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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Die akademische Kunstausstellung in Berlin.

Unternehmens keinen Schaden. In unsrer Zeit, wo das Seltsame, Abenteuer¬
liche und Verschrobene -- um keinen stärkeren Ausdruck zu gebrauchen -- stets
ein starkes Echo findet, fehlt es nicht an gleichgestimmten Seelen, die alles
Erreichbare von Böcklin, Gabriel Max, Thoma, Max Klinger und ähnlichen
Gestirnen, welche einsam ihre Bahnen wandeln, an sich zu bringen suchen,
ebenso wie jederzeit Kraus, Vautier, A. und O. Ueberhand, Defregger, I. Brandt
zu Markte gebracht werden können.

Diesen drei Privatausstellungen tritt demnach die große, von der Akademie
und unter dem Schutze des Staates veranstaltete Jahresausstellung gewisser¬
maßen als neutrales Gebiet gegenüber, zu welchem der Eintritt durch keine andre
Legitimation als die der künstlerischen Befähigung gewonnen wird. Hier wird
dem Publikum die Unbefangenheit des Urteils durch keine Mittelspersonen getrübt,
welche ein geschäftliches Interesse an der Bevorzugung dieses oder jenes Kunst¬
werkes haben. Nur die Jury übt ihr reinigendes Amt, dessen Wirksamkeit dem
Publikum meist eben nur in Form von Zahlen bekannt wird. Es ist eine seltene
Ausnahme, daß einmal ein zurückgewiesener Künstler seinem Ingrimm öffentlich
Luft macht. Die Mehrzahl geht still nach Hanse und hütet sich, einen Mi߬
erfolg an die große Glocke zu hängen. Eine völlig vereinzelte, noch nicht da¬
gewesene Erscheinung war in diesem Jahre das unbesonnene Gebahren einer
Künstlerin, welche um eines in stofflicher und technischer Beziehung gleich be¬
denklichen und deshalb ausgeschlossenen Stilllebens halber die Welt bis zum
Kaiser hinauf in Bewegung setzte.

An den Pforten der Kunstausstellung also wieder ein öffentlicher Skandal
wie im vorigen Jahre, wo einige Künstler einen Angriff auf die Freiheit und
Unabhängigkeit der Kritik versuchten und sich ohne Legitimation zu Wortführern
eiuer großen Körperschaft auswarfen. Wie damals die Demonstration für die
Urheber ohne Ergebnis verlief, weil die Kritik nicht durch einen Einzelnen, der
getroffen werden sollte, sondern durch eine Gesamtheit dargestellt wird, die sich
immer wieder erneuert, so ist auch diesmal der Sturmlauf einer gekränkten
Malerin gegen die Jury vergeblich gewesen. Es war daher nur folgerichtig,
daß der große Teil der Presse, welcher sich im vorigen Jahre gegen die un¬
berechtigte Einmischung der Künstler in die Geschäfte der Kritik ablehnend ver¬
hielt, jetzt die Rechte der Jury gegen die Angriffe einer Künstlerin geschützt hat.
Die Zusammensetzung der Jury ans vier Vertretern des Senats, aus fünf Mit¬
gliedern der Kunstakademie und aus vier Abgesandten des Berliner Kunstvereins
kommt allen billigen Anforderungen so sehr entgegen, daß jeder Verdacht un¬
gerechter, von engherzigen Gesichtspunkten aufgehender Urteilssprüche ausge¬
schlossen ist. Irrtümer und Mißgriffe sind wie bei allem Menschenwerk un¬
vermeidlich, aber auch natürlich und entschuldbar. Die Grundbedingungen,
welche eiuen freien Wettbewerb aller irgendwie fähigen Kräfte ermöglichen, sind
jedenfalls gegeben. Der Senat der Akademie, welcher die Verantwortung für


Die akademische Kunstausstellung in Berlin.

Unternehmens keinen Schaden. In unsrer Zeit, wo das Seltsame, Abenteuer¬
liche und Verschrobene — um keinen stärkeren Ausdruck zu gebrauchen — stets
ein starkes Echo findet, fehlt es nicht an gleichgestimmten Seelen, die alles
Erreichbare von Böcklin, Gabriel Max, Thoma, Max Klinger und ähnlichen
Gestirnen, welche einsam ihre Bahnen wandeln, an sich zu bringen suchen,
ebenso wie jederzeit Kraus, Vautier, A. und O. Ueberhand, Defregger, I. Brandt
zu Markte gebracht werden können.

Diesen drei Privatausstellungen tritt demnach die große, von der Akademie
und unter dem Schutze des Staates veranstaltete Jahresausstellung gewisser¬
maßen als neutrales Gebiet gegenüber, zu welchem der Eintritt durch keine andre
Legitimation als die der künstlerischen Befähigung gewonnen wird. Hier wird
dem Publikum die Unbefangenheit des Urteils durch keine Mittelspersonen getrübt,
welche ein geschäftliches Interesse an der Bevorzugung dieses oder jenes Kunst¬
werkes haben. Nur die Jury übt ihr reinigendes Amt, dessen Wirksamkeit dem
Publikum meist eben nur in Form von Zahlen bekannt wird. Es ist eine seltene
Ausnahme, daß einmal ein zurückgewiesener Künstler seinem Ingrimm öffentlich
Luft macht. Die Mehrzahl geht still nach Hanse und hütet sich, einen Mi߬
erfolg an die große Glocke zu hängen. Eine völlig vereinzelte, noch nicht da¬
gewesene Erscheinung war in diesem Jahre das unbesonnene Gebahren einer
Künstlerin, welche um eines in stofflicher und technischer Beziehung gleich be¬
denklichen und deshalb ausgeschlossenen Stilllebens halber die Welt bis zum
Kaiser hinauf in Bewegung setzte.

An den Pforten der Kunstausstellung also wieder ein öffentlicher Skandal
wie im vorigen Jahre, wo einige Künstler einen Angriff auf die Freiheit und
Unabhängigkeit der Kritik versuchten und sich ohne Legitimation zu Wortführern
eiuer großen Körperschaft auswarfen. Wie damals die Demonstration für die
Urheber ohne Ergebnis verlief, weil die Kritik nicht durch einen Einzelnen, der
getroffen werden sollte, sondern durch eine Gesamtheit dargestellt wird, die sich
immer wieder erneuert, so ist auch diesmal der Sturmlauf einer gekränkten
Malerin gegen die Jury vergeblich gewesen. Es war daher nur folgerichtig,
daß der große Teil der Presse, welcher sich im vorigen Jahre gegen die un¬
berechtigte Einmischung der Künstler in die Geschäfte der Kritik ablehnend ver¬
hielt, jetzt die Rechte der Jury gegen die Angriffe einer Künstlerin geschützt hat.
Die Zusammensetzung der Jury ans vier Vertretern des Senats, aus fünf Mit¬
gliedern der Kunstakademie und aus vier Abgesandten des Berliner Kunstvereins
kommt allen billigen Anforderungen so sehr entgegen, daß jeder Verdacht un¬
gerechter, von engherzigen Gesichtspunkten aufgehender Urteilssprüche ausge¬
schlossen ist. Irrtümer und Mißgriffe sind wie bei allem Menschenwerk un¬
vermeidlich, aber auch natürlich und entschuldbar. Die Grundbedingungen,
welche eiuen freien Wettbewerb aller irgendwie fähigen Kräfte ermöglichen, sind
jedenfalls gegeben. Der Senat der Akademie, welcher die Verantwortung für


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[0487] Die akademische Kunstausstellung in Berlin. Unternehmens keinen Schaden. In unsrer Zeit, wo das Seltsame, Abenteuer¬ liche und Verschrobene — um keinen stärkeren Ausdruck zu gebrauchen — stets ein starkes Echo findet, fehlt es nicht an gleichgestimmten Seelen, die alles Erreichbare von Böcklin, Gabriel Max, Thoma, Max Klinger und ähnlichen Gestirnen, welche einsam ihre Bahnen wandeln, an sich zu bringen suchen, ebenso wie jederzeit Kraus, Vautier, A. und O. Ueberhand, Defregger, I. Brandt zu Markte gebracht werden können. Diesen drei Privatausstellungen tritt demnach die große, von der Akademie und unter dem Schutze des Staates veranstaltete Jahresausstellung gewisser¬ maßen als neutrales Gebiet gegenüber, zu welchem der Eintritt durch keine andre Legitimation als die der künstlerischen Befähigung gewonnen wird. Hier wird dem Publikum die Unbefangenheit des Urteils durch keine Mittelspersonen getrübt, welche ein geschäftliches Interesse an der Bevorzugung dieses oder jenes Kunst¬ werkes haben. Nur die Jury übt ihr reinigendes Amt, dessen Wirksamkeit dem Publikum meist eben nur in Form von Zahlen bekannt wird. Es ist eine seltene Ausnahme, daß einmal ein zurückgewiesener Künstler seinem Ingrimm öffentlich Luft macht. Die Mehrzahl geht still nach Hanse und hütet sich, einen Mi߬ erfolg an die große Glocke zu hängen. Eine völlig vereinzelte, noch nicht da¬ gewesene Erscheinung war in diesem Jahre das unbesonnene Gebahren einer Künstlerin, welche um eines in stofflicher und technischer Beziehung gleich be¬ denklichen und deshalb ausgeschlossenen Stilllebens halber die Welt bis zum Kaiser hinauf in Bewegung setzte. An den Pforten der Kunstausstellung also wieder ein öffentlicher Skandal wie im vorigen Jahre, wo einige Künstler einen Angriff auf die Freiheit und Unabhängigkeit der Kritik versuchten und sich ohne Legitimation zu Wortführern eiuer großen Körperschaft auswarfen. Wie damals die Demonstration für die Urheber ohne Ergebnis verlief, weil die Kritik nicht durch einen Einzelnen, der getroffen werden sollte, sondern durch eine Gesamtheit dargestellt wird, die sich immer wieder erneuert, so ist auch diesmal der Sturmlauf einer gekränkten Malerin gegen die Jury vergeblich gewesen. Es war daher nur folgerichtig, daß der große Teil der Presse, welcher sich im vorigen Jahre gegen die un¬ berechtigte Einmischung der Künstler in die Geschäfte der Kritik ablehnend ver¬ hielt, jetzt die Rechte der Jury gegen die Angriffe einer Künstlerin geschützt hat. Die Zusammensetzung der Jury ans vier Vertretern des Senats, aus fünf Mit¬ gliedern der Kunstakademie und aus vier Abgesandten des Berliner Kunstvereins kommt allen billigen Anforderungen so sehr entgegen, daß jeder Verdacht un¬ gerechter, von engherzigen Gesichtspunkten aufgehender Urteilssprüche ausge¬ schlossen ist. Irrtümer und Mißgriffe sind wie bei allem Menschenwerk un¬ vermeidlich, aber auch natürlich und entschuldbar. Die Grundbedingungen, welche eiuen freien Wettbewerb aller irgendwie fähigen Kräfte ermöglichen, sind jedenfalls gegeben. Der Senat der Akademie, welcher die Verantwortung für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/487>, abgerufen am 14.05.2024.