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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Englische Feldherren.

war ein Mißgriff. Man durfte nicht im Nilthale vorgehen, sondern mußte
vom Roten Meere aus über Berber operiren. Der Weg von Suakin war
sechsmal kürzer als der Nilweg, und daß die natürlichen Schwierigkeiten des¬
selben, eine Wüste mit wenigen Brunnen, nicht unüberwindlich waren, hatte
Hicks Pascha bewiesen, der die Strecke zwischen der See und dem Nil bei
Berber in sechzehn Tagen zurückgelegt hatte. Allerdings mit nur 8000 Mann,
während Wolseley 12000 zu befördern und zu versorgen hatte; dafür standen
aber diesem, wenn er sich für diesen Weg entschied, weit größere Hilfsmittel zu
Gebote. Die verhältnismäßig nahe See gestattete im Verein alt einem Terrain,
welches die Anlegung einer Eisenbahn in fast gleichem Tempo mit dem Marsche
der Truppen erlaubte, schnelles Vordringen der Hauptmacht hinter der Vorhut,
und Osman Digma konnte dieser nicht mit genügenden Kräften den Marsch
versperren. Die Expedition wäre hier mit weniger Zeitverlust und geringeren
Kosten ans Ziel gelangt als nach Wolseleys Plan. Das war auch General
Stephensons und Gordons Meinung, welche beide die Verhältnisse gründlich
kannten. Diesem ersten großen Mißgriffe folgten bei der Ausführung des Feld¬
zuges eine Reihe andrer. Wolseley war, wenn seine 12 200 Mann möglichst
vereint marschirten, dem Mahdi, der nie mehr als 20 000 schlechtbewaffnete
Krieger beisammen hatte, reichlich gewachsen. Aber erstens blieb er, in Korti
angelangt, viele Wochen unthätig stehen und zweitens zersplitterte er seine
Kräfte in vier Teile, indem er ein Viertel derselben nach Nordosten schickte,
während das letzte Ziel seines Unternehmens südöstlich lag, 6000 Mann in
Korti zwecklos bei sich behielt und nur 1400 gegen Chartum dirigirte; die
übrigen befanden sich noch im Anmärsche. Der Zug der 1400 unter Oberst
Stewart, der durch die Bajudawüste ging, war die einzige verständige Ma߬
regel, nur wurde sie um vierzehn Tage zu spät angeordnet. Geschah dies
umso viel eher, also am 16. Dezember, so konnte Wolseley mit allen andern
Truppen, 9000 Mann, am 24. nachfolgen und am 31. in Metammeh sein, von
wo er nur noch dreiundzwanzig Meilen nach Chartum hatte, und von wo
Gordvusche Dampfer seine Leute nach und nach bis vor diese Stadt schaffen
konnten. Dies lies sich in spätestens fünf Tagen bewerkstelligen, und so konnten
am 6. Januar 9000 Engländer und 1000 ägyptische Negersoldaten sich mit den
3000 Mann vereinigen, die Gordon in Chartum hatte. Ein Sieg über den
dort stehenden Mahdi war fast nicht zu bezweifeln. Wolseleys Unentschlossen-
heit verzögerte dies aber, und so fiel Chartum am 26. in die Hände der Araber,
und Gordon fand dabei seinen Tod. Selbst wenn Wolseley nur einige Tage
eher vor der Stadt erschienen wären, hätte sich das Verhängnis noch abwenden
lassen. In Betreff der Fehler Stewards bei Abu Klea, Wilsons bei Metammeh
und Gradaus bei El Teb wolle man die oben angeführte Schrift selbst nach¬
lesen. Hier nur noch ein Wort über die Generosität, mit welcher das Vater¬
land die kläglichen Leistungen dieser Feldherren belohnen zu müssen glaubte.


Englische Feldherren.

war ein Mißgriff. Man durfte nicht im Nilthale vorgehen, sondern mußte
vom Roten Meere aus über Berber operiren. Der Weg von Suakin war
sechsmal kürzer als der Nilweg, und daß die natürlichen Schwierigkeiten des¬
selben, eine Wüste mit wenigen Brunnen, nicht unüberwindlich waren, hatte
Hicks Pascha bewiesen, der die Strecke zwischen der See und dem Nil bei
Berber in sechzehn Tagen zurückgelegt hatte. Allerdings mit nur 8000 Mann,
während Wolseley 12000 zu befördern und zu versorgen hatte; dafür standen
aber diesem, wenn er sich für diesen Weg entschied, weit größere Hilfsmittel zu
Gebote. Die verhältnismäßig nahe See gestattete im Verein alt einem Terrain,
welches die Anlegung einer Eisenbahn in fast gleichem Tempo mit dem Marsche
der Truppen erlaubte, schnelles Vordringen der Hauptmacht hinter der Vorhut,
und Osman Digma konnte dieser nicht mit genügenden Kräften den Marsch
versperren. Die Expedition wäre hier mit weniger Zeitverlust und geringeren
Kosten ans Ziel gelangt als nach Wolseleys Plan. Das war auch General
Stephensons und Gordons Meinung, welche beide die Verhältnisse gründlich
kannten. Diesem ersten großen Mißgriffe folgten bei der Ausführung des Feld¬
zuges eine Reihe andrer. Wolseley war, wenn seine 12 200 Mann möglichst
vereint marschirten, dem Mahdi, der nie mehr als 20 000 schlechtbewaffnete
Krieger beisammen hatte, reichlich gewachsen. Aber erstens blieb er, in Korti
angelangt, viele Wochen unthätig stehen und zweitens zersplitterte er seine
Kräfte in vier Teile, indem er ein Viertel derselben nach Nordosten schickte,
während das letzte Ziel seines Unternehmens südöstlich lag, 6000 Mann in
Korti zwecklos bei sich behielt und nur 1400 gegen Chartum dirigirte; die
übrigen befanden sich noch im Anmärsche. Der Zug der 1400 unter Oberst
Stewart, der durch die Bajudawüste ging, war die einzige verständige Ma߬
regel, nur wurde sie um vierzehn Tage zu spät angeordnet. Geschah dies
umso viel eher, also am 16. Dezember, so konnte Wolseley mit allen andern
Truppen, 9000 Mann, am 24. nachfolgen und am 31. in Metammeh sein, von
wo er nur noch dreiundzwanzig Meilen nach Chartum hatte, und von wo
Gordvusche Dampfer seine Leute nach und nach bis vor diese Stadt schaffen
konnten. Dies lies sich in spätestens fünf Tagen bewerkstelligen, und so konnten
am 6. Januar 9000 Engländer und 1000 ägyptische Negersoldaten sich mit den
3000 Mann vereinigen, die Gordon in Chartum hatte. Ein Sieg über den
dort stehenden Mahdi war fast nicht zu bezweifeln. Wolseleys Unentschlossen-
heit verzögerte dies aber, und so fiel Chartum am 26. in die Hände der Araber,
und Gordon fand dabei seinen Tod. Selbst wenn Wolseley nur einige Tage
eher vor der Stadt erschienen wären, hätte sich das Verhängnis noch abwenden
lassen. In Betreff der Fehler Stewards bei Abu Klea, Wilsons bei Metammeh
und Gradaus bei El Teb wolle man die oben angeführte Schrift selbst nach¬
lesen. Hier nur noch ein Wort über die Generosität, mit welcher das Vater¬
land die kläglichen Leistungen dieser Feldherren belohnen zu müssen glaubte.


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[0606] Englische Feldherren. war ein Mißgriff. Man durfte nicht im Nilthale vorgehen, sondern mußte vom Roten Meere aus über Berber operiren. Der Weg von Suakin war sechsmal kürzer als der Nilweg, und daß die natürlichen Schwierigkeiten des¬ selben, eine Wüste mit wenigen Brunnen, nicht unüberwindlich waren, hatte Hicks Pascha bewiesen, der die Strecke zwischen der See und dem Nil bei Berber in sechzehn Tagen zurückgelegt hatte. Allerdings mit nur 8000 Mann, während Wolseley 12000 zu befördern und zu versorgen hatte; dafür standen aber diesem, wenn er sich für diesen Weg entschied, weit größere Hilfsmittel zu Gebote. Die verhältnismäßig nahe See gestattete im Verein alt einem Terrain, welches die Anlegung einer Eisenbahn in fast gleichem Tempo mit dem Marsche der Truppen erlaubte, schnelles Vordringen der Hauptmacht hinter der Vorhut, und Osman Digma konnte dieser nicht mit genügenden Kräften den Marsch versperren. Die Expedition wäre hier mit weniger Zeitverlust und geringeren Kosten ans Ziel gelangt als nach Wolseleys Plan. Das war auch General Stephensons und Gordons Meinung, welche beide die Verhältnisse gründlich kannten. Diesem ersten großen Mißgriffe folgten bei der Ausführung des Feld¬ zuges eine Reihe andrer. Wolseley war, wenn seine 12 200 Mann möglichst vereint marschirten, dem Mahdi, der nie mehr als 20 000 schlechtbewaffnete Krieger beisammen hatte, reichlich gewachsen. Aber erstens blieb er, in Korti angelangt, viele Wochen unthätig stehen und zweitens zersplitterte er seine Kräfte in vier Teile, indem er ein Viertel derselben nach Nordosten schickte, während das letzte Ziel seines Unternehmens südöstlich lag, 6000 Mann in Korti zwecklos bei sich behielt und nur 1400 gegen Chartum dirigirte; die übrigen befanden sich noch im Anmärsche. Der Zug der 1400 unter Oberst Stewart, der durch die Bajudawüste ging, war die einzige verständige Ma߬ regel, nur wurde sie um vierzehn Tage zu spät angeordnet. Geschah dies umso viel eher, also am 16. Dezember, so konnte Wolseley mit allen andern Truppen, 9000 Mann, am 24. nachfolgen und am 31. in Metammeh sein, von wo er nur noch dreiundzwanzig Meilen nach Chartum hatte, und von wo Gordvusche Dampfer seine Leute nach und nach bis vor diese Stadt schaffen konnten. Dies lies sich in spätestens fünf Tagen bewerkstelligen, und so konnten am 6. Januar 9000 Engländer und 1000 ägyptische Negersoldaten sich mit den 3000 Mann vereinigen, die Gordon in Chartum hatte. Ein Sieg über den dort stehenden Mahdi war fast nicht zu bezweifeln. Wolseleys Unentschlossen- heit verzögerte dies aber, und so fiel Chartum am 26. in die Hände der Araber, und Gordon fand dabei seinen Tod. Selbst wenn Wolseley nur einige Tage eher vor der Stadt erschienen wären, hätte sich das Verhängnis noch abwenden lassen. In Betreff der Fehler Stewards bei Abu Klea, Wilsons bei Metammeh und Gradaus bei El Teb wolle man die oben angeführte Schrift selbst nach¬ lesen. Hier nur noch ein Wort über die Generosität, mit welcher das Vater¬ land die kläglichen Leistungen dieser Feldherren belohnen zu müssen glaubte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/606>, abgerufen am 15.05.2024.