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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Zum vogelschntzgesetze.

sie nicht verwertbar sind, auf den Mist. Und das geschieht von den Förstern,
da sie mit ihrem Einkommen auf den Vogelfang mit angewiesen sind! Das
beste würde sein, den Krammetsvogel aus der Reihe der jagdbaren Vögel zu
streichen. Denn wenn wir von Italien Schonung unsrer Vögel verlangen, so
ist es recht und billig, daß wir die Vögel unsrer nordischen Nachbarn schonen.
Aber das ist eine kitzliche Sache, denn damit rührt man an den Beutel des
Herrn Finanzministers. Mindestens muß dafür gesorgt werden, daß die Er¬
laubnis des Dohucnstieges nicht mißbraucht wird. Die Bestimmung, daß
Dohnenstiege nicht vor dem 16. Oktober angelegt werden dürfen, würde die
schlimmsten Mißstände beseitigen.

Dies sührt uns auf den dritten Punkt des Gesetzes, die Schonzeiten.
Als solche wurden die Nacht, die Zeit, während welcher Schnee liegt, und große
Dürre angenommen. Diese Bestimmungen scheinen aus der österreichisch-ita¬
lienischen Uebereinkunft zum Schutze der Vögel entnommen zu sein; sie haben
auch sür dortige Verhältnisse Wichtigkeit, für Deutschland sind sie ohne Be¬
deutung. Bei uns fängt kein Mensch im Winter Vögel, schon darum nicht,
weil dann mit Ausnahme der Meisen und der ziemlich wertlose" Körnerfresser
keine da sind, ebenso wenig des Nachts. Auch ist die Zeit großer Dürre bei
uns eine seltene Ausnahme. Wenn aber in Z 3 in der Zeit vom 1. März
bis zum 16. September das Fangen und Erlegen von Vögeln, sowie das
Feilhalten toter Vögel überhaupt versagt ist, so bedeutet dies sür diejenigen
Vögel, welche erst nach dem 1. März kommen und vor dem 16. September ab¬
ziehen -- und dies sind bei weitem die meisten -- das absolute Verbot. Also
auch hier fordert das Gesetz, welches das Minimum beabsichtigt, das Maximum.
Diejenigen Vögel, welche vor dem 1. März kommen und nach dem 15. Sep¬
tember gehen, brauchen gerade in dieser Zeit, wo sie in Schwärmen vereinigt
ziehen, den meisten Schutz. Also ist die angegebene Schonzeit unhaltbar. Soll
zwischen Schonung und offener Zeit unterschieden werden, so kann für letztere
allenfalls die Zeit von der Vollendung der Brut bis zur Sammlung zum
Wegzuge gelten.

Die Aufstellung einer Liste schädlicher Vögel kann auch für einen großen
Geltungsbereich keine Schwierigkeit machen, wenn man zwischen den absolut
und den relativ schädlichen unterscheidet und die Erklärung der letztern als
schädlich den Landes- oder Bezirksregicrungen überläßt.

Die Gesetzvorlage vom Jahre 1833 leidet, wie man steht, an dem Mangel,
daß der vorliegende Stoff in zu mechanischer Weise behandelt worden ist. Statt
aus den vorhandenen Gesetzgebungen das allgemeingültige und bewährte in
sachverständiger Weise auszuwählen und unter möglichster Schonung des In¬
halts in gesetzliche Form zu bringen, werden in abstrakt logischer Weise Unter¬
schiede gemacht, der Inhalt mit ausgesiebt und das Gesetz auf Bestimmungen
gegründet, die sich als nicht wertvoll erweisen. Wir bringen dies gegenwärtig
zur Sprache, weil wir annehmen, daß ein neues Gesetz in Vorbereitung sei,
und weil wir davor warnen möchten, den damals betretenen Weg wieder auf¬
zusuchen.




Zum vogelschntzgesetze.

sie nicht verwertbar sind, auf den Mist. Und das geschieht von den Förstern,
da sie mit ihrem Einkommen auf den Vogelfang mit angewiesen sind! Das
beste würde sein, den Krammetsvogel aus der Reihe der jagdbaren Vögel zu
streichen. Denn wenn wir von Italien Schonung unsrer Vögel verlangen, so
ist es recht und billig, daß wir die Vögel unsrer nordischen Nachbarn schonen.
Aber das ist eine kitzliche Sache, denn damit rührt man an den Beutel des
Herrn Finanzministers. Mindestens muß dafür gesorgt werden, daß die Er¬
laubnis des Dohucnstieges nicht mißbraucht wird. Die Bestimmung, daß
Dohnenstiege nicht vor dem 16. Oktober angelegt werden dürfen, würde die
schlimmsten Mißstände beseitigen.

Dies sührt uns auf den dritten Punkt des Gesetzes, die Schonzeiten.
Als solche wurden die Nacht, die Zeit, während welcher Schnee liegt, und große
Dürre angenommen. Diese Bestimmungen scheinen aus der österreichisch-ita¬
lienischen Uebereinkunft zum Schutze der Vögel entnommen zu sein; sie haben
auch sür dortige Verhältnisse Wichtigkeit, für Deutschland sind sie ohne Be¬
deutung. Bei uns fängt kein Mensch im Winter Vögel, schon darum nicht,
weil dann mit Ausnahme der Meisen und der ziemlich wertlose» Körnerfresser
keine da sind, ebenso wenig des Nachts. Auch ist die Zeit großer Dürre bei
uns eine seltene Ausnahme. Wenn aber in Z 3 in der Zeit vom 1. März
bis zum 16. September das Fangen und Erlegen von Vögeln, sowie das
Feilhalten toter Vögel überhaupt versagt ist, so bedeutet dies sür diejenigen
Vögel, welche erst nach dem 1. März kommen und vor dem 16. September ab¬
ziehen — und dies sind bei weitem die meisten — das absolute Verbot. Also
auch hier fordert das Gesetz, welches das Minimum beabsichtigt, das Maximum.
Diejenigen Vögel, welche vor dem 1. März kommen und nach dem 15. Sep¬
tember gehen, brauchen gerade in dieser Zeit, wo sie in Schwärmen vereinigt
ziehen, den meisten Schutz. Also ist die angegebene Schonzeit unhaltbar. Soll
zwischen Schonung und offener Zeit unterschieden werden, so kann für letztere
allenfalls die Zeit von der Vollendung der Brut bis zur Sammlung zum
Wegzuge gelten.

Die Aufstellung einer Liste schädlicher Vögel kann auch für einen großen
Geltungsbereich keine Schwierigkeit machen, wenn man zwischen den absolut
und den relativ schädlichen unterscheidet und die Erklärung der letztern als
schädlich den Landes- oder Bezirksregicrungen überläßt.

Die Gesetzvorlage vom Jahre 1833 leidet, wie man steht, an dem Mangel,
daß der vorliegende Stoff in zu mechanischer Weise behandelt worden ist. Statt
aus den vorhandenen Gesetzgebungen das allgemeingültige und bewährte in
sachverständiger Weise auszuwählen und unter möglichster Schonung des In¬
halts in gesetzliche Form zu bringen, werden in abstrakt logischer Weise Unter¬
schiede gemacht, der Inhalt mit ausgesiebt und das Gesetz auf Bestimmungen
gegründet, die sich als nicht wertvoll erweisen. Wir bringen dies gegenwärtig
zur Sprache, weil wir annehmen, daß ein neues Gesetz in Vorbereitung sei,
und weil wir davor warnen möchten, den damals betretenen Weg wieder auf¬
zusuchen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/152>, abgerufen am 22.05.2024.