Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Ausstenerversicherung.

Einschränkungen aller Art genötigt sein, wenn sie nicht noch größerer Not und
Bedürftigkeit anheimfallen. Und so wird man mit der Möglichkeit rechnen
müssen, daß euch oder eurer Familie die Weiterzahlung der Versicherungs¬
beiträge einmal zu drückend wird. Wie steht es dann mit der Aussteuer¬
tiersicherung?

Vorausgeschickt sei die Bemerkung, daß die Verzinsung eurer Einlage:,,
auch wenn ihr die Versicherung bis zum Ablauf der festgesetzten Zeit aufrecht
erhaltet, durchaus keine sehr günstige ist. Sie beträgt ungefähr 3^ Prozent
Zinseszins. Bei Annahme eines Zinsfußes von 3 Prozent wären eure Einlagen
von jährlich 50 Mark 90 Pf. nach fünfzehn Jahren zu einer Summe von
9?ö Mark angewachsen, bei 3^ Prozent zu 1016 Mark 50 Pf.! Das ist
wenig, wenig mehr, als euch auch die Sparkasse bietet. Und doch könnt ihr
von der Sparkasse in jedem Augenblick eure sämtlichen Einlagen nach kurz
bemessenen Kündigungsfristen zurückerhalten!

Aber die Versicherungsgesellschaften? Mau sollte annehmen, daß sie das
Aufgeben des Versicherungsvertrages und die Erhebung der gemachten Ein¬
lagen unter denselben günstigen Bedingungen zuließen.

Weit entfernt! Die Gesellschaft, aus deren Prospekten ich die obigen
Prämiensütze entnommen habe, zahlt, wenn die Aussteuerversicherung bei Leb¬
zeiten des versicherten Kindes aufgehoben wird, in den ersten fünf Jahren nach
Beginn derselben gar nichts zurück, später gewährt sie drei Viertel der Ein¬
zahlungen ohne jegliche Zinsen und noch mit Abzug von 12 Mark 50 Pf. von
je 1000 Mark für die Verwaltungskosten. Wer also drei Jahre nach Beginn
die Versicherung nicht fortsetzen will, verliert seine sämtlichen Einlagen nebst
den Zinsen oder in unserm Falle den Betrag von 162 Mark 5 Pf., denn das
ist die Summe, auf welche unsre drei Prämien von 50 Mark 90 Pf. jährlich
bei 3 Prozent Zinsen inzwischen angewachsen wären. Zahlt er noch zweimal
die Jahresbeiträge weiter, so erhält er um Ende des fünften Jahres 173 Mark
^5 Pf. als Rückkaufspreis seines Versicherungsscheines ausgezahlt, während bei
^ Prozent Zinseszins sein Guthaben auf der Sparkasse zu diesem Zeitpunkte
278 Mark 35 Pf. betragen hätte. Haben sich endlich nach acht Jahren die
Vermögensverhültnisse derart ungünstig verändert, daß ein Aufgeben der Ver¬
sicherung geboten erscheint, so werden von der Versicherungsgesellschaft 292 Mark
^ Pf. ausgezahlt. Als Spareinlagen hätten die Prämien in der gleichen
Zeit die Summe von 466 Mark 20 Pf. erreicht! Und so steigen die Verluste
bei vorzeitigen Aufgeben der Versicherung von Jahr zu Jahr. Bei solcher
Sachlage muß man es sich doch lieber zweimal überlegen, ehe man einen solchen
Versichernngsvertrag unterzeichnet.

Die Sparkasse leistet für deu Fall, daß das versicherte Kapital zur Aus¬
zahlung gelangt, nahezu dasselbe wie die Aussteuerversicherung; wird die Ver¬
sicherung aber früher aufgehoben, so leistet die Sparkasse mehr. Wollte man


Die Ausstenerversicherung.

Einschränkungen aller Art genötigt sein, wenn sie nicht noch größerer Not und
Bedürftigkeit anheimfallen. Und so wird man mit der Möglichkeit rechnen
müssen, daß euch oder eurer Familie die Weiterzahlung der Versicherungs¬
beiträge einmal zu drückend wird. Wie steht es dann mit der Aussteuer¬
tiersicherung?

Vorausgeschickt sei die Bemerkung, daß die Verzinsung eurer Einlage:,,
auch wenn ihr die Versicherung bis zum Ablauf der festgesetzten Zeit aufrecht
erhaltet, durchaus keine sehr günstige ist. Sie beträgt ungefähr 3^ Prozent
Zinseszins. Bei Annahme eines Zinsfußes von 3 Prozent wären eure Einlagen
von jährlich 50 Mark 90 Pf. nach fünfzehn Jahren zu einer Summe von
9?ö Mark angewachsen, bei 3^ Prozent zu 1016 Mark 50 Pf.! Das ist
wenig, wenig mehr, als euch auch die Sparkasse bietet. Und doch könnt ihr
von der Sparkasse in jedem Augenblick eure sämtlichen Einlagen nach kurz
bemessenen Kündigungsfristen zurückerhalten!

Aber die Versicherungsgesellschaften? Mau sollte annehmen, daß sie das
Aufgeben des Versicherungsvertrages und die Erhebung der gemachten Ein¬
lagen unter denselben günstigen Bedingungen zuließen.

Weit entfernt! Die Gesellschaft, aus deren Prospekten ich die obigen
Prämiensütze entnommen habe, zahlt, wenn die Aussteuerversicherung bei Leb¬
zeiten des versicherten Kindes aufgehoben wird, in den ersten fünf Jahren nach
Beginn derselben gar nichts zurück, später gewährt sie drei Viertel der Ein¬
zahlungen ohne jegliche Zinsen und noch mit Abzug von 12 Mark 50 Pf. von
je 1000 Mark für die Verwaltungskosten. Wer also drei Jahre nach Beginn
die Versicherung nicht fortsetzen will, verliert seine sämtlichen Einlagen nebst
den Zinsen oder in unserm Falle den Betrag von 162 Mark 5 Pf., denn das
ist die Summe, auf welche unsre drei Prämien von 50 Mark 90 Pf. jährlich
bei 3 Prozent Zinsen inzwischen angewachsen wären. Zahlt er noch zweimal
die Jahresbeiträge weiter, so erhält er um Ende des fünften Jahres 173 Mark
^5 Pf. als Rückkaufspreis seines Versicherungsscheines ausgezahlt, während bei
^ Prozent Zinseszins sein Guthaben auf der Sparkasse zu diesem Zeitpunkte
278 Mark 35 Pf. betragen hätte. Haben sich endlich nach acht Jahren die
Vermögensverhültnisse derart ungünstig verändert, daß ein Aufgeben der Ver¬
sicherung geboten erscheint, so werden von der Versicherungsgesellschaft 292 Mark
^ Pf. ausgezahlt. Als Spareinlagen hätten die Prämien in der gleichen
Zeit die Summe von 466 Mark 20 Pf. erreicht! Und so steigen die Verluste
bei vorzeitigen Aufgeben der Versicherung von Jahr zu Jahr. Bei solcher
Sachlage muß man es sich doch lieber zweimal überlegen, ehe man einen solchen
Versichernngsvertrag unterzeichnet.

Die Sparkasse leistet für deu Fall, daß das versicherte Kapital zur Aus¬
zahlung gelangt, nahezu dasselbe wie die Aussteuerversicherung; wird die Ver¬
sicherung aber früher aufgehoben, so leistet die Sparkasse mehr. Wollte man


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0351" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201780"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Ausstenerversicherung.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_820" prev="#ID_819"> Einschränkungen aller Art genötigt sein, wenn sie nicht noch größerer Not und<lb/>
Bedürftigkeit anheimfallen. Und so wird man mit der Möglichkeit rechnen<lb/>
müssen, daß euch oder eurer Familie die Weiterzahlung der Versicherungs¬<lb/>
beiträge einmal zu drückend wird. Wie steht es dann mit der Aussteuer¬<lb/>
tiersicherung?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_821"> Vorausgeschickt sei die Bemerkung, daß die Verzinsung eurer Einlage:,,<lb/>
auch wenn ihr die Versicherung bis zum Ablauf der festgesetzten Zeit aufrecht<lb/>
erhaltet, durchaus keine sehr günstige ist. Sie beträgt ungefähr 3^ Prozent<lb/>
Zinseszins. Bei Annahme eines Zinsfußes von 3 Prozent wären eure Einlagen<lb/>
von jährlich 50 Mark 90 Pf. nach fünfzehn Jahren zu einer Summe von<lb/>
9?ö Mark angewachsen, bei 3^ Prozent zu 1016 Mark 50 Pf.! Das ist<lb/>
wenig, wenig mehr, als euch auch die Sparkasse bietet. Und doch könnt ihr<lb/>
von der Sparkasse in jedem Augenblick eure sämtlichen Einlagen nach kurz<lb/>
bemessenen Kündigungsfristen zurückerhalten!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_822"> Aber die Versicherungsgesellschaften? Mau sollte annehmen, daß sie das<lb/>
Aufgeben des Versicherungsvertrages und die Erhebung der gemachten Ein¬<lb/>
lagen unter denselben günstigen Bedingungen zuließen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_823"> Weit entfernt! Die Gesellschaft, aus deren Prospekten ich die obigen<lb/>
Prämiensütze entnommen habe, zahlt, wenn die Aussteuerversicherung bei Leb¬<lb/>
zeiten des versicherten Kindes aufgehoben wird, in den ersten fünf Jahren nach<lb/>
Beginn derselben gar nichts zurück, später gewährt sie drei Viertel der Ein¬<lb/>
zahlungen ohne jegliche Zinsen und noch mit Abzug von 12 Mark 50 Pf. von<lb/>
je 1000 Mark für die Verwaltungskosten. Wer also drei Jahre nach Beginn<lb/>
die Versicherung nicht fortsetzen will, verliert seine sämtlichen Einlagen nebst<lb/>
den Zinsen oder in unserm Falle den Betrag von 162 Mark 5 Pf., denn das<lb/>
ist die Summe, auf welche unsre drei Prämien von 50 Mark 90 Pf. jährlich<lb/>
bei 3 Prozent Zinsen inzwischen angewachsen wären. Zahlt er noch zweimal<lb/>
die Jahresbeiträge weiter, so erhält er um Ende des fünften Jahres 173 Mark<lb/>
^5 Pf. als Rückkaufspreis seines Versicherungsscheines ausgezahlt, während bei<lb/>
^ Prozent Zinseszins sein Guthaben auf der Sparkasse zu diesem Zeitpunkte<lb/>
278 Mark 35 Pf. betragen hätte. Haben sich endlich nach acht Jahren die<lb/>
Vermögensverhültnisse derart ungünstig verändert, daß ein Aufgeben der Ver¬<lb/>
sicherung geboten erscheint, so werden von der Versicherungsgesellschaft 292 Mark<lb/>
^ Pf. ausgezahlt. Als Spareinlagen hätten die Prämien in der gleichen<lb/>
Zeit die Summe von 466 Mark 20 Pf. erreicht! Und so steigen die Verluste<lb/>
bei vorzeitigen Aufgeben der Versicherung von Jahr zu Jahr. Bei solcher<lb/>
Sachlage muß man es sich doch lieber zweimal überlegen, ehe man einen solchen<lb/>
Versichernngsvertrag unterzeichnet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_824" next="#ID_825"> Die Sparkasse leistet für deu Fall, daß das versicherte Kapital zur Aus¬<lb/>
zahlung gelangt, nahezu dasselbe wie die Aussteuerversicherung; wird die Ver¬<lb/>
sicherung aber früher aufgehoben, so leistet die Sparkasse mehr.  Wollte man</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0351] Die Ausstenerversicherung. Einschränkungen aller Art genötigt sein, wenn sie nicht noch größerer Not und Bedürftigkeit anheimfallen. Und so wird man mit der Möglichkeit rechnen müssen, daß euch oder eurer Familie die Weiterzahlung der Versicherungs¬ beiträge einmal zu drückend wird. Wie steht es dann mit der Aussteuer¬ tiersicherung? Vorausgeschickt sei die Bemerkung, daß die Verzinsung eurer Einlage:,, auch wenn ihr die Versicherung bis zum Ablauf der festgesetzten Zeit aufrecht erhaltet, durchaus keine sehr günstige ist. Sie beträgt ungefähr 3^ Prozent Zinseszins. Bei Annahme eines Zinsfußes von 3 Prozent wären eure Einlagen von jährlich 50 Mark 90 Pf. nach fünfzehn Jahren zu einer Summe von 9?ö Mark angewachsen, bei 3^ Prozent zu 1016 Mark 50 Pf.! Das ist wenig, wenig mehr, als euch auch die Sparkasse bietet. Und doch könnt ihr von der Sparkasse in jedem Augenblick eure sämtlichen Einlagen nach kurz bemessenen Kündigungsfristen zurückerhalten! Aber die Versicherungsgesellschaften? Mau sollte annehmen, daß sie das Aufgeben des Versicherungsvertrages und die Erhebung der gemachten Ein¬ lagen unter denselben günstigen Bedingungen zuließen. Weit entfernt! Die Gesellschaft, aus deren Prospekten ich die obigen Prämiensütze entnommen habe, zahlt, wenn die Aussteuerversicherung bei Leb¬ zeiten des versicherten Kindes aufgehoben wird, in den ersten fünf Jahren nach Beginn derselben gar nichts zurück, später gewährt sie drei Viertel der Ein¬ zahlungen ohne jegliche Zinsen und noch mit Abzug von 12 Mark 50 Pf. von je 1000 Mark für die Verwaltungskosten. Wer also drei Jahre nach Beginn die Versicherung nicht fortsetzen will, verliert seine sämtlichen Einlagen nebst den Zinsen oder in unserm Falle den Betrag von 162 Mark 5 Pf., denn das ist die Summe, auf welche unsre drei Prämien von 50 Mark 90 Pf. jährlich bei 3 Prozent Zinsen inzwischen angewachsen wären. Zahlt er noch zweimal die Jahresbeiträge weiter, so erhält er um Ende des fünften Jahres 173 Mark ^5 Pf. als Rückkaufspreis seines Versicherungsscheines ausgezahlt, während bei ^ Prozent Zinseszins sein Guthaben auf der Sparkasse zu diesem Zeitpunkte 278 Mark 35 Pf. betragen hätte. Haben sich endlich nach acht Jahren die Vermögensverhültnisse derart ungünstig verändert, daß ein Aufgeben der Ver¬ sicherung geboten erscheint, so werden von der Versicherungsgesellschaft 292 Mark ^ Pf. ausgezahlt. Als Spareinlagen hätten die Prämien in der gleichen Zeit die Summe von 466 Mark 20 Pf. erreicht! Und so steigen die Verluste bei vorzeitigen Aufgeben der Versicherung von Jahr zu Jahr. Bei solcher Sachlage muß man es sich doch lieber zweimal überlegen, ehe man einen solchen Versichernngsvertrag unterzeichnet. Die Sparkasse leistet für deu Fall, daß das versicherte Kapital zur Aus¬ zahlung gelangt, nahezu dasselbe wie die Aussteuerversicherung; wird die Ver¬ sicherung aber früher aufgehoben, so leistet die Sparkasse mehr. Wollte man

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/351
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/351>, abgerufen am 03.06.2024.