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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Gin jnngdeutscher Phrasenheld.
71 Prozent.
k) Welt- und Menschenkenntnis.......... 1
Beschränkt sich auf wenige soziale Klassen und ist auch da
nicht einmal von einiger Vollständigkeit. Dem Sammeln
fernerer Kenntnisse auf diesem Gebiete steht die Schwierig¬
keit entgegen, daß eine große Voreingenommenheit vor¬
handen ist, die das objektive Sehen zunächst fast unmöglich
macht. Hier fehlt's am meisten. (Vergl. ".)
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8) Politische Bildung............. 1
Wie beim vorigen. Zur Voreingenommenheit tritt hier noch
eine große Unklarheit hinzu. (Vergl. a.)
K) Idealismus...............12
Jawohl! Aber er beschränkt sich auf die sogenannte "Frei¬
heit," ein Weib, das man freilich nur in nebelhaften Um¬
rissen erblickt und über dessen Körper und Geist man im
Unklaren bleibt, vielleicht, weil sie beides nicht hat. Mit
der Abwendung von diesem Phantom müßte Wohl die Wieder¬
geburt beginnen.
i) Realismus................ 5 "
Ist nur mäßig (vergl. t), trotz aller Bemühungen, ein Realist
von hundert Prozent zu sein. Ein eifriges Studium des
großen Realisten Goethe möchte vielleicht helfen.
K) Cynismus................10 "
Wird leider vielfach mit i verwechselt. Nuditäten in Pi¬
kanter Brühe sind noch kein realistisches Gericht.
Summa: 100 Prozent.

Ein Prognostikon ist nicht zu geben. Die vorhandene starke Gährung,
welche sehr viel "Dreck" an die Oberfläche treibt, kann bringen:

") einen klaren, guten, feurigen Wein,
/S) eine Flüssigkeit von 96 Prozent Alkoholgehalt,
7) eine ganz wertlose Flüssigkeit (nach vorzeitiger Verdampfung des
Gehalts).

Ein durchschnittliches Ergebnis hat wenig Wahrscheinlichkeit. Mir ist /S oder 7
das Wahrscheinlichere.


M. V.


Gin jnngdeutscher Phrasenheld.
71 Prozent.
k) Welt- und Menschenkenntnis.......... 1
Beschränkt sich auf wenige soziale Klassen und ist auch da
nicht einmal von einiger Vollständigkeit. Dem Sammeln
fernerer Kenntnisse auf diesem Gebiete steht die Schwierig¬
keit entgegen, daß eine große Voreingenommenheit vor¬
handen ist, die das objektive Sehen zunächst fast unmöglich
macht. Hier fehlt's am meisten. (Vergl. ».)
'
8) Politische Bildung............. 1
Wie beim vorigen. Zur Voreingenommenheit tritt hier noch
eine große Unklarheit hinzu. (Vergl. a.)
K) Idealismus...............12
Jawohl! Aber er beschränkt sich auf die sogenannte „Frei¬
heit," ein Weib, das man freilich nur in nebelhaften Um¬
rissen erblickt und über dessen Körper und Geist man im
Unklaren bleibt, vielleicht, weil sie beides nicht hat. Mit
der Abwendung von diesem Phantom müßte Wohl die Wieder¬
geburt beginnen.
i) Realismus................ 5 »
Ist nur mäßig (vergl. t), trotz aller Bemühungen, ein Realist
von hundert Prozent zu sein. Ein eifriges Studium des
großen Realisten Goethe möchte vielleicht helfen.
K) Cynismus................10 »
Wird leider vielfach mit i verwechselt. Nuditäten in Pi¬
kanter Brühe sind noch kein realistisches Gericht.
Summa: 100 Prozent.

Ein Prognostikon ist nicht zu geben. Die vorhandene starke Gährung,
welche sehr viel „Dreck" an die Oberfläche treibt, kann bringen:

«) einen klaren, guten, feurigen Wein,
/S) eine Flüssigkeit von 96 Prozent Alkoholgehalt,
7) eine ganz wertlose Flüssigkeit (nach vorzeitiger Verdampfung des
Gehalts).

Ein durchschnittliches Ergebnis hat wenig Wahrscheinlichkeit. Mir ist /S oder 7
das Wahrscheinlichere.


M. V.


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[0098] Gin jnngdeutscher Phrasenheld. 71 Prozent. k) Welt- und Menschenkenntnis.......... 1 Beschränkt sich auf wenige soziale Klassen und ist auch da nicht einmal von einiger Vollständigkeit. Dem Sammeln fernerer Kenntnisse auf diesem Gebiete steht die Schwierig¬ keit entgegen, daß eine große Voreingenommenheit vor¬ handen ist, die das objektive Sehen zunächst fast unmöglich macht. Hier fehlt's am meisten. (Vergl. ».) ' 8) Politische Bildung............. 1 Wie beim vorigen. Zur Voreingenommenheit tritt hier noch eine große Unklarheit hinzu. (Vergl. a.) K) Idealismus...............12 Jawohl! Aber er beschränkt sich auf die sogenannte „Frei¬ heit," ein Weib, das man freilich nur in nebelhaften Um¬ rissen erblickt und über dessen Körper und Geist man im Unklaren bleibt, vielleicht, weil sie beides nicht hat. Mit der Abwendung von diesem Phantom müßte Wohl die Wieder¬ geburt beginnen. i) Realismus................ 5 » Ist nur mäßig (vergl. t), trotz aller Bemühungen, ein Realist von hundert Prozent zu sein. Ein eifriges Studium des großen Realisten Goethe möchte vielleicht helfen. K) Cynismus................10 » Wird leider vielfach mit i verwechselt. Nuditäten in Pi¬ kanter Brühe sind noch kein realistisches Gericht. Summa: 100 Prozent. Ein Prognostikon ist nicht zu geben. Die vorhandene starke Gährung, welche sehr viel „Dreck" an die Oberfläche treibt, kann bringen: «) einen klaren, guten, feurigen Wein, /S) eine Flüssigkeit von 96 Prozent Alkoholgehalt, 7) eine ganz wertlose Flüssigkeit (nach vorzeitiger Verdampfung des Gehalts). Ein durchschnittliches Ergebnis hat wenig Wahrscheinlichkeit. Mir ist /S oder 7 das Wahrscheinlichere. M. V.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/98>, abgerufen am 15.05.2024.