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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Protestant von Gebhardt." Darm liegt ein Widerspruch. E. von Gebhardt
weiß ebensowenig einen aus der Gegenwart "quilleudcn" künstlerischen Ausdruck
für das Göttliche zu finden wie die letzten noch unter uns schaffenden Corne-
liciner, von denen Knille übrigens nicht viel hält. Nicht bloß in der Formen-
gebung, sondern auch in der Innigkeit der Empfindung, in der Darstellung
naiver Gläubigkeit lehnt sich der Düsseldorfer Meister an die alten Deutschen
oder richtiger an die alten Niederländer an. Wenn es wirklich einen Maler
religiöser Bilder giebt, der ohne Anschluß an die Überlieferung, ohne irgend
eine Spur vou Konvention aus der Gegenwart schöpft, so kann es nur Fritz
von Abbe sein. Ihn und seine Geistesverwandten scheint Knille auch am Schlüsse
seines Buches, Wo er eine trostlose Aussicht auf die "Zukunftsmaler" eröffnet,
im Sinne zu haben.

Man hat den Kunsthistorikern und Kunstkritikern von Künstlerseite oft
genug vorgeworfen, daß sie nicht zur richtigen und gerechten Aburteilung eines
Kunstwerkes berufen seien, weil ihnen das Verständnis für das Technische ab¬
gebe. Dieser Vorwurf ist insofern unberechtigt, als auch durch lange Schulung
des Auges ein Einblick in die technische Methode, ohne Besitz der Handfertigkeit,
erreicht werden kann. Aber nehmen wir einmal an, der Vorwurf wäre be¬
gründet. Dann würde es umsomehr die Aufgabe der Künstler, die über Kunst
schreiben wollen, sein, die Kunsthistoriker und die andern armen Laien über das
Technische der Malerei, der Plastik u. s. w. aufzuklären. Das wäre ein wirk¬
liches schriftstellerisches Verdienst, das sich aber in Deutschland noch kein
Künstler erworben hat. Statt dessen bekommen wir ästhetische Betrachtungen
zu lesen, wie sie jeder philosophisch gebildete, schriftgewandte Laie anstellen kann,
und einen Auszug aus der Kunstgeschichte, der seinem Verfasser das Zeugnis
ausstellt, daß er sehr wohl eine Professur der Kunstgeschichte und Ästhetik an
einer Kunstakademie bekleiden könnte.

Was wäre damit aber gewonnen? Wir hätten einen der Professoren,
von denen zwölf aufs Dutzend gehen, mehr, und einen tüchtigen Künstler
weniger, und das wäre in unsrer Zeit, wo es unter den Künstlern der Idealisten
so wenige giebt, ein schwerer Verlust. Professor Knille wird unsre Auseinander¬
setzungen hoffentlich nicht mißverstehen. Wir haben so oft mit freudiger An¬
erkennung von seinen phantasievollen Schöpfungen gesprochen, daß es uns er¬
laubt sein wird, ebenso offen zu sein, wenn wir ihm ans einer Bahn begegnen,
auf welcher ihn die schöpferische Phantasie verlassen hat. Die "Grübeleien eines
Malers über seine Kunst" versprechen mehr, als sie halten. Es ist viel Rich¬
tiges und Gescheites darin, aber Gescheites, das nicht bloß schon oft gedacht,
sondern auch oft gesagt und gedruckt worden ist. Mit dem Namen Otto Kullich
denkt man sich immer etwas eigenartiges, das Gewöhnliche überragendes ver¬
bunden. In diesem Büchlein finden wir es nicht. Knille, der Maler, ist uns un¬
endlich wertvoller, ja notwendiger als der Schriftsteller Knille. Möchte er doch


Grübeleien eines Malers über seine Annst.

Protestant von Gebhardt." Darm liegt ein Widerspruch. E. von Gebhardt
weiß ebensowenig einen aus der Gegenwart „quilleudcn" künstlerischen Ausdruck
für das Göttliche zu finden wie die letzten noch unter uns schaffenden Corne-
liciner, von denen Knille übrigens nicht viel hält. Nicht bloß in der Formen-
gebung, sondern auch in der Innigkeit der Empfindung, in der Darstellung
naiver Gläubigkeit lehnt sich der Düsseldorfer Meister an die alten Deutschen
oder richtiger an die alten Niederländer an. Wenn es wirklich einen Maler
religiöser Bilder giebt, der ohne Anschluß an die Überlieferung, ohne irgend
eine Spur vou Konvention aus der Gegenwart schöpft, so kann es nur Fritz
von Abbe sein. Ihn und seine Geistesverwandten scheint Knille auch am Schlüsse
seines Buches, Wo er eine trostlose Aussicht auf die „Zukunftsmaler" eröffnet,
im Sinne zu haben.

Man hat den Kunsthistorikern und Kunstkritikern von Künstlerseite oft
genug vorgeworfen, daß sie nicht zur richtigen und gerechten Aburteilung eines
Kunstwerkes berufen seien, weil ihnen das Verständnis für das Technische ab¬
gebe. Dieser Vorwurf ist insofern unberechtigt, als auch durch lange Schulung
des Auges ein Einblick in die technische Methode, ohne Besitz der Handfertigkeit,
erreicht werden kann. Aber nehmen wir einmal an, der Vorwurf wäre be¬
gründet. Dann würde es umsomehr die Aufgabe der Künstler, die über Kunst
schreiben wollen, sein, die Kunsthistoriker und die andern armen Laien über das
Technische der Malerei, der Plastik u. s. w. aufzuklären. Das wäre ein wirk¬
liches schriftstellerisches Verdienst, das sich aber in Deutschland noch kein
Künstler erworben hat. Statt dessen bekommen wir ästhetische Betrachtungen
zu lesen, wie sie jeder philosophisch gebildete, schriftgewandte Laie anstellen kann,
und einen Auszug aus der Kunstgeschichte, der seinem Verfasser das Zeugnis
ausstellt, daß er sehr wohl eine Professur der Kunstgeschichte und Ästhetik an
einer Kunstakademie bekleiden könnte.

Was wäre damit aber gewonnen? Wir hätten einen der Professoren,
von denen zwölf aufs Dutzend gehen, mehr, und einen tüchtigen Künstler
weniger, und das wäre in unsrer Zeit, wo es unter den Künstlern der Idealisten
so wenige giebt, ein schwerer Verlust. Professor Knille wird unsre Auseinander¬
setzungen hoffentlich nicht mißverstehen. Wir haben so oft mit freudiger An¬
erkennung von seinen phantasievollen Schöpfungen gesprochen, daß es uns er¬
laubt sein wird, ebenso offen zu sein, wenn wir ihm ans einer Bahn begegnen,
auf welcher ihn die schöpferische Phantasie verlassen hat. Die „Grübeleien eines
Malers über seine Kunst" versprechen mehr, als sie halten. Es ist viel Rich¬
tiges und Gescheites darin, aber Gescheites, das nicht bloß schon oft gedacht,
sondern auch oft gesagt und gedruckt worden ist. Mit dem Namen Otto Kullich
denkt man sich immer etwas eigenartiges, das Gewöhnliche überragendes ver¬
bunden. In diesem Büchlein finden wir es nicht. Knille, der Maler, ist uns un¬
endlich wertvoller, ja notwendiger als der Schriftsteller Knille. Möchte er doch


Grübeleien eines Malers über seine Annst.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/50>, abgerufen am 14.05.2024.