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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Der Kampf des Zentrums gegen die Staatsschule.

gründen und zu leiten steht jedem frei, wenn er seine sittliche, wissenschaftliche
und technische Befähigung den betreffenden Staatsbehörden nachgewiesen hat.
Art. 23: Alle öffentlichen und Privatunterrichts- und Erziehungsanstalten stehen
unter der Aufsicht vom Staate ernannter Behörden. Die öffentlichen Lehrer
haben die Rechte und Pflichten der Staatsdiener. Art. 112: Bis zum Erlaß
des im Art. 26 vorgesehenen Gesetzes bewertet es hinsichtlich des Schul- und
Unterrichtswesens bei den jetzt geltenden gesetzlichen Bestimmungen.

Da durch diese letztere Bestimmung und das Ausbleiben des verheißenen
Unterrichtsgesetzes wieder ein gewisses Schwanken über die Schulaufsicht ein¬
getreten war, wurde durch Gesetz vom 11. März 1872 verfügt: 1. Unter Auf¬
hebung aller in einzelnen Landesteilen entgegenstehenden Bestimmungen steht die
Aufsicht über alle öffentlichen und Privatunterrichts- und Erziehungsanstalten
dem Staate zu. 2. Demgemäß handeln alle mit dieser Aufsicht betrauten Be¬
hörden und Beamten im Auftrage des Staates. 3. Unberührt durch dieses
Gesetz bleibt die den Gemeinden und deren Organen zustehende Teilnahme an
der Schulaufsicht.

Die wenigen gesetzlichen Bestimmungen über höhere Schulen siud in dem
Allgemeinen preußischen Landrechte den obigen ähnlich gehalten.

Die Verwaltung des preußischen Schulwesens von der Zcntralinstanz im
Ministerium bis zu den Kreis- und Lokalschulinspektoren hat sich auf Grund
der gesetzlichen Bestimmungen entwickelt. Natürlich ist dabei die Absicht des
jedesmaligen Ministers von Wichtigkeit, aber die Verschiedenheiten der Ver¬
waltung sind geringer geblieben, als man vermuten könnte. Das entspricht
unsrer monarchischen Verfassung und der überall vorangestellten sachlichen und
würdigen Behandlung so wichtiger Angelegenheiten, die sich zum Experimentiren
am wenigsten eignen.

Man muß die Nachweise dieser Verwaltung im preußischen Schulwesen in
Sammlungen für das niedere und höhere Schulgebiet verfolgen, wie wir sie
von Rönne, Wiese-Kühler, Schneider:c. besitzen.

Aus allem geht hervor, daß im Grunde die Schule vom Staate regiert
und verwaltet wird, daß aber in Wirklichkeit der Staat dabei eine weitgehende
Rücksicht auf die bürgerliche Gemeinde, die Kirche, die Patrone nimmt, und die
Mitwirkung der Kirche zum Besten der Erziehung in Bezug auf die Bildung
der Lehrer, Aufsicht über den Religionsunterricht und die Schule überhaupt in
ausgedehnter Weise in Anspruch nimmt. Dadurch hat die Kirche entsprechenden
Einfluß.

Die Volksschule ist bei uns in der Regel als konfessionelle Schule einge¬
richtet, nur ausnahmsweise simultan, nämlich da, wo aus Mangel an Mitteln
die konfessionelle Teilung ein ungenügendes Schulwesen ergeben würde. Diese
Einrichtung konfessioneller Schulen galt eine Zeit laug als den alten preußischen
Bestimmungen widersprechend. Selbst bedeutende Männer hatten sich der


Der Kampf des Zentrums gegen die Staatsschule.

gründen und zu leiten steht jedem frei, wenn er seine sittliche, wissenschaftliche
und technische Befähigung den betreffenden Staatsbehörden nachgewiesen hat.
Art. 23: Alle öffentlichen und Privatunterrichts- und Erziehungsanstalten stehen
unter der Aufsicht vom Staate ernannter Behörden. Die öffentlichen Lehrer
haben die Rechte und Pflichten der Staatsdiener. Art. 112: Bis zum Erlaß
des im Art. 26 vorgesehenen Gesetzes bewertet es hinsichtlich des Schul- und
Unterrichtswesens bei den jetzt geltenden gesetzlichen Bestimmungen.

Da durch diese letztere Bestimmung und das Ausbleiben des verheißenen
Unterrichtsgesetzes wieder ein gewisses Schwanken über die Schulaufsicht ein¬
getreten war, wurde durch Gesetz vom 11. März 1872 verfügt: 1. Unter Auf¬
hebung aller in einzelnen Landesteilen entgegenstehenden Bestimmungen steht die
Aufsicht über alle öffentlichen und Privatunterrichts- und Erziehungsanstalten
dem Staate zu. 2. Demgemäß handeln alle mit dieser Aufsicht betrauten Be¬
hörden und Beamten im Auftrage des Staates. 3. Unberührt durch dieses
Gesetz bleibt die den Gemeinden und deren Organen zustehende Teilnahme an
der Schulaufsicht.

Die wenigen gesetzlichen Bestimmungen über höhere Schulen siud in dem
Allgemeinen preußischen Landrechte den obigen ähnlich gehalten.

Die Verwaltung des preußischen Schulwesens von der Zcntralinstanz im
Ministerium bis zu den Kreis- und Lokalschulinspektoren hat sich auf Grund
der gesetzlichen Bestimmungen entwickelt. Natürlich ist dabei die Absicht des
jedesmaligen Ministers von Wichtigkeit, aber die Verschiedenheiten der Ver¬
waltung sind geringer geblieben, als man vermuten könnte. Das entspricht
unsrer monarchischen Verfassung und der überall vorangestellten sachlichen und
würdigen Behandlung so wichtiger Angelegenheiten, die sich zum Experimentiren
am wenigsten eignen.

Man muß die Nachweise dieser Verwaltung im preußischen Schulwesen in
Sammlungen für das niedere und höhere Schulgebiet verfolgen, wie wir sie
von Rönne, Wiese-Kühler, Schneider:c. besitzen.

Aus allem geht hervor, daß im Grunde die Schule vom Staate regiert
und verwaltet wird, daß aber in Wirklichkeit der Staat dabei eine weitgehende
Rücksicht auf die bürgerliche Gemeinde, die Kirche, die Patrone nimmt, und die
Mitwirkung der Kirche zum Besten der Erziehung in Bezug auf die Bildung
der Lehrer, Aufsicht über den Religionsunterricht und die Schule überhaupt in
ausgedehnter Weise in Anspruch nimmt. Dadurch hat die Kirche entsprechenden
Einfluß.

Die Volksschule ist bei uns in der Regel als konfessionelle Schule einge¬
richtet, nur ausnahmsweise simultan, nämlich da, wo aus Mangel an Mitteln
die konfessionelle Teilung ein ungenügendes Schulwesen ergeben würde. Diese
Einrichtung konfessioneller Schulen galt eine Zeit laug als den alten preußischen
Bestimmungen widersprechend. Selbst bedeutende Männer hatten sich der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/616>, abgerufen am 29.05.2024.