Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.Brot- und Fleischtaxe. Alle diese Mittel haben sich als völlig wirkungslos erwiesen. Das ge¬ Diese Ausbeutung tritt dann klar zu Tage, wenn einmal infolge irgend Der Schutz der Bevölkerung gegen die unberechtigte Ausbeutung durch die Brot- und Fleischtaxe. Alle diese Mittel haben sich als völlig wirkungslos erwiesen. Das ge¬ Diese Ausbeutung tritt dann klar zu Tage, wenn einmal infolge irgend Der Schutz der Bevölkerung gegen die unberechtigte Ausbeutung durch die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0432" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201861"/> <fw type="header" place="top"> Brot- und Fleischtaxe.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1053"> Alle diese Mittel haben sich als völlig wirkungslos erwiesen. Das ge¬<lb/> meinsame Interesse der Bäcker und Fleischer gegenüber der Bevölkerung ist so<lb/> groß, daß jeder Versuch, auf einem der eben bezeichneten Wege zu einer Besse¬<lb/> rung der Verhältnisse zu gelangen, mißlungen ist. Das Bäcker und Fleischer¬<lb/> gewerbe ist beinahe Monopol: jede Stadt ist genötigt, ihre Bedürfnisse an Brot<lb/> und Fleisch bei den Bäckern lind Fleischer» dieser Stadt zu befriedigen, denn<lb/> einerseits können derartige Lebensmittel, da sie leicht verderben, keinen längeren<lb/> Transport vertragen, anderseits sind die Mühen und Kosten der täglichen<lb/> Herbeischaffung solcher Lebensmittel für den kleinen Bedarf des Privatmannes<lb/> zu groß, um sie übernehmen zu können. Es ist deshalb jeder auf den Bäcker<lb/> und Fleischer seiner Stadt, in einer größeren Stadt ans den seines Viertels<lb/> angewiesen. Der Wettbewerb ist also auf einen kleinen Kreis von Beteiligten<lb/> beschränkt, und diesem ist es natürlich leicht, sich über hohe Preise zu verstän¬<lb/> digen. Die Verständigung findet denn auch jederzeit statt, und an Stelle<lb/> des sachgemäßen Preises zahlt der Käufer zwanzig bis dreißig Prozent mehr.</p><lb/> <p xml:id="ID_1054"> Diese Ausbeutung tritt dann klar zu Tage, wenn einmal infolge irgend<lb/> einer Zwistigkeit das Band der Eintracht zwischen den Verkäufern zerrissen ist;<lb/> jetzt erfährt der Konsument, daß die Waare, für die er bis dahin hundert be¬<lb/> zahlt hat, auch für siebzig und sechzig zu haben ist, ohne daß der Verkäufer<lb/> dabei einen Schaden erleidet. Aber der gemeinsame Vorteil springt zu deutlich<lb/> in die Augen, als daß die Uneinigkeit lange Dauer haben könnte. Das<lb/> Band wird wieder geschlossen, und die Waare hat ihren früheren Preis wieder<lb/> erreicht. Dieser Gang der Dinge ist so selbstverständlich, daß man sich nur<lb/> wundern muß, wie die Phrase von der „ausgleichenden Wirkung der Konkurrenz"<lb/> so lange Zeit hat Gläubige finden können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1055"> Der Schutz der Bevölkerung gegen die unberechtigte Ausbeutung durch die<lb/> Verkäufer der notwendigsten Lebensmittel ist eine gebotene Pflicht des Staates,<lb/> und da sich gezeigt hat, daß dieser Pflicht auf den bisher eingeschlagenen Wegen<lb/> nicht genügt werden kaun, so ist die Wiedereinführung der Brot- und Fleisch¬<lb/> taxen eine Notwendigkeit, gegen die mit der Redensart von der „ausgleichenden<lb/> Wirkung der Konkurrenz" nicht auszukommen ist.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0432]
Brot- und Fleischtaxe.
Alle diese Mittel haben sich als völlig wirkungslos erwiesen. Das ge¬
meinsame Interesse der Bäcker und Fleischer gegenüber der Bevölkerung ist so
groß, daß jeder Versuch, auf einem der eben bezeichneten Wege zu einer Besse¬
rung der Verhältnisse zu gelangen, mißlungen ist. Das Bäcker und Fleischer¬
gewerbe ist beinahe Monopol: jede Stadt ist genötigt, ihre Bedürfnisse an Brot
und Fleisch bei den Bäckern lind Fleischer» dieser Stadt zu befriedigen, denn
einerseits können derartige Lebensmittel, da sie leicht verderben, keinen längeren
Transport vertragen, anderseits sind die Mühen und Kosten der täglichen
Herbeischaffung solcher Lebensmittel für den kleinen Bedarf des Privatmannes
zu groß, um sie übernehmen zu können. Es ist deshalb jeder auf den Bäcker
und Fleischer seiner Stadt, in einer größeren Stadt ans den seines Viertels
angewiesen. Der Wettbewerb ist also auf einen kleinen Kreis von Beteiligten
beschränkt, und diesem ist es natürlich leicht, sich über hohe Preise zu verstän¬
digen. Die Verständigung findet denn auch jederzeit statt, und an Stelle
des sachgemäßen Preises zahlt der Käufer zwanzig bis dreißig Prozent mehr.
Diese Ausbeutung tritt dann klar zu Tage, wenn einmal infolge irgend
einer Zwistigkeit das Band der Eintracht zwischen den Verkäufern zerrissen ist;
jetzt erfährt der Konsument, daß die Waare, für die er bis dahin hundert be¬
zahlt hat, auch für siebzig und sechzig zu haben ist, ohne daß der Verkäufer
dabei einen Schaden erleidet. Aber der gemeinsame Vorteil springt zu deutlich
in die Augen, als daß die Uneinigkeit lange Dauer haben könnte. Das
Band wird wieder geschlossen, und die Waare hat ihren früheren Preis wieder
erreicht. Dieser Gang der Dinge ist so selbstverständlich, daß man sich nur
wundern muß, wie die Phrase von der „ausgleichenden Wirkung der Konkurrenz"
so lange Zeit hat Gläubige finden können.
Der Schutz der Bevölkerung gegen die unberechtigte Ausbeutung durch die
Verkäufer der notwendigsten Lebensmittel ist eine gebotene Pflicht des Staates,
und da sich gezeigt hat, daß dieser Pflicht auf den bisher eingeschlagenen Wegen
nicht genügt werden kaun, so ist die Wiedereinführung der Brot- und Fleisch¬
taxen eine Notwendigkeit, gegen die mit der Redensart von der „ausgleichenden
Wirkung der Konkurrenz" nicht auszukommen ist.
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