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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Die katholischen Studentenverbindungen.

stich einen protestantischen Pfarrer, der ihm im Ornate, oder wie der be¬
treffende Student sich später ausdrückte, in "voller Couleur," begegnete, vom
Trottoir herunter, rühmte sich dann auf einem Spaziergange seinen Bundes¬
brüdern gegenüber dieser Heldenthat und fügte noch hinzu, er gäbe einen Viertel¬
jahrswechsel darum, wenn er solch einem Kerl einmal eins hinter die Ohren
geben könnte. Die übrigen Mitglieder brüllten Beifall, und die Unterhaltung
wurde so laut geführt, daß Leute, welche sich in der Nähe befanden, unfreiwillige
Zuhörer waren und die Sache zur Anzeige brachten; der protestantische Pfarrer
selbst hatte es nicht gethan. Auch sonst, auf der Kneipe, beim Nachhausegehen,
andern Studenten gegenüber wird das Benehmen gerade der Mitglieder katho¬
lischer Verbindungen nicht sonderlich gerühmt.

Es wird ferner von diesen Verbindungen die Religiosität, die Hingebung an
die katholische Kirche gepriesen, die Mitglieder sollen zu braven Katholiken er¬
zogen werden. Das sind aber wieder bloß nichtssagende Phrasen. Religion
ist die Sache des Herzens; wer religiösen Sinn mitbringt, wird sich ihn auch hier
bewahren. Den religiösen Sinn zu Pflegen ist Sache des Einzelnen, die Ver¬
bindung selbst kann dazu nichts thun, sie kann den Einzelnen höchstens durch
ihre Satzungen zur Erfüllung seiner Pflichten als Katholik anhalten. Jeder
überzeugungstreue Katholik wird auch, wenn er mit Protestanten verkehrt, diesen
Verpflichtungen nachkommen; thut er es nur aus Rücksicht auf die Verbindung,
so hat es keinen sittlichen Wert. Durch das Tragen der farbigen, echt deutschen
Studentenmütze, ist behauptet worden, bekennt jeder von ihnen auf offner Straße,
im Restaurant, im Kolleg: Ich bin katholisch! Ehre und Achtung daher vor
diesen Studenten, besonders vor denen, welche kaum in einer Anzahl von einem
Dutzend in überwiegend protestantischen Städten ihre religiöse Gesinnung nicht
allein im trauten Kreise, sondern auch "draußen im Leben" an den Tag legen.
Was sollen diese Redensarten? Durch das Tragen der betreffenden Mütze
kann der Student höchstens zeigen, daß er katholisch ist, seine Gesinnung aber
nicht. Welchen Zweck kann es aber haben, allen Leuten durch äußeres Abzeichen
auf die Nase zu binden: "Ich bin katholisch!" d. h. ich gehöre nur einer der
beiden vom Staate anerkannten christlichen Religionsgesellschaften an? Gehört
dazu ein gewisser Mut, oder suchen andre Katholiken aus ihrem Bekenntnisse
ein Geheimnis zu machen? Ein Student wird den andern weder bewundern,
noch verachten, noch verspotten, weil er katholisch ist. Die Professoren haben gar
kein Interesse an dem Bekenntnisse ihrer Zuhörer, sie fragen gar nicht, welchem
Bekenntnisse er angehört, sondern nur ob er tüchtig und strebsam ist. Dem
Philister ist es ganz gleichgiltig, ob er sein Geld aus der Hand eines Protestanten
oder eines Katholiken bekommt. Hat jemand besondres Interesse daran, zu er¬
fahren, welchem Bekenntnisse der oder jener angehört, so braucht er sich ja nur
auf der Universität oder auf dem Meldeamte zu erkundigen. Werden zwei Leute
einander vorgestellt, so nennt man den Namen und den Stand, nicht aber


Die katholischen Studentenverbindungen.

stich einen protestantischen Pfarrer, der ihm im Ornate, oder wie der be¬
treffende Student sich später ausdrückte, in „voller Couleur," begegnete, vom
Trottoir herunter, rühmte sich dann auf einem Spaziergange seinen Bundes¬
brüdern gegenüber dieser Heldenthat und fügte noch hinzu, er gäbe einen Viertel¬
jahrswechsel darum, wenn er solch einem Kerl einmal eins hinter die Ohren
geben könnte. Die übrigen Mitglieder brüllten Beifall, und die Unterhaltung
wurde so laut geführt, daß Leute, welche sich in der Nähe befanden, unfreiwillige
Zuhörer waren und die Sache zur Anzeige brachten; der protestantische Pfarrer
selbst hatte es nicht gethan. Auch sonst, auf der Kneipe, beim Nachhausegehen,
andern Studenten gegenüber wird das Benehmen gerade der Mitglieder katho¬
lischer Verbindungen nicht sonderlich gerühmt.

Es wird ferner von diesen Verbindungen die Religiosität, die Hingebung an
die katholische Kirche gepriesen, die Mitglieder sollen zu braven Katholiken er¬
zogen werden. Das sind aber wieder bloß nichtssagende Phrasen. Religion
ist die Sache des Herzens; wer religiösen Sinn mitbringt, wird sich ihn auch hier
bewahren. Den religiösen Sinn zu Pflegen ist Sache des Einzelnen, die Ver¬
bindung selbst kann dazu nichts thun, sie kann den Einzelnen höchstens durch
ihre Satzungen zur Erfüllung seiner Pflichten als Katholik anhalten. Jeder
überzeugungstreue Katholik wird auch, wenn er mit Protestanten verkehrt, diesen
Verpflichtungen nachkommen; thut er es nur aus Rücksicht auf die Verbindung,
so hat es keinen sittlichen Wert. Durch das Tragen der farbigen, echt deutschen
Studentenmütze, ist behauptet worden, bekennt jeder von ihnen auf offner Straße,
im Restaurant, im Kolleg: Ich bin katholisch! Ehre und Achtung daher vor
diesen Studenten, besonders vor denen, welche kaum in einer Anzahl von einem
Dutzend in überwiegend protestantischen Städten ihre religiöse Gesinnung nicht
allein im trauten Kreise, sondern auch „draußen im Leben" an den Tag legen.
Was sollen diese Redensarten? Durch das Tragen der betreffenden Mütze
kann der Student höchstens zeigen, daß er katholisch ist, seine Gesinnung aber
nicht. Welchen Zweck kann es aber haben, allen Leuten durch äußeres Abzeichen
auf die Nase zu binden: „Ich bin katholisch!" d. h. ich gehöre nur einer der
beiden vom Staate anerkannten christlichen Religionsgesellschaften an? Gehört
dazu ein gewisser Mut, oder suchen andre Katholiken aus ihrem Bekenntnisse
ein Geheimnis zu machen? Ein Student wird den andern weder bewundern,
noch verachten, noch verspotten, weil er katholisch ist. Die Professoren haben gar
kein Interesse an dem Bekenntnisse ihrer Zuhörer, sie fragen gar nicht, welchem
Bekenntnisse er angehört, sondern nur ob er tüchtig und strebsam ist. Dem
Philister ist es ganz gleichgiltig, ob er sein Geld aus der Hand eines Protestanten
oder eines Katholiken bekommt. Hat jemand besondres Interesse daran, zu er¬
fahren, welchem Bekenntnisse der oder jener angehört, so braucht er sich ja nur
auf der Universität oder auf dem Meldeamte zu erkundigen. Werden zwei Leute
einander vorgestellt, so nennt man den Namen und den Stand, nicht aber


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[0475] Die katholischen Studentenverbindungen. stich einen protestantischen Pfarrer, der ihm im Ornate, oder wie der be¬ treffende Student sich später ausdrückte, in „voller Couleur," begegnete, vom Trottoir herunter, rühmte sich dann auf einem Spaziergange seinen Bundes¬ brüdern gegenüber dieser Heldenthat und fügte noch hinzu, er gäbe einen Viertel¬ jahrswechsel darum, wenn er solch einem Kerl einmal eins hinter die Ohren geben könnte. Die übrigen Mitglieder brüllten Beifall, und die Unterhaltung wurde so laut geführt, daß Leute, welche sich in der Nähe befanden, unfreiwillige Zuhörer waren und die Sache zur Anzeige brachten; der protestantische Pfarrer selbst hatte es nicht gethan. Auch sonst, auf der Kneipe, beim Nachhausegehen, andern Studenten gegenüber wird das Benehmen gerade der Mitglieder katho¬ lischer Verbindungen nicht sonderlich gerühmt. Es wird ferner von diesen Verbindungen die Religiosität, die Hingebung an die katholische Kirche gepriesen, die Mitglieder sollen zu braven Katholiken er¬ zogen werden. Das sind aber wieder bloß nichtssagende Phrasen. Religion ist die Sache des Herzens; wer religiösen Sinn mitbringt, wird sich ihn auch hier bewahren. Den religiösen Sinn zu Pflegen ist Sache des Einzelnen, die Ver¬ bindung selbst kann dazu nichts thun, sie kann den Einzelnen höchstens durch ihre Satzungen zur Erfüllung seiner Pflichten als Katholik anhalten. Jeder überzeugungstreue Katholik wird auch, wenn er mit Protestanten verkehrt, diesen Verpflichtungen nachkommen; thut er es nur aus Rücksicht auf die Verbindung, so hat es keinen sittlichen Wert. Durch das Tragen der farbigen, echt deutschen Studentenmütze, ist behauptet worden, bekennt jeder von ihnen auf offner Straße, im Restaurant, im Kolleg: Ich bin katholisch! Ehre und Achtung daher vor diesen Studenten, besonders vor denen, welche kaum in einer Anzahl von einem Dutzend in überwiegend protestantischen Städten ihre religiöse Gesinnung nicht allein im trauten Kreise, sondern auch „draußen im Leben" an den Tag legen. Was sollen diese Redensarten? Durch das Tragen der betreffenden Mütze kann der Student höchstens zeigen, daß er katholisch ist, seine Gesinnung aber nicht. Welchen Zweck kann es aber haben, allen Leuten durch äußeres Abzeichen auf die Nase zu binden: „Ich bin katholisch!" d. h. ich gehöre nur einer der beiden vom Staate anerkannten christlichen Religionsgesellschaften an? Gehört dazu ein gewisser Mut, oder suchen andre Katholiken aus ihrem Bekenntnisse ein Geheimnis zu machen? Ein Student wird den andern weder bewundern, noch verachten, noch verspotten, weil er katholisch ist. Die Professoren haben gar kein Interesse an dem Bekenntnisse ihrer Zuhörer, sie fragen gar nicht, welchem Bekenntnisse er angehört, sondern nur ob er tüchtig und strebsam ist. Dem Philister ist es ganz gleichgiltig, ob er sein Geld aus der Hand eines Protestanten oder eines Katholiken bekommt. Hat jemand besondres Interesse daran, zu er¬ fahren, welchem Bekenntnisse der oder jener angehört, so braucht er sich ja nur auf der Universität oder auf dem Meldeamte zu erkundigen. Werden zwei Leute einander vorgestellt, so nennt man den Namen und den Stand, nicht aber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/475>, abgerufen am 15.06.2024.