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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Die Weisheit Salomos,

Und bleiben wir nicht noch in ihrer Schuld?
Was sie uns lehrten, ist's nicht köstlicher
Als alle Schätze: daß nicht alles eitel?
Daß es ein Ewiges giebt im Wandelbaren:
Die Liebe, die da stärker als der Tod,
Die nicht der Hölle Pforten überwinden?

Das Stück schließt, indem Salomo zur Königin gewendet, ihr Glück auf den
Heimweg wünschend, dieselben Worte gebraucht, die er im Rausche seiner so
schnell enttäuschten Hoffnungen gesprochen:


Dann denk des Freundes,
Der heut von neuem lernte: fremder Freuden
Sich neidlos freu'n ist aller Weisheit Krone.

Wir haben mit einiger Ausführlichkeit den Inhalt des Hehsescheu Schau¬
spiels wiedergegeben, aber wir hoffen, unsre Leser werden uns Dank dafür
wissen, denn es ist ein Werk von bleibendem Werte, das hier dem unverdrossen
aufwärts strebenden Dichter gelungen ist. Es wird sich auch gewiß auf der
Bühne bewähren; das Münchner Hoftheater hat eine Aufführung der "Weisheit
Salomos" für den kommenden Winter angekündigt, und andre Bühnen werden
folgen.

Eines noch lehrt uns dies gelungene Werk: unsre jüngsten Vühnenreformer
zerbrechen sich die Köpfe mit den abenteuerlichsten Projekten, dem deutscheu
Drama aufzuhelfen. Die jetzige Bühuencinrichtung ist ihnen nicht recht, der
traditionelle Geschmack muß über den Haufen geworfen werden, eine nie aus¬
gebeutete poetische Stoffwelt muß aus dem Schutt der Bibliotheken hervor¬
gezogen und auf die Bretter gebracht werden. Sie machen sehr viel Lärm,
diese Stürmer, haben aber bisher nicht ein einziges erträgliches Drama geschaffen.
Heyse hat sich einen der ältesten Stoffe gewählt, hat ihn im Stile unsrer Klassiker
dargestellt, ohne weitere reformatorische Tendenzen, und siehe da! die Wirkung
ist so neu, so rein und so stark, als Hütten wir niemals noch die alte Geschichte
vom König Salomo und der schönen Sulamith gehört. Freilich ist Paul Heyse
ein rechter Künstler, er kann etwas und arbeitet, ohne sich um die Schreier zu
kümmern und um den wüsten Tageslärm, in der Stille an der eignen Vollendung
unbeirrt fort. Möge ihm in dieser Kttnstlerruhe noch manches Werk wie diese
"Weisheit Salomos" gelingen.




Die Weisheit Salomos,

Und bleiben wir nicht noch in ihrer Schuld?
Was sie uns lehrten, ist's nicht köstlicher
Als alle Schätze: daß nicht alles eitel?
Daß es ein Ewiges giebt im Wandelbaren:
Die Liebe, die da stärker als der Tod,
Die nicht der Hölle Pforten überwinden?

Das Stück schließt, indem Salomo zur Königin gewendet, ihr Glück auf den
Heimweg wünschend, dieselben Worte gebraucht, die er im Rausche seiner so
schnell enttäuschten Hoffnungen gesprochen:


Dann denk des Freundes,
Der heut von neuem lernte: fremder Freuden
Sich neidlos freu'n ist aller Weisheit Krone.

Wir haben mit einiger Ausführlichkeit den Inhalt des Hehsescheu Schau¬
spiels wiedergegeben, aber wir hoffen, unsre Leser werden uns Dank dafür
wissen, denn es ist ein Werk von bleibendem Werte, das hier dem unverdrossen
aufwärts strebenden Dichter gelungen ist. Es wird sich auch gewiß auf der
Bühne bewähren; das Münchner Hoftheater hat eine Aufführung der „Weisheit
Salomos" für den kommenden Winter angekündigt, und andre Bühnen werden
folgen.

Eines noch lehrt uns dies gelungene Werk: unsre jüngsten Vühnenreformer
zerbrechen sich die Köpfe mit den abenteuerlichsten Projekten, dem deutscheu
Drama aufzuhelfen. Die jetzige Bühuencinrichtung ist ihnen nicht recht, der
traditionelle Geschmack muß über den Haufen geworfen werden, eine nie aus¬
gebeutete poetische Stoffwelt muß aus dem Schutt der Bibliotheken hervor¬
gezogen und auf die Bretter gebracht werden. Sie machen sehr viel Lärm,
diese Stürmer, haben aber bisher nicht ein einziges erträgliches Drama geschaffen.
Heyse hat sich einen der ältesten Stoffe gewählt, hat ihn im Stile unsrer Klassiker
dargestellt, ohne weitere reformatorische Tendenzen, und siehe da! die Wirkung
ist so neu, so rein und so stark, als Hütten wir niemals noch die alte Geschichte
vom König Salomo und der schönen Sulamith gehört. Freilich ist Paul Heyse
ein rechter Künstler, er kann etwas und arbeitet, ohne sich um die Schreier zu
kümmern und um den wüsten Tageslärm, in der Stille an der eignen Vollendung
unbeirrt fort. Möge ihm in dieser Kttnstlerruhe noch manches Werk wie diese
„Weisheit Salomos" gelingen.




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[0485] Die Weisheit Salomos, Und bleiben wir nicht noch in ihrer Schuld? Was sie uns lehrten, ist's nicht köstlicher Als alle Schätze: daß nicht alles eitel? Daß es ein Ewiges giebt im Wandelbaren: Die Liebe, die da stärker als der Tod, Die nicht der Hölle Pforten überwinden? Das Stück schließt, indem Salomo zur Königin gewendet, ihr Glück auf den Heimweg wünschend, dieselben Worte gebraucht, die er im Rausche seiner so schnell enttäuschten Hoffnungen gesprochen: Dann denk des Freundes, Der heut von neuem lernte: fremder Freuden Sich neidlos freu'n ist aller Weisheit Krone. Wir haben mit einiger Ausführlichkeit den Inhalt des Hehsescheu Schau¬ spiels wiedergegeben, aber wir hoffen, unsre Leser werden uns Dank dafür wissen, denn es ist ein Werk von bleibendem Werte, das hier dem unverdrossen aufwärts strebenden Dichter gelungen ist. Es wird sich auch gewiß auf der Bühne bewähren; das Münchner Hoftheater hat eine Aufführung der „Weisheit Salomos" für den kommenden Winter angekündigt, und andre Bühnen werden folgen. Eines noch lehrt uns dies gelungene Werk: unsre jüngsten Vühnenreformer zerbrechen sich die Köpfe mit den abenteuerlichsten Projekten, dem deutscheu Drama aufzuhelfen. Die jetzige Bühuencinrichtung ist ihnen nicht recht, der traditionelle Geschmack muß über den Haufen geworfen werden, eine nie aus¬ gebeutete poetische Stoffwelt muß aus dem Schutt der Bibliotheken hervor¬ gezogen und auf die Bretter gebracht werden. Sie machen sehr viel Lärm, diese Stürmer, haben aber bisher nicht ein einziges erträgliches Drama geschaffen. Heyse hat sich einen der ältesten Stoffe gewählt, hat ihn im Stile unsrer Klassiker dargestellt, ohne weitere reformatorische Tendenzen, und siehe da! die Wirkung ist so neu, so rein und so stark, als Hütten wir niemals noch die alte Geschichte vom König Salomo und der schönen Sulamith gehört. Freilich ist Paul Heyse ein rechter Künstler, er kann etwas und arbeitet, ohne sich um die Schreier zu kümmern und um den wüsten Tageslärm, in der Stille an der eignen Vollendung unbeirrt fort. Möge ihm in dieser Kttnstlerruhe noch manches Werk wie diese „Weisheit Salomos" gelingen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/485>, abgerufen am 14.05.2024.