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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Mr machen unsre Leser aus die Anzeigen des Umschlags "Neues vom Büchermarkt" aufmerksam.

Der Feldzug der Italiener gegen Abessinien.

"weit wir zu sehen vermögen, bereitet sich für dieses neue Jahr
nur an einer einzigen Stelle der Erdkugel ein Krieg vor, und
nur die eine Partei desselben gehört der Familie der zivilisirten
Völker an, die in der Geschichte die ersten Rollen spielen, und
neben denen die andern fast nur dann Interesse erwecken, wenn
sie mit jenen in Berührung kommen. Italien, die jüngste Großmacht, schickt
sich an, mit dem Großkönige der halbbarbarischen Bewohner von Habesch einen
Kampf zu beginnen, der, falls er länger dauern und mehr Kräfte auf Seiten
unsrer italienischen Bundesgenossen beanspruchen sollte, als jetzt in Aussicht ge¬
nommen ist, auch auf die allgemeine politische Lage in Europa einigermaßen
Einfluß üben würde -- eine Möglichkeit, welche uns mehr an der Sache teil¬
nehmen läßt, als sie sonst verdienen würde. Italien betritt damit eine Bahn,
welche bisher in Afrika nur Portugal, als es noch eine Macht war, und in
neueren Zeiten England verfolgte. Die langjährigen Kämpfe der Portugiesen
mit Abessinien sind halb vergessen und lassen sich nicht mehr zum Vergleiche
mit der Gegenwart heranziehen. Dagegen wird es nützlich sein, die Betrach¬
tung der jetzigen Lage der Dinge mit einem Rückblicke auf deu kostspieligen,
aber erfolgreichen Feldzug Großbritanniens einzuleiten, welcher der Herrschaft
Theodors, des größten Fürsten von Habesch in unserm Jahrhundert, der durch
Geschick und Thatkraft fast alle die weiten Gebiete jenes Berglandes unter
seinem Szepter vereinigt hatte, sodaß er sich "König von Äthiopier" zu nennen
wagen durfte, ein schleuniges Ende bereitete. Der Konflikt entspann sich zu¬
nächst daraus, daß englische Missionare gegen das Verbot des Königs, unter
dessen Unterthanen für ihre Kirche zu werben, verstoßen hatten, und dann daraus,
daß die Königin Viktoria ein Schreiben Theodors, in welcher er ihr ein Bündnis


Grenzboten I. 1888. 21


Mr machen unsre Leser aus die Anzeigen des Umschlags „Neues vom Büchermarkt" aufmerksam.

Der Feldzug der Italiener gegen Abessinien.

»weit wir zu sehen vermögen, bereitet sich für dieses neue Jahr
nur an einer einzigen Stelle der Erdkugel ein Krieg vor, und
nur die eine Partei desselben gehört der Familie der zivilisirten
Völker an, die in der Geschichte die ersten Rollen spielen, und
neben denen die andern fast nur dann Interesse erwecken, wenn
sie mit jenen in Berührung kommen. Italien, die jüngste Großmacht, schickt
sich an, mit dem Großkönige der halbbarbarischen Bewohner von Habesch einen
Kampf zu beginnen, der, falls er länger dauern und mehr Kräfte auf Seiten
unsrer italienischen Bundesgenossen beanspruchen sollte, als jetzt in Aussicht ge¬
nommen ist, auch auf die allgemeine politische Lage in Europa einigermaßen
Einfluß üben würde — eine Möglichkeit, welche uns mehr an der Sache teil¬
nehmen läßt, als sie sonst verdienen würde. Italien betritt damit eine Bahn,
welche bisher in Afrika nur Portugal, als es noch eine Macht war, und in
neueren Zeiten England verfolgte. Die langjährigen Kämpfe der Portugiesen
mit Abessinien sind halb vergessen und lassen sich nicht mehr zum Vergleiche
mit der Gegenwart heranziehen. Dagegen wird es nützlich sein, die Betrach¬
tung der jetzigen Lage der Dinge mit einem Rückblicke auf deu kostspieligen,
aber erfolgreichen Feldzug Großbritanniens einzuleiten, welcher der Herrschaft
Theodors, des größten Fürsten von Habesch in unserm Jahrhundert, der durch
Geschick und Thatkraft fast alle die weiten Gebiete jenes Berglandes unter
seinem Szepter vereinigt hatte, sodaß er sich „König von Äthiopier" zu nennen
wagen durfte, ein schleuniges Ende bereitete. Der Konflikt entspann sich zu¬
nächst daraus, daß englische Missionare gegen das Verbot des Königs, unter
dessen Unterthanen für ihre Kirche zu werben, verstoßen hatten, und dann daraus,
daß die Königin Viktoria ein Schreiben Theodors, in welcher er ihr ein Bündnis


Grenzboten I. 1888. 21
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[0169] [Abbildung] Mr machen unsre Leser aus die Anzeigen des Umschlags „Neues vom Büchermarkt" aufmerksam. Der Feldzug der Italiener gegen Abessinien. »weit wir zu sehen vermögen, bereitet sich für dieses neue Jahr nur an einer einzigen Stelle der Erdkugel ein Krieg vor, und nur die eine Partei desselben gehört der Familie der zivilisirten Völker an, die in der Geschichte die ersten Rollen spielen, und neben denen die andern fast nur dann Interesse erwecken, wenn sie mit jenen in Berührung kommen. Italien, die jüngste Großmacht, schickt sich an, mit dem Großkönige der halbbarbarischen Bewohner von Habesch einen Kampf zu beginnen, der, falls er länger dauern und mehr Kräfte auf Seiten unsrer italienischen Bundesgenossen beanspruchen sollte, als jetzt in Aussicht ge¬ nommen ist, auch auf die allgemeine politische Lage in Europa einigermaßen Einfluß üben würde — eine Möglichkeit, welche uns mehr an der Sache teil¬ nehmen läßt, als sie sonst verdienen würde. Italien betritt damit eine Bahn, welche bisher in Afrika nur Portugal, als es noch eine Macht war, und in neueren Zeiten England verfolgte. Die langjährigen Kämpfe der Portugiesen mit Abessinien sind halb vergessen und lassen sich nicht mehr zum Vergleiche mit der Gegenwart heranziehen. Dagegen wird es nützlich sein, die Betrach¬ tung der jetzigen Lage der Dinge mit einem Rückblicke auf deu kostspieligen, aber erfolgreichen Feldzug Großbritanniens einzuleiten, welcher der Herrschaft Theodors, des größten Fürsten von Habesch in unserm Jahrhundert, der durch Geschick und Thatkraft fast alle die weiten Gebiete jenes Berglandes unter seinem Szepter vereinigt hatte, sodaß er sich „König von Äthiopier" zu nennen wagen durfte, ein schleuniges Ende bereitete. Der Konflikt entspann sich zu¬ nächst daraus, daß englische Missionare gegen das Verbot des Königs, unter dessen Unterthanen für ihre Kirche zu werben, verstoßen hatten, und dann daraus, daß die Königin Viktoria ein Schreiben Theodors, in welcher er ihr ein Bündnis Grenzboten I. 1888. 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/169>, abgerufen am 15.06.2024.