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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Die akademische Kunstausstellung in Berlin.

dem Künstler zu Hilfe kommen müssen, da mit der ^Q-xlsin-air-Malerei im
Freien nichts anzufangen ist.

Sie hat auch ihre Grenzen beim Malen nach dem lebenden Modell. Im
Sommer und im südlichen Klima wird sich die Malmethodc, so lange es sich
um bekleidete Figuren und um Tiere handelt, zur Not durchführen lassen.
Aber das nackte Modell wird nur in seltenen Fällen im Freien so lange aus¬
halten können, wie es zur Ausführung eines Bildes nötig ist. Wenn der fran¬
zösische Maler Carolus-Duran diesem Mangel des Prinzips dadurch hat abhelfen
wollen, daß er in seinem Garten ein Glashaus bauen ließ, welches bei Bedarf
erwärmt werden konnte, so hat er damit schon einen der Vorteile der Nu-xlkw-
M-Malerei aufgegeben, da die Glasscheiben Reflexe auf die Körper werfen.
Diese Art der Malerei kaun also nimmermehr zu einem allgemeingültigen Grund¬
satze erhoben werden; auch ihre Erfolge hängen von allerlei Zufälligkeiten ab;
auch sie giebt noch keineswegs die Antwort auf die Frage: "Was ist Wahr¬
heit?" Neue Hilfsmittel zur Lösung derselben wird sie unzweifelhaft beibringen,
wenn sie auch jetzt noch unsicher umhertastet und sich zu bedenklichen Über¬
treibungen hinreißen läßt. Daß unsre Maler angeleitet werden, mit eignen
Augen zu sehen und nicht durch die Brille der alten Meister, ist zunächst schon
ein großer Gewinn, und wenn unsre Künstler einmal diesen Weg betreten, thun
sie es am sichersten, wenn sie die Eindrücke ihrer Umgebung festzuhalten suchen.
Das "Morgenlied," eine Szene aus einer Dorfschule, von Adolf Schlabitz, die
"Erste Kommunion" und eine Dame, welche in einem Parke spazieren geht, von
Max Fleischer, der "Schluß der Saison," Kurgäste auf der herbstlichen Prome¬
nade, von Friedrich Stahl sind solche Versuche junger Künstler, denen man nach¬
rühmen muß, daß sie sich von Geschmacklosigkeiten und Ausschreitungen fern¬
gehalten haben.

Der hervorragendste Vertreter dieser Richtung, Fritz von Abbe, ringt auf
seinem neuesten Bilde, einer Illustration zu den Worten der Bergpredigt "Selig
sind, die da geistlich arm sind; denn das Himmelreich ist ihr!" wieder mit dem
Stoffe. Die Figuren auf seinen bisher gemalten Bildern, dem Christus mit
den Kindern und den Jüngern von Emmaus, dem Heiland, welcher zur Mittags¬
mahlzeit in die Stube des Handwerkers tritt, und dem Abendmahle, bewegten
sich in geschlossenen Räumen. Auf den letzten Bildern war es ihm gelungen,
diese Figuren so von Licht und Luft umflossen hinzustellen, daß wir die voll¬
kommene Lösung eines schwierigen Problems mit Freuden begrüßen konnten.
Der rastlos vorwärts strebende Künstler hat geglaubt, auf den errungenen
Lorbern nicht ruhen zu dürfen. Jetzt will er das Gleiche mit Figuren in
freier Luft zu stände bringen, und wenn der erste Versuch mit diesem Bilde,
dessen Motiv der Bergpredigt entstammt, auch noch weitab vom Ziele liegt, so
müssen wir uns erinnern, daß auch jene Jnnenbilder eine Reihe fortschreitender
Entwicklung darstellen. Fritz von Abbe ist auch auf seinem neuesten Gemälde


Die akademische Kunstausstellung in Berlin.

dem Künstler zu Hilfe kommen müssen, da mit der ^Q-xlsin-air-Malerei im
Freien nichts anzufangen ist.

Sie hat auch ihre Grenzen beim Malen nach dem lebenden Modell. Im
Sommer und im südlichen Klima wird sich die Malmethodc, so lange es sich
um bekleidete Figuren und um Tiere handelt, zur Not durchführen lassen.
Aber das nackte Modell wird nur in seltenen Fällen im Freien so lange aus¬
halten können, wie es zur Ausführung eines Bildes nötig ist. Wenn der fran¬
zösische Maler Carolus-Duran diesem Mangel des Prinzips dadurch hat abhelfen
wollen, daß er in seinem Garten ein Glashaus bauen ließ, welches bei Bedarf
erwärmt werden konnte, so hat er damit schon einen der Vorteile der Nu-xlkw-
M-Malerei aufgegeben, da die Glasscheiben Reflexe auf die Körper werfen.
Diese Art der Malerei kaun also nimmermehr zu einem allgemeingültigen Grund¬
satze erhoben werden; auch ihre Erfolge hängen von allerlei Zufälligkeiten ab;
auch sie giebt noch keineswegs die Antwort auf die Frage: „Was ist Wahr¬
heit?" Neue Hilfsmittel zur Lösung derselben wird sie unzweifelhaft beibringen,
wenn sie auch jetzt noch unsicher umhertastet und sich zu bedenklichen Über¬
treibungen hinreißen läßt. Daß unsre Maler angeleitet werden, mit eignen
Augen zu sehen und nicht durch die Brille der alten Meister, ist zunächst schon
ein großer Gewinn, und wenn unsre Künstler einmal diesen Weg betreten, thun
sie es am sichersten, wenn sie die Eindrücke ihrer Umgebung festzuhalten suchen.
Das „Morgenlied," eine Szene aus einer Dorfschule, von Adolf Schlabitz, die
„Erste Kommunion" und eine Dame, welche in einem Parke spazieren geht, von
Max Fleischer, der „Schluß der Saison," Kurgäste auf der herbstlichen Prome¬
nade, von Friedrich Stahl sind solche Versuche junger Künstler, denen man nach¬
rühmen muß, daß sie sich von Geschmacklosigkeiten und Ausschreitungen fern¬
gehalten haben.

Der hervorragendste Vertreter dieser Richtung, Fritz von Abbe, ringt auf
seinem neuesten Bilde, einer Illustration zu den Worten der Bergpredigt „Selig
sind, die da geistlich arm sind; denn das Himmelreich ist ihr!" wieder mit dem
Stoffe. Die Figuren auf seinen bisher gemalten Bildern, dem Christus mit
den Kindern und den Jüngern von Emmaus, dem Heiland, welcher zur Mittags¬
mahlzeit in die Stube des Handwerkers tritt, und dem Abendmahle, bewegten
sich in geschlossenen Räumen. Auf den letzten Bildern war es ihm gelungen,
diese Figuren so von Licht und Luft umflossen hinzustellen, daß wir die voll¬
kommene Lösung eines schwierigen Problems mit Freuden begrüßen konnten.
Der rastlos vorwärts strebende Künstler hat geglaubt, auf den errungenen
Lorbern nicht ruhen zu dürfen. Jetzt will er das Gleiche mit Figuren in
freier Luft zu stände bringen, und wenn der erste Versuch mit diesem Bilde,
dessen Motiv der Bergpredigt entstammt, auch noch weitab vom Ziele liegt, so
müssen wir uns erinnern, daß auch jene Jnnenbilder eine Reihe fortschreitender
Entwicklung darstellen. Fritz von Abbe ist auch auf seinem neuesten Gemälde


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/594>, abgerufen am 05.06.2024.