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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Literatur.

eine Entdeckung seiner Mutter jetzt Wohl nicht mehr möglich sein dürste, wird seine
Herkunft genau wohl nie mehr zu ermitteln sein. Er kam jedenfalls von der alt-
baierisch-österreichischen Grenze nach Nürnberg, uicht mit einem fertigen Plane, seine
ihm dort erst aufgenötigte Rolle zu spielen, sondern mit dem ernsthaften Vorsatz,
als Kavallerist beim Militär einzutreten. Er selbst hat, als entsprungener Land¬
streicher oder durchgebrauuter Bauernbursche, Stalljnnge oder sonst etwas, ber-
schiedncs zu verheimlichen gehabt und Nachfrage verhindern wollen. Und das ist
ihm durch das Zusammenspiel von Menschen und Umstünden so gut gelungen, daß
aus diesem Senfkorn der Riesenbnum der Hanserromnntik hervorgewachsen ist, die
jetzt durch A, von der Linde in seinem Werke, das von dem Standpunkte ausgeht, daß
"aufmerksam beobachten, wie es gemacht wurde," das einzige vorhandene Problem
z. Br. sei, gründlich abgethan wird.




Literatur.

Der Mensch. Von Dr. Johannes Ranke. 2 Bde. Leipzig, Bibliogr. Institut, 1887.

Ein mit einer Fülle prachtvoller Abbildungen und Tafeln ausgestattetes gro߬
artiges Werk, dessen erster Band Entwicklung, Bau und Leben des menschlichen
Körpers, dessen zweiter die heutigen und die vorgeschichtlichen Menschenrassen be¬
schreibt. Wir haben in Deutschland noch nicht so viel derartige glänzende Popn-
larisirungen in vornehmem Stil wie die Engländer. Aber gewiß ist es als ein
Fortschritt zu begrüßen, daß auch bei uns in solcher Weise das zum Gemeingut
der Gebildete" gemacht wird, was sonst nur die Fachgelehrten beherrschen; zumal
wenn es sich um das anziehendste Studium von allen handelt, den Menschen selbst.
Das Werk ist eine wahre Fundgrube der mannichfachsten Belehrung und durchaus
geeignet, sehr viel Unwissenheit und thörichtes Geschwätz zu beseitigen. Der Ver¬
fasser steht hoch und unparteiisch über den banalen Bestrebungen gewöhnlicher popu¬
lärer Effekthascher, denen es vor allein darauf ankommt, den Menschen für ganz
dasselbe wie Tier und Affen auszugeben; er thut deu merkwürdigen Ausspruch,
daß "die niedrigsten Wilden" bezüglich der Hauptproportioneu das Von den Affen
am weitesten abliegende Extrem der menschlichen Körperbildung darstellen. Dennoch
überrascht es ein wenig, daß er die menschenähnlichen Affen, als verstünde sich das
ganz von selbst, unter den vorgeschichtlichen Menschenrassen anführt, wenn auch
ihre Beschreibung sehr lehrreiche Vergleichspunkte darbietet.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig.
Literatur.

eine Entdeckung seiner Mutter jetzt Wohl nicht mehr möglich sein dürste, wird seine
Herkunft genau wohl nie mehr zu ermitteln sein. Er kam jedenfalls von der alt-
baierisch-österreichischen Grenze nach Nürnberg, uicht mit einem fertigen Plane, seine
ihm dort erst aufgenötigte Rolle zu spielen, sondern mit dem ernsthaften Vorsatz,
als Kavallerist beim Militär einzutreten. Er selbst hat, als entsprungener Land¬
streicher oder durchgebrauuter Bauernbursche, Stalljnnge oder sonst etwas, ber-
schiedncs zu verheimlichen gehabt und Nachfrage verhindern wollen. Und das ist
ihm durch das Zusammenspiel von Menschen und Umstünden so gut gelungen, daß
aus diesem Senfkorn der Riesenbnum der Hanserromnntik hervorgewachsen ist, die
jetzt durch A, von der Linde in seinem Werke, das von dem Standpunkte ausgeht, daß
„aufmerksam beobachten, wie es gemacht wurde," das einzige vorhandene Problem
z. Br. sei, gründlich abgethan wird.




Literatur.

Der Mensch. Von Dr. Johannes Ranke. 2 Bde. Leipzig, Bibliogr. Institut, 1887.

Ein mit einer Fülle prachtvoller Abbildungen und Tafeln ausgestattetes gro߬
artiges Werk, dessen erster Band Entwicklung, Bau und Leben des menschlichen
Körpers, dessen zweiter die heutigen und die vorgeschichtlichen Menschenrassen be¬
schreibt. Wir haben in Deutschland noch nicht so viel derartige glänzende Popn-
larisirungen in vornehmem Stil wie die Engländer. Aber gewiß ist es als ein
Fortschritt zu begrüßen, daß auch bei uns in solcher Weise das zum Gemeingut
der Gebildete» gemacht wird, was sonst nur die Fachgelehrten beherrschen; zumal
wenn es sich um das anziehendste Studium von allen handelt, den Menschen selbst.
Das Werk ist eine wahre Fundgrube der mannichfachsten Belehrung und durchaus
geeignet, sehr viel Unwissenheit und thörichtes Geschwätz zu beseitigen. Der Ver¬
fasser steht hoch und unparteiisch über den banalen Bestrebungen gewöhnlicher popu¬
lärer Effekthascher, denen es vor allein darauf ankommt, den Menschen für ganz
dasselbe wie Tier und Affen auszugeben; er thut deu merkwürdigen Ausspruch,
daß „die niedrigsten Wilden" bezüglich der Hauptproportioneu das Von den Affen
am weitesten abliegende Extrem der menschlichen Körperbildung darstellen. Dennoch
überrascht es ein wenig, daß er die menschenähnlichen Affen, als verstünde sich das
ganz von selbst, unter den vorgeschichtlichen Menschenrassen anführt, wenn auch
ihre Beschreibung sehr lehrreiche Vergleichspunkte darbietet.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig.
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[0064] Literatur. eine Entdeckung seiner Mutter jetzt Wohl nicht mehr möglich sein dürste, wird seine Herkunft genau wohl nie mehr zu ermitteln sein. Er kam jedenfalls von der alt- baierisch-österreichischen Grenze nach Nürnberg, uicht mit einem fertigen Plane, seine ihm dort erst aufgenötigte Rolle zu spielen, sondern mit dem ernsthaften Vorsatz, als Kavallerist beim Militär einzutreten. Er selbst hat, als entsprungener Land¬ streicher oder durchgebrauuter Bauernbursche, Stalljnnge oder sonst etwas, ber- schiedncs zu verheimlichen gehabt und Nachfrage verhindern wollen. Und das ist ihm durch das Zusammenspiel von Menschen und Umstünden so gut gelungen, daß aus diesem Senfkorn der Riesenbnum der Hanserromnntik hervorgewachsen ist, die jetzt durch A, von der Linde in seinem Werke, das von dem Standpunkte ausgeht, daß „aufmerksam beobachten, wie es gemacht wurde," das einzige vorhandene Problem z. Br. sei, gründlich abgethan wird. Literatur. Der Mensch. Von Dr. Johannes Ranke. 2 Bde. Leipzig, Bibliogr. Institut, 1887. Ein mit einer Fülle prachtvoller Abbildungen und Tafeln ausgestattetes gro߬ artiges Werk, dessen erster Band Entwicklung, Bau und Leben des menschlichen Körpers, dessen zweiter die heutigen und die vorgeschichtlichen Menschenrassen be¬ schreibt. Wir haben in Deutschland noch nicht so viel derartige glänzende Popn- larisirungen in vornehmem Stil wie die Engländer. Aber gewiß ist es als ein Fortschritt zu begrüßen, daß auch bei uns in solcher Weise das zum Gemeingut der Gebildete» gemacht wird, was sonst nur die Fachgelehrten beherrschen; zumal wenn es sich um das anziehendste Studium von allen handelt, den Menschen selbst. Das Werk ist eine wahre Fundgrube der mannichfachsten Belehrung und durchaus geeignet, sehr viel Unwissenheit und thörichtes Geschwätz zu beseitigen. Der Ver¬ fasser steht hoch und unparteiisch über den banalen Bestrebungen gewöhnlicher popu¬ lärer Effekthascher, denen es vor allein darauf ankommt, den Menschen für ganz dasselbe wie Tier und Affen auszugeben; er thut deu merkwürdigen Ausspruch, daß „die niedrigsten Wilden" bezüglich der Hauptproportioneu das Von den Affen am weitesten abliegende Extrem der menschlichen Körperbildung darstellen. Dennoch überrascht es ein wenig, daß er die menschenähnlichen Affen, als verstünde sich das ganz von selbst, unter den vorgeschichtlichen Menschenrassen anführt, wenn auch ihre Beschreibung sehr lehrreiche Vergleichspunkte darbietet. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/64>, abgerufen am 15.05.2024.