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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Überproduktion.

möglichen zulässige" und verwerflichen Mittel der Reklame angewendet. Man
braucht sich gar nicht zu bemühen, einen Gegenstand zu erlangen, wenn man
zahlungsfähig ist; mau hat vielmehr Plage, die Masse der Anerbietungen ab¬
zuwehren.

In diesem Zustande der Dinge liegt aber eben die Überproduktion, und
zwar eine allgemeine Überproduktion. Es wird zu viel Korn, zu viel Zucker,
Spiritus, Eisen, Silber, Kohle produzirt. Es giebt kein Gebiet, auf dem nicht
mehr produzirt würde, als gekauft werde" kaun.

Der Grund liegt darin, das; die Produktiv" durch die Verbesserungen der
Technik, durch Erschließung neuer Reichtnmsqnellen so sehr vervollkommnet und
erweitert worden ist, daß nicht mehr zehn Menschen erforderlich sind, um zehn
Menschen zu ernähren, sondern daß dazu vielleicht schon fünf ausreichen. Wir
sagen: ernähren, und verstehen darunter die ganze Unterhaltung des Menschen
in der Weise, wie sie jetzt im Durchschnitt stattfindet. Wenn aber diese Be¬
hauptung richtig sein sollte, daß jetzt fünf Mensche" ausreiche", u"> alles das
zu erzeugen, was zehn Mensche" verbrauche", so leidet es ja gar keinen Zweifel,
daß zu viel produzirt wird, wenn trotzdem alle zehn Meiische" sich bei der Pro¬
duktion beteiligen. Und gerade dies ist der Zustand, in dein nur n"S befinden:
die Überproduktion, die über die vorhandue .Kaufkraft weil hinausgeht.

Malthus machte i" seine" Grniidsätzcu der Nationalökonomie darauf auf¬
merksam, daß es vo" der größte" Wichtigkeit sei, daß die.Konsumtion zur Pro¬
duktion in richtigem Verhältnis bleibe. Er behauptete, daß durchaus unpro¬
duktive Konsumenten vorhanden sein müßten, um das Weichgewicht zwischen
Produktion und Konsumtion nnfrccht zu erhalten. Ihm trat I. B. Sah mit
großer Lebhaftigkeit im Jahre 1820 entgegen und entivickelte, daß, wenn eine
bedauernswerte Stockung in dem Absatz vieler Waaren sich bemerkbar mache,
daS seinen Grund nur darin habe, daß von andern Waaren nicht genng erzeugt
würde. Wenn die italienischen Hufen mit englischen Waaren überfüllt seien,
so liege dies darin, daß die Italiener nicht genug Ol, Wein und Südfrüchte
erzeugten, um die englischen Waaren taufen zu können. Nur mit dem Produ-
zirten könne man das Prodnzirte kaufen, und fehle es an Absatz, so sei daran
Schuld, daß nicht genng produzirt werde, um das auf andrer Seite Prodnzirte
zu erwerben. Eine allgemeine Überproduktion sei nicht denkbar; erzeugten die
Landwirte die doppelte Menge Korn und die Gewerbetreibenden die doppelte
Menge Kleidungsstoffe, so könnten wohl die Preise auf die Hälfte herniiter-
gehen, aber nach wie vor könnte das .Korn mit den Stoffen, der Stoff mit
dem Korn gekauft werden. Sah sagt vorsichtigerweise: sie können gekauft
werde", aber nicht: sie werde" gekauft werden. Gerade hierin aber liegt das
wesentliche der Sache. Es läßt sich nicht bezweifeln, daß diejenigen, welche sich
im Besitz der großen, schwer verkäuflichen Masse" von Zucker befinden, mit
dieser Waare von denjenigen, welche einen Überfluß von Kohle oder Eisen be-


Überproduktion.

möglichen zulässige» und verwerflichen Mittel der Reklame angewendet. Man
braucht sich gar nicht zu bemühen, einen Gegenstand zu erlangen, wenn man
zahlungsfähig ist; mau hat vielmehr Plage, die Masse der Anerbietungen ab¬
zuwehren.

In diesem Zustande der Dinge liegt aber eben die Überproduktion, und
zwar eine allgemeine Überproduktion. Es wird zu viel Korn, zu viel Zucker,
Spiritus, Eisen, Silber, Kohle produzirt. Es giebt kein Gebiet, auf dem nicht
mehr produzirt würde, als gekauft werde« kaun.

Der Grund liegt darin, das; die Produktiv» durch die Verbesserungen der
Technik, durch Erschließung neuer Reichtnmsqnellen so sehr vervollkommnet und
erweitert worden ist, daß nicht mehr zehn Menschen erforderlich sind, um zehn
Menschen zu ernähren, sondern daß dazu vielleicht schon fünf ausreichen. Wir
sagen: ernähren, und verstehen darunter die ganze Unterhaltung des Menschen
in der Weise, wie sie jetzt im Durchschnitt stattfindet. Wenn aber diese Be¬
hauptung richtig sein sollte, daß jetzt fünf Mensche» ausreiche», u»> alles das
zu erzeugen, was zehn Mensche» verbrauche», so leidet es ja gar keinen Zweifel,
daß zu viel produzirt wird, wenn trotzdem alle zehn Meiische» sich bei der Pro¬
duktion beteiligen. Und gerade dies ist der Zustand, in dein nur n»S befinden:
die Überproduktion, die über die vorhandue .Kaufkraft weil hinausgeht.

Malthus machte i» seine» Grniidsätzcu der Nationalökonomie darauf auf¬
merksam, daß es vo» der größte» Wichtigkeit sei, daß die.Konsumtion zur Pro¬
duktion in richtigem Verhältnis bleibe. Er behauptete, daß durchaus unpro¬
duktive Konsumenten vorhanden sein müßten, um das Weichgewicht zwischen
Produktion und Konsumtion nnfrccht zu erhalten. Ihm trat I. B. Sah mit
großer Lebhaftigkeit im Jahre 1820 entgegen und entivickelte, daß, wenn eine
bedauernswerte Stockung in dem Absatz vieler Waaren sich bemerkbar mache,
daS seinen Grund nur darin habe, daß von andern Waaren nicht genng erzeugt
würde. Wenn die italienischen Hufen mit englischen Waaren überfüllt seien,
so liege dies darin, daß die Italiener nicht genug Ol, Wein und Südfrüchte
erzeugten, um die englischen Waaren taufen zu können. Nur mit dem Produ-
zirten könne man das Prodnzirte kaufen, und fehle es an Absatz, so sei daran
Schuld, daß nicht genng produzirt werde, um das auf andrer Seite Prodnzirte
zu erwerben. Eine allgemeine Überproduktion sei nicht denkbar; erzeugten die
Landwirte die doppelte Menge Korn und die Gewerbetreibenden die doppelte
Menge Kleidungsstoffe, so könnten wohl die Preise auf die Hälfte herniiter-
gehen, aber nach wie vor könnte das .Korn mit den Stoffen, der Stoff mit
dem Korn gekauft werden. Sah sagt vorsichtigerweise: sie können gekauft
werde», aber nicht: sie werde» gekauft werden. Gerade hierin aber liegt das
wesentliche der Sache. Es läßt sich nicht bezweifeln, daß diejenigen, welche sich
im Besitz der großen, schwer verkäuflichen Masse» von Zucker befinden, mit
dieser Waare von denjenigen, welche einen Überfluß von Kohle oder Eisen be-


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[0018] Überproduktion. möglichen zulässige» und verwerflichen Mittel der Reklame angewendet. Man braucht sich gar nicht zu bemühen, einen Gegenstand zu erlangen, wenn man zahlungsfähig ist; mau hat vielmehr Plage, die Masse der Anerbietungen ab¬ zuwehren. In diesem Zustande der Dinge liegt aber eben die Überproduktion, und zwar eine allgemeine Überproduktion. Es wird zu viel Korn, zu viel Zucker, Spiritus, Eisen, Silber, Kohle produzirt. Es giebt kein Gebiet, auf dem nicht mehr produzirt würde, als gekauft werde« kaun. Der Grund liegt darin, das; die Produktiv» durch die Verbesserungen der Technik, durch Erschließung neuer Reichtnmsqnellen so sehr vervollkommnet und erweitert worden ist, daß nicht mehr zehn Menschen erforderlich sind, um zehn Menschen zu ernähren, sondern daß dazu vielleicht schon fünf ausreichen. Wir sagen: ernähren, und verstehen darunter die ganze Unterhaltung des Menschen in der Weise, wie sie jetzt im Durchschnitt stattfindet. Wenn aber diese Be¬ hauptung richtig sein sollte, daß jetzt fünf Mensche» ausreiche», u»> alles das zu erzeugen, was zehn Mensche» verbrauche», so leidet es ja gar keinen Zweifel, daß zu viel produzirt wird, wenn trotzdem alle zehn Meiische» sich bei der Pro¬ duktion beteiligen. Und gerade dies ist der Zustand, in dein nur n»S befinden: die Überproduktion, die über die vorhandue .Kaufkraft weil hinausgeht. Malthus machte i» seine» Grniidsätzcu der Nationalökonomie darauf auf¬ merksam, daß es vo» der größte» Wichtigkeit sei, daß die.Konsumtion zur Pro¬ duktion in richtigem Verhältnis bleibe. Er behauptete, daß durchaus unpro¬ duktive Konsumenten vorhanden sein müßten, um das Weichgewicht zwischen Produktion und Konsumtion nnfrccht zu erhalten. Ihm trat I. B. Sah mit großer Lebhaftigkeit im Jahre 1820 entgegen und entivickelte, daß, wenn eine bedauernswerte Stockung in dem Absatz vieler Waaren sich bemerkbar mache, daS seinen Grund nur darin habe, daß von andern Waaren nicht genng erzeugt würde. Wenn die italienischen Hufen mit englischen Waaren überfüllt seien, so liege dies darin, daß die Italiener nicht genug Ol, Wein und Südfrüchte erzeugten, um die englischen Waaren taufen zu können. Nur mit dem Produ- zirten könne man das Prodnzirte kaufen, und fehle es an Absatz, so sei daran Schuld, daß nicht genng produzirt werde, um das auf andrer Seite Prodnzirte zu erwerben. Eine allgemeine Überproduktion sei nicht denkbar; erzeugten die Landwirte die doppelte Menge Korn und die Gewerbetreibenden die doppelte Menge Kleidungsstoffe, so könnten wohl die Preise auf die Hälfte herniiter- gehen, aber nach wie vor könnte das .Korn mit den Stoffen, der Stoff mit dem Korn gekauft werden. Sah sagt vorsichtigerweise: sie können gekauft werde», aber nicht: sie werde» gekauft werden. Gerade hierin aber liegt das wesentliche der Sache. Es läßt sich nicht bezweifeln, daß diejenigen, welche sich im Besitz der großen, schwer verkäuflichen Masse» von Zucker befinden, mit dieser Waare von denjenigen, welche einen Überfluß von Kohle oder Eisen be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/18>, abgerufen am 05.06.2024.