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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Hiddensee.

Rügen zum längeren Aufenthalt erkoren hat, läßt sich an dem östlichen Rande
der Insel nieder, wo herrliche Waldungen die weithin leuchtenden Kreidefelsen
bedecken, oder die Uferdünen den weichen, sandigen Badestrand gewähren; aber
auch wer nach Touristenwcise im Fluge die Insel durchstreift, verabsäumt in
der Regel jene westliche, abseits gelegene Ecke zu berühren, die freilich dem
lieblichen Uferrande der Stubbnitz und der Granitz nicht zu vergleichen ist und
auch an Arkonas Größe nicht heranreicht. Zudem ist der Zugang zu dem
Eilande ein wenig unbequem und zeitraubend, und der kleine Gasthof, der einzige
der Insel, gewährt zur Zeit nur wenigen Fremden ein Unterkommen. So be¬
gnügt sich denn der Durchschnittstourist, von dem Dampfschiffe aus, welches
von Stralsund in eiliger Fahrt den Reisenden in den Jasmnnder Bodden hinein
bis an die Schwelle der Stubbnitz trägt, mit seinem Glase zunächst die niedrigen
Fischerhäuser, die allmählich aus dem Meere aufzutauchen scheinen, dann den
zu ansehnlicher Höhe sich erhebenden nördlichen Uferrand der Insel zu besichtigen,
unter dessen Schutze in anmutiger Lage das Pfarrdorf Kloster gelegen ist, so
genannt von der Gründung der Cisterzienser, die sich im Jahre 1297 an wohl¬
gewählter Stelle hier niederließen. Immerhin aber ist es der Mühe und der
Zeit wert, auch diesem westlichen Vorlande, welches wie ein Außenwerk den
Felsenburgeu des festländischen Rügens vorgelagert ist, einen Besuch abzustatten.
Eine herrliche Aussicht lohnt den Wanderer, der auf bequemem Wege den
Dornbusch -- so nennt man wohl das nördliche, hügelige Felsenplateau -- er¬
stiegen und etwa am Nordrande auf dem beherrschenden Hügel, dem Platze
des demnächst zu erbauenden Leuchtturmes, seinen Standpunkt genommen hat.
Im Norden, so weit das Auge reicht, das offene Meer, links im Westen die
leuchtenden Kreidefelsen der dänischen Insel Mön; östlich beinahe die ganze
Tnsel Rügen, zunächst die Halbinsel Wittow mit ihren tiefen Buchten und Ar-
kona, daun langgedehnt und hochragend die Stubbnitz, weiter zurück, beinahe
in der Ferne verschwimmend, das Jagdschloß des Fürsten zu Putbus in der
Granitz, mehr im Vordergrunde die Marienkirche zu Bergen und unweit davon
der Rugard mit dem Arndtdenkmal; im Süden aber die ganze langgestreckte,
ausgezackte und baumlose Fläche der Jusel selbst mit ihren Dörfern Bitte und
Plogshagen, sodann in weiter Ferne die Kirchtürme von Stralsund und im
Südosten der Turm der Marienkirche zu Barth. Die Felsen aber, auf denen
man steht, erzählen mit ihren erratischen Blöcken und ihrem Feuersteiugeröll
ewe lange Geschichte, während die Flora des Uferstrnndes und des darüber sich
^'hebenden hügeligen Haidelandes, das übrigens durch unlängst angelegte
^annenschomingen sich zu beleben beginnt, nicht nur dem Auge erfreulich ist,
pudern auch dem Botaniker seltene Schätze spendet. Endlich findet auch der
Freund urwüchsiger und origineller Menschennatur seiue Rechnung. Allein
"ber das alles hat neuerdings Johannes Trojan gehandelt einem "Hiddensoe"
^Welten Aufsatze der "Kleinen Bilder" (Berlin 1887, zuerst in der National-


Hiddensee.

Rügen zum längeren Aufenthalt erkoren hat, läßt sich an dem östlichen Rande
der Insel nieder, wo herrliche Waldungen die weithin leuchtenden Kreidefelsen
bedecken, oder die Uferdünen den weichen, sandigen Badestrand gewähren; aber
auch wer nach Touristenwcise im Fluge die Insel durchstreift, verabsäumt in
der Regel jene westliche, abseits gelegene Ecke zu berühren, die freilich dem
lieblichen Uferrande der Stubbnitz und der Granitz nicht zu vergleichen ist und
auch an Arkonas Größe nicht heranreicht. Zudem ist der Zugang zu dem
Eilande ein wenig unbequem und zeitraubend, und der kleine Gasthof, der einzige
der Insel, gewährt zur Zeit nur wenigen Fremden ein Unterkommen. So be¬
gnügt sich denn der Durchschnittstourist, von dem Dampfschiffe aus, welches
von Stralsund in eiliger Fahrt den Reisenden in den Jasmnnder Bodden hinein
bis an die Schwelle der Stubbnitz trägt, mit seinem Glase zunächst die niedrigen
Fischerhäuser, die allmählich aus dem Meere aufzutauchen scheinen, dann den
zu ansehnlicher Höhe sich erhebenden nördlichen Uferrand der Insel zu besichtigen,
unter dessen Schutze in anmutiger Lage das Pfarrdorf Kloster gelegen ist, so
genannt von der Gründung der Cisterzienser, die sich im Jahre 1297 an wohl¬
gewählter Stelle hier niederließen. Immerhin aber ist es der Mühe und der
Zeit wert, auch diesem westlichen Vorlande, welches wie ein Außenwerk den
Felsenburgeu des festländischen Rügens vorgelagert ist, einen Besuch abzustatten.
Eine herrliche Aussicht lohnt den Wanderer, der auf bequemem Wege den
Dornbusch — so nennt man wohl das nördliche, hügelige Felsenplateau — er¬
stiegen und etwa am Nordrande auf dem beherrschenden Hügel, dem Platze
des demnächst zu erbauenden Leuchtturmes, seinen Standpunkt genommen hat.
Im Norden, so weit das Auge reicht, das offene Meer, links im Westen die
leuchtenden Kreidefelsen der dänischen Insel Mön; östlich beinahe die ganze
Tnsel Rügen, zunächst die Halbinsel Wittow mit ihren tiefen Buchten und Ar-
kona, daun langgedehnt und hochragend die Stubbnitz, weiter zurück, beinahe
in der Ferne verschwimmend, das Jagdschloß des Fürsten zu Putbus in der
Granitz, mehr im Vordergrunde die Marienkirche zu Bergen und unweit davon
der Rugard mit dem Arndtdenkmal; im Süden aber die ganze langgestreckte,
ausgezackte und baumlose Fläche der Jusel selbst mit ihren Dörfern Bitte und
Plogshagen, sodann in weiter Ferne die Kirchtürme von Stralsund und im
Südosten der Turm der Marienkirche zu Barth. Die Felsen aber, auf denen
man steht, erzählen mit ihren erratischen Blöcken und ihrem Feuersteiugeröll
ewe lange Geschichte, während die Flora des Uferstrnndes und des darüber sich
^'hebenden hügeligen Haidelandes, das übrigens durch unlängst angelegte
^annenschomingen sich zu beleben beginnt, nicht nur dem Auge erfreulich ist,
pudern auch dem Botaniker seltene Schätze spendet. Endlich findet auch der
Freund urwüchsiger und origineller Menschennatur seiue Rechnung. Allein
"ber das alles hat neuerdings Johannes Trojan gehandelt einem „Hiddensoe"
^Welten Aufsatze der „Kleinen Bilder" (Berlin 1887, zuerst in der National-


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[0623] Hiddensee. Rügen zum längeren Aufenthalt erkoren hat, läßt sich an dem östlichen Rande der Insel nieder, wo herrliche Waldungen die weithin leuchtenden Kreidefelsen bedecken, oder die Uferdünen den weichen, sandigen Badestrand gewähren; aber auch wer nach Touristenwcise im Fluge die Insel durchstreift, verabsäumt in der Regel jene westliche, abseits gelegene Ecke zu berühren, die freilich dem lieblichen Uferrande der Stubbnitz und der Granitz nicht zu vergleichen ist und auch an Arkonas Größe nicht heranreicht. Zudem ist der Zugang zu dem Eilande ein wenig unbequem und zeitraubend, und der kleine Gasthof, der einzige der Insel, gewährt zur Zeit nur wenigen Fremden ein Unterkommen. So be¬ gnügt sich denn der Durchschnittstourist, von dem Dampfschiffe aus, welches von Stralsund in eiliger Fahrt den Reisenden in den Jasmnnder Bodden hinein bis an die Schwelle der Stubbnitz trägt, mit seinem Glase zunächst die niedrigen Fischerhäuser, die allmählich aus dem Meere aufzutauchen scheinen, dann den zu ansehnlicher Höhe sich erhebenden nördlichen Uferrand der Insel zu besichtigen, unter dessen Schutze in anmutiger Lage das Pfarrdorf Kloster gelegen ist, so genannt von der Gründung der Cisterzienser, die sich im Jahre 1297 an wohl¬ gewählter Stelle hier niederließen. Immerhin aber ist es der Mühe und der Zeit wert, auch diesem westlichen Vorlande, welches wie ein Außenwerk den Felsenburgeu des festländischen Rügens vorgelagert ist, einen Besuch abzustatten. Eine herrliche Aussicht lohnt den Wanderer, der auf bequemem Wege den Dornbusch — so nennt man wohl das nördliche, hügelige Felsenplateau — er¬ stiegen und etwa am Nordrande auf dem beherrschenden Hügel, dem Platze des demnächst zu erbauenden Leuchtturmes, seinen Standpunkt genommen hat. Im Norden, so weit das Auge reicht, das offene Meer, links im Westen die leuchtenden Kreidefelsen der dänischen Insel Mön; östlich beinahe die ganze Tnsel Rügen, zunächst die Halbinsel Wittow mit ihren tiefen Buchten und Ar- kona, daun langgedehnt und hochragend die Stubbnitz, weiter zurück, beinahe in der Ferne verschwimmend, das Jagdschloß des Fürsten zu Putbus in der Granitz, mehr im Vordergrunde die Marienkirche zu Bergen und unweit davon der Rugard mit dem Arndtdenkmal; im Süden aber die ganze langgestreckte, ausgezackte und baumlose Fläche der Jusel selbst mit ihren Dörfern Bitte und Plogshagen, sodann in weiter Ferne die Kirchtürme von Stralsund und im Südosten der Turm der Marienkirche zu Barth. Die Felsen aber, auf denen man steht, erzählen mit ihren erratischen Blöcken und ihrem Feuersteiugeröll ewe lange Geschichte, während die Flora des Uferstrnndes und des darüber sich ^'hebenden hügeligen Haidelandes, das übrigens durch unlängst angelegte ^annenschomingen sich zu beleben beginnt, nicht nur dem Auge erfreulich ist, pudern auch dem Botaniker seltene Schätze spendet. Endlich findet auch der Freund urwüchsiger und origineller Menschennatur seiue Rechnung. Allein "ber das alles hat neuerdings Johannes Trojan gehandelt einem „Hiddensoe" ^Welten Aufsatze der „Kleinen Bilder" (Berlin 1887, zuerst in der National-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/623>, abgerufen am 14.05.2024.