plötzlich
auf, schlägt die Hände vors Gesicht, wendet sich nach der Seite, wo Hadad sich
entfernt, und ruft mit ausbrechender Leidenschaft: "Hadad! O mein Hadad!"
Zornig fährt Salomo auf, aber Sulamith ist nicht mehr zu halten: "Ich fühl's,
ruft sie, ich stürbe, wenn ich nicht sagte, wie es mir ums Herz." Und Stück
für Stück streift sie Diadem und Mantel und Spangen ab, mit denen man sie
geschmückt hat, und sinkt dem glücklich überraschten Hadad in die Arme. spottend
ruft die verschmähte Königin von Saba dem also verlassenen Könige Salomo zu:


Wie nun? Wie stimmt zu deinen Hvchzeitswonne",
Mein Freund, dies Brautlied? Nun erkenn' auch ich,
Daß alles eitel. Glück weissagte dir
Dein Herz von diesem Bunde, Und dies Kind --
Aus deinen Armen flüchtet's in den Tod.
Nun, weiser Freund, bewähre deine Weisheit!

Und der weise Mann zögert nicht, sich als solcher zu bewähren. Nachdem er
in sichtbarem Kampfe dagestanden hat, richtet er sich plötzlich zu voller Würde
auf und findet sogar den heitern Ton wieder. Dieses unvernünftige Kind Sula¬
mith hat mit einem Hauche alle seine Macht und Weisheit in den Staub ge¬
stürzt --


Und ich -- das litt ich wehrlos? Daß hinfort
Die Kinder hinter mir ein Spottlied sängen:
"Er schlug mit seinem Schwert Zchntausendc,
Ihn aber überwand ein Hirtenmägdlein"?
Nun, bei dem em'gen Gott, ihr triumphirt
Zu früh. So hoch will ich mich über euch
Erheben, daß ihr euch besiegt sollt geben
Und zeugen, daß ich doch der Stärkre bin.

Und mit demselben Mantel, in dem er, der König, zur Hochzeit schreiten wollte,
läßt er Hadad bekleiden. Wie Bailis die Sulamith, so will er den Bräutigam
aussteuern.


Die Weisheit Salomos.

Der unsre trunkne Seele fröhlich macht,
Daß wir die Welt anlächelt, wie das Kindlein
Die Mutterbrust, die es ernährt. O Freundin,
Sei du auch fröhlich mit mir Fröhlichen.
Denn fremder Freuden sich erfreuen ist
Der Weisheit Krone.

Im Gefolge Sulamiths ist aber auch Hcidad in Ketten mitgekommen; etwas
unvorsichtig jedenfalls. In der realen Welt wäre dies zweifellos vermieden
worden, im Schauspiel Heyses bedürfte es allerdings dieses schwach motivirten
Zusammentreffens, um der Handlung zu dem bewegten Schlüsse zu verhelfen. Als
Hadad die herrlich geschmückte Sulamith erblickt, da bricht er, nachdem er sie
erst sprachlos angestarrt hat, in die rührende Klage aus: „Lieber den Tod als
die Entsagung!" Schon ist er jedoch im Abgehen begriffen, schon will Salomo
Sulamiths Hand ergreifen, um sie unter Führung des Priesters zum Altar zu
geleiten, da verliert das Mädchen die mühsam behaltene Fassung, blickt plötzlich
auf, schlägt die Hände vors Gesicht, wendet sich nach der Seite, wo Hadad sich
entfernt, und ruft mit ausbrechender Leidenschaft: „Hadad! O mein Hadad!"
Zornig fährt Salomo auf, aber Sulamith ist nicht mehr zu halten: „Ich fühl's,
ruft sie, ich stürbe, wenn ich nicht sagte, wie es mir ums Herz." Und Stück
für Stück streift sie Diadem und Mantel und Spangen ab, mit denen man sie
geschmückt hat, und sinkt dem glücklich überraschten Hadad in die Arme. spottend
ruft die verschmähte Königin von Saba dem also verlassenen Könige Salomo zu:


Wie nun? Wie stimmt zu deinen Hvchzeitswonne»,
Mein Freund, dies Brautlied? Nun erkenn' auch ich,
Daß alles eitel. Glück weissagte dir
Dein Herz von diesem Bunde, Und dies Kind —
Aus deinen Armen flüchtet's in den Tod.
Nun, weiser Freund, bewähre deine Weisheit!

Und der weise Mann zögert nicht, sich als solcher zu bewähren. Nachdem er
in sichtbarem Kampfe dagestanden hat, richtet er sich plötzlich zu voller Würde
auf und findet sogar den heitern Ton wieder. Dieses unvernünftige Kind Sula¬
mith hat mit einem Hauche alle seine Macht und Weisheit in den Staub ge¬
stürzt —


Und ich — das litt ich wehrlos? Daß hinfort
Die Kinder hinter mir ein Spottlied sängen:
„Er schlug mit seinem Schwert Zchntausendc,
Ihn aber überwand ein Hirtenmägdlein"?
Nun, bei dem em'gen Gott, ihr triumphirt
Zu früh. So hoch will ich mich über euch
Erheben, daß ihr euch besiegt sollt geben
Und zeugen, daß ich doch der Stärkre bin.

Und mit demselben Mantel, in dem er, der König, zur Hochzeit schreiten wollte,
läßt er Hadad bekleiden. Wie Bailis die Sulamith, so will er den Bräutigam
aussteuern.


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[0484] Die Weisheit Salomos. Der unsre trunkne Seele fröhlich macht, Daß wir die Welt anlächelt, wie das Kindlein Die Mutterbrust, die es ernährt. O Freundin, Sei du auch fröhlich mit mir Fröhlichen. Denn fremder Freuden sich erfreuen ist Der Weisheit Krone. Im Gefolge Sulamiths ist aber auch Hcidad in Ketten mitgekommen; etwas unvorsichtig jedenfalls. In der realen Welt wäre dies zweifellos vermieden worden, im Schauspiel Heyses bedürfte es allerdings dieses schwach motivirten Zusammentreffens, um der Handlung zu dem bewegten Schlüsse zu verhelfen. Als Hadad die herrlich geschmückte Sulamith erblickt, da bricht er, nachdem er sie erst sprachlos angestarrt hat, in die rührende Klage aus: „Lieber den Tod als die Entsagung!" Schon ist er jedoch im Abgehen begriffen, schon will Salomo Sulamiths Hand ergreifen, um sie unter Führung des Priesters zum Altar zu geleiten, da verliert das Mädchen die mühsam behaltene Fassung, blickt plötzlich auf, schlägt die Hände vors Gesicht, wendet sich nach der Seite, wo Hadad sich entfernt, und ruft mit ausbrechender Leidenschaft: „Hadad! O mein Hadad!" Zornig fährt Salomo auf, aber Sulamith ist nicht mehr zu halten: „Ich fühl's, ruft sie, ich stürbe, wenn ich nicht sagte, wie es mir ums Herz." Und Stück für Stück streift sie Diadem und Mantel und Spangen ab, mit denen man sie geschmückt hat, und sinkt dem glücklich überraschten Hadad in die Arme. spottend ruft die verschmähte Königin von Saba dem also verlassenen Könige Salomo zu: Wie nun? Wie stimmt zu deinen Hvchzeitswonne», Mein Freund, dies Brautlied? Nun erkenn' auch ich, Daß alles eitel. Glück weissagte dir Dein Herz von diesem Bunde, Und dies Kind — Aus deinen Armen flüchtet's in den Tod. Nun, weiser Freund, bewähre deine Weisheit! Und der weise Mann zögert nicht, sich als solcher zu bewähren. Nachdem er in sichtbarem Kampfe dagestanden hat, richtet er sich plötzlich zu voller Würde auf und findet sogar den heitern Ton wieder. Dieses unvernünftige Kind Sula¬ mith hat mit einem Hauche alle seine Macht und Weisheit in den Staub ge¬ stürzt — Und ich — das litt ich wehrlos? Daß hinfort Die Kinder hinter mir ein Spottlied sängen: „Er schlug mit seinem Schwert Zchntausendc, Ihn aber überwand ein Hirtenmägdlein"? Nun, bei dem em'gen Gott, ihr triumphirt Zu früh. So hoch will ich mich über euch Erheben, daß ihr euch besiegt sollt geben Und zeugen, daß ich doch der Stärkre bin. Und mit demselben Mantel, in dem er, der König, zur Hochzeit schreiten wollte, läßt er Hadad bekleiden. Wie Bailis die Sulamith, so will er den Bräutigam aussteuern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/484>, abgerufen am 30.05.2024.