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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Mit der Diogeneslaterne.
Mit Erröten hat Finn Lina dies von ihrem Mann vernommen,
Horchte, wie er weiter sagte: Soll dein Ruhm der Menschheit frommen,
Fülle unsers Sohnes Seele mit der Ankunft Idealen;
Besser einen Helden groszziehn, als auf dem Papier ihn malen.
MuSgerrnsorge.
Lebt man nicht von Speis und Trank allein,
Muß das andre doch genießbar sein.
Heut bedarf es einen guten Magen,
Unsre Geistesnahrung zu vertragen. Wohin treibt uns, mir wird bang und schwül,
"Kultureller" Siege Hochgefühl?
Aarl, mein Sohn -- er trägt noch kurze Hosen
Und studirt Gvids Metamorphosen. Meine Tochter -- welche Narreteil
Plagte jüngst sich mit der Grübelei,
Gb ich wirklich auch ihr echter Vater.
Wie das kam? Sie geht in das Theater. Meine Frau, die stark politisire,
Lernt vom Reichstag, wie man debattirt.
Nun bekomm' ich, was man da verhandelt,
In Gardinenpredigt umgewandelt. Frau und Sohn und Tochter -- ach, die Nott
Stört das unverdaute Bildungsbrot.
Ich allein blieb geistig wohlberaten,
Statt zu lesen, geh' ich abends -- Skalen.
Frau Criinm.
Meid, wer dich will recht begreifen,
Muß dnrch Höll' und Himmel schweifen.
Nehmt Frau Trimm als Beispiel hin,
Lngel erst, dann Teufelin. -
Ach, wie noch ihr Liebreiz bannte,
Als sie Ida Freundin nannte! '
Hold war dieser beideu Frauen
Vpferfreundschaft anzuschauen,
Herzen, die zusammen stammen,
Seelen, die in eins verschwamme".
West und doch, auf einen- Ball
Aam das seltne Glück zu Fall.
Sah Frau Trimm sich ausgestochen,
Weil ein Stoff, auf den seit Wochen
Sie vergebens reflektirte,
An dein Abend Ida zierte?

Mit der Diogeneslaterne.
Mit Erröten hat Finn Lina dies von ihrem Mann vernommen,
Horchte, wie er weiter sagte: Soll dein Ruhm der Menschheit frommen,
Fülle unsers Sohnes Seele mit der Ankunft Idealen;
Besser einen Helden groszziehn, als auf dem Papier ihn malen.
MuSgerrnsorge.
Lebt man nicht von Speis und Trank allein,
Muß das andre doch genießbar sein.
Heut bedarf es einen guten Magen,
Unsre Geistesnahrung zu vertragen. Wohin treibt uns, mir wird bang und schwül,
„Kultureller" Siege Hochgefühl?
Aarl, mein Sohn — er trägt noch kurze Hosen
Und studirt Gvids Metamorphosen. Meine Tochter — welche Narreteil
Plagte jüngst sich mit der Grübelei,
Gb ich wirklich auch ihr echter Vater.
Wie das kam? Sie geht in das Theater. Meine Frau, die stark politisire,
Lernt vom Reichstag, wie man debattirt.
Nun bekomm' ich, was man da verhandelt,
In Gardinenpredigt umgewandelt. Frau und Sohn und Tochter — ach, die Nott
Stört das unverdaute Bildungsbrot.
Ich allein blieb geistig wohlberaten,
Statt zu lesen, geh' ich abends — Skalen.
Frau Criinm.
Meid, wer dich will recht begreifen,
Muß dnrch Höll' und Himmel schweifen.
Nehmt Frau Trimm als Beispiel hin,
Lngel erst, dann Teufelin. -
Ach, wie noch ihr Liebreiz bannte,
Als sie Ida Freundin nannte! '
Hold war dieser beideu Frauen
Vpferfreundschaft anzuschauen,
Herzen, die zusammen stammen,
Seelen, die in eins verschwamme«.
West und doch, auf einen- Ball
Aam das seltne Glück zu Fall.
Sah Frau Trimm sich ausgestochen,
Weil ein Stoff, auf den seit Wochen
Sie vergebens reflektirte,
An dein Abend Ida zierte?

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[0197] Mit der Diogeneslaterne. Mit Erröten hat Finn Lina dies von ihrem Mann vernommen, Horchte, wie er weiter sagte: Soll dein Ruhm der Menschheit frommen, Fülle unsers Sohnes Seele mit der Ankunft Idealen; Besser einen Helden groszziehn, als auf dem Papier ihn malen. MuSgerrnsorge. Lebt man nicht von Speis und Trank allein, Muß das andre doch genießbar sein. Heut bedarf es einen guten Magen, Unsre Geistesnahrung zu vertragen. Wohin treibt uns, mir wird bang und schwül, „Kultureller" Siege Hochgefühl? Aarl, mein Sohn — er trägt noch kurze Hosen Und studirt Gvids Metamorphosen. Meine Tochter — welche Narreteil Plagte jüngst sich mit der Grübelei, Gb ich wirklich auch ihr echter Vater. Wie das kam? Sie geht in das Theater. Meine Frau, die stark politisire, Lernt vom Reichstag, wie man debattirt. Nun bekomm' ich, was man da verhandelt, In Gardinenpredigt umgewandelt. Frau und Sohn und Tochter — ach, die Nott Stört das unverdaute Bildungsbrot. Ich allein blieb geistig wohlberaten, Statt zu lesen, geh' ich abends — Skalen. Frau Criinm. Meid, wer dich will recht begreifen, Muß dnrch Höll' und Himmel schweifen. Nehmt Frau Trimm als Beispiel hin, Lngel erst, dann Teufelin. - Ach, wie noch ihr Liebreiz bannte, Als sie Ida Freundin nannte! ' Hold war dieser beideu Frauen Vpferfreundschaft anzuschauen, Herzen, die zusammen stammen, Seelen, die in eins verschwamme«. West und doch, auf einen- Ball Aam das seltne Glück zu Fall. Sah Frau Trimm sich ausgestochen, Weil ein Stoff, auf den seit Wochen Sie vergebens reflektirte, An dein Abend Ida zierte?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/197>, abgerufen am 04.06.2024.