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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Kleinere Mitteilungen

Ihr zerrissenes Gewand hing lose um ihre schlanken Glieder, das braune,
lockige Haar umwehte ihr vor innerer Bewegung sanft gerötetes Antlitz, aus
dem die großen, blauen Augen mit einem neuen, Hellem Glänze heraus leuchteten.
Die nackten Füßchen waren vom Grase bedeckt, und mit den Händen hielt sie
das Gewand über dem Busen zusammen.

Sie sah sich um. Gegen den gelben Abendhimmel zu flog ein Zug wilder
Schwäne, noch von dem letzten Sonnenschimmcr beschienen, sodaß sie wie feurige
Wundervögel am Himmel schwebten. Dorthin wollte Rüben gehen, dort hoffte
sie zu finden, was sie nun mit aller Sehnsucht, aller Kraft ihrer Seele suchen
wollte. Und wenn sie es gefunden, dann wollte sie zurückkehren und ihm,
David, sagen: Du hast uns', den Schwachen, Hilflosen, beigestanden, als wir
deiner bedurften, nun bringe ich dir zum Danke, was deine Seele sucht.

Die wilden Schwäne stießen einen lauten Schrei aus. Jeschkas Herz war
so voll, daß sie mit einem hellen Rufe antwortete; denn, durch ihre eigne Stimme
erschreckt, glitt sie. sich scheu umsehend, an dem Teiche entlang ihrer Hütte zu.

Sie wußte noch nicht, wie und wann sie ihre Heimat verlassen sollte, doch
ein unbeschreibliches, großes Vertrauen auf eine Hilfe von oben erfüllte ihr Herz
und gab ihr Mut und Geduld. (Fortsetzung folgt.)




Kleinere Mitteilungen.
Deutsch oder französisch?

Eine wie verblüffende Wirkung die Veröffent¬
lichung der gefälschten "bulgarischen" Aktenstücke durch den "Reichsanzeiger" ans
die orlecmistische Partei ausgeübt haben muß, verrät die Haltung des Pariser
"Figaro." Dieses doch sonst so geriebene Blatt weiß in seiner Verlegenheit nichts
besseres vorzubringen als die Annahme, jene Schriftstücke feien in Berlin verfertigt
worden, und zwar viel zu ungeschickt, als daß sie jemand täuschen könnten. Wie
in Petersburg, wo die Briefe des Prinzen Ferdinand von Koburg eingestandener¬
maßen für echt gehalten worden sind, dieses Kompliment aufgenommen werden wird,
ist eine Sache für sich. Das eine geht wohl für jeden Leser aus deu Briefen
hervor, daß der Schreiber derselben mit den zwischen den verschiednen Zweigen
der Familie Koburg-Orleans jetzt bestehenden Beziehungen wohlvertraut sein muß,
und das wird den Redaktoren des "Figaro" ohne Zweifel auch aufgefallen sein.
Ueber einen andern Punkt hätten sie sich bei ihrem Kollegen, welcher früher der
deutschen Nation die Ehre erwies, sich zu ihr zu rechnen, Rats erholen sollen.
Wenn auch "Mr. Albert Wolf," wie "Mr. Joseph Reinach" und andre seines¬
gleichen, ein in der Wolle gefärbter Franzose geworden ist, so wird er doch von
Berlin her noch einiges Gefühl für deutsche Denk- und Ausdrucksweise übrig be¬
halten haben, und würde daher seinen Kollegen gesagt haben, daß die Briefe un¬
möglich deutsch verfaßt sein können. Man greife eine beliebige Wendung heraus:
Vn xvuxls brave, g'önürsux, poursuivi ä-rirs 8S8 libortös, ins xris, ins on^rxs et
in'orÄoirus... Das .soll aus dem Deutschen übersetzt sein? Wem nicht das
Sprachgefühl das Unsinnige einer solchen Behauptung sofort enthüllt, der braucht


Kleinere Mitteilungen

Ihr zerrissenes Gewand hing lose um ihre schlanken Glieder, das braune,
lockige Haar umwehte ihr vor innerer Bewegung sanft gerötetes Antlitz, aus
dem die großen, blauen Augen mit einem neuen, Hellem Glänze heraus leuchteten.
Die nackten Füßchen waren vom Grase bedeckt, und mit den Händen hielt sie
das Gewand über dem Busen zusammen.

Sie sah sich um. Gegen den gelben Abendhimmel zu flog ein Zug wilder
Schwäne, noch von dem letzten Sonnenschimmcr beschienen, sodaß sie wie feurige
Wundervögel am Himmel schwebten. Dorthin wollte Rüben gehen, dort hoffte
sie zu finden, was sie nun mit aller Sehnsucht, aller Kraft ihrer Seele suchen
wollte. Und wenn sie es gefunden, dann wollte sie zurückkehren und ihm,
David, sagen: Du hast uns', den Schwachen, Hilflosen, beigestanden, als wir
deiner bedurften, nun bringe ich dir zum Danke, was deine Seele sucht.

Die wilden Schwäne stießen einen lauten Schrei aus. Jeschkas Herz war
so voll, daß sie mit einem hellen Rufe antwortete; denn, durch ihre eigne Stimme
erschreckt, glitt sie. sich scheu umsehend, an dem Teiche entlang ihrer Hütte zu.

Sie wußte noch nicht, wie und wann sie ihre Heimat verlassen sollte, doch
ein unbeschreibliches, großes Vertrauen auf eine Hilfe von oben erfüllte ihr Herz
und gab ihr Mut und Geduld. (Fortsetzung folgt.)




Kleinere Mitteilungen.
Deutsch oder französisch?

Eine wie verblüffende Wirkung die Veröffent¬
lichung der gefälschten „bulgarischen" Aktenstücke durch den „Reichsanzeiger" ans
die orlecmistische Partei ausgeübt haben muß, verrät die Haltung des Pariser
„Figaro." Dieses doch sonst so geriebene Blatt weiß in seiner Verlegenheit nichts
besseres vorzubringen als die Annahme, jene Schriftstücke feien in Berlin verfertigt
worden, und zwar viel zu ungeschickt, als daß sie jemand täuschen könnten. Wie
in Petersburg, wo die Briefe des Prinzen Ferdinand von Koburg eingestandener¬
maßen für echt gehalten worden sind, dieses Kompliment aufgenommen werden wird,
ist eine Sache für sich. Das eine geht wohl für jeden Leser aus deu Briefen
hervor, daß der Schreiber derselben mit den zwischen den verschiednen Zweigen
der Familie Koburg-Orleans jetzt bestehenden Beziehungen wohlvertraut sein muß,
und das wird den Redaktoren des „Figaro" ohne Zweifel auch aufgefallen sein.
Ueber einen andern Punkt hätten sie sich bei ihrem Kollegen, welcher früher der
deutschen Nation die Ehre erwies, sich zu ihr zu rechnen, Rats erholen sollen.
Wenn auch „Mr. Albert Wolf," wie „Mr. Joseph Reinach" und andre seines¬
gleichen, ein in der Wolle gefärbter Franzose geworden ist, so wird er doch von
Berlin her noch einiges Gefühl für deutsche Denk- und Ausdrucksweise übrig be¬
halten haben, und würde daher seinen Kollegen gesagt haben, daß die Briefe un¬
möglich deutsch verfaßt sein können. Man greife eine beliebige Wendung heraus:
Vn xvuxls brave, g'önürsux, poursuivi ä-rirs 8S8 libortös, ins xris, ins on^rxs et
in'orÄoirus... Das .soll aus dem Deutschen übersetzt sein? Wem nicht das
Sprachgefühl das Unsinnige einer solchen Behauptung sofort enthüllt, der braucht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/163>, abgerufen am 15.06.2024.