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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Ein Traum.

mand mehr zu Worte kommen, und das entfremdete ihm endlich seine treuesten
Anhänger. Aber erst als er durch Virchow den Antrag auf lebenslängliche Er¬
nennung des Präsidenten einbringen ließ, wurde allen klar, wohin er steuere.
Sonncmann erklärte, sich niemals über den Demokratismus des preußischen Re-
giernngsasscssors a. D. getäuscht zu haben, übrigens solle er seinen Willen haben,
er solle Präsident sein, so lange er lebe, oder lebe, so lange er Präsident bleibe.
Richter erkannte wohl, was ihm drohte, er und seine Getreuen wollten sich auf der
Tribüne verschanzen, aber das Gerüst brach mit ihnen zusammen. Mit Triumph
wurden sie unter den Trümmern hervorgezogen und dem verdienten Schicksal zu¬
geführt. Unter der Negierung Sonnemanns wird unser junger Staat sich frei und
fröhlich entwickeln. Alles atmet auf, auf der Straße umarmen einander fremde
Leute. Die Aera der Harmonie und Freiheit nimmt ihren Anfang.




Es war vorauszusehen, daß die Sozialdemokraten nicht lange das Joch des
Bourgeois Sonnemann tragen würden. Heute stellten sie ihm die bestimmte Frage,
ob er sein Vermögen der Allgemeinheit widmen wolle oder nicht; und da er sich
darauf berief, daß Singer dies ja auch nicht thue, wurden beide totgeschlagen.
Wie hätte auch die Frage anders gelöst werden sollen?




(An Bord der Korvette.) Da ich dem Kapitän berichten konnte, daß ich an
diesem Morgen ans einem Versteck mit angesehen hatte, wie Bebel und Liebknecht
wegen eiuer sozialpolitischen Differenz bei Ordnung des Sonnemannschen und
Singcrschen Nachlasses einander umbrachten, nahm er mich bereitwillig auf. Also
Sie sind der letzte? Ja ja,


Sei nur brav zu jeder Stunde,
Niemand hat dir etwas an!

Das ist doch ein ehrendes Zeugnis aus solchem Munde! Noch heute lichten wir
die Anker.

Da weckte mich der Kellner. Vor mir lag noch das Blatt, welches in
gleichem Tone den Parlamentarismus und verschiedne Pillen und Essenzen seinen
Lesern anpries, aber die Berichte aus Jkaria fehlten. Das brachte mich wieder
zu vollem Bewußtsein, und erleichtert seufzte ich:

Alles war nur ein Traum, ihr Freien lebt ja noch alle!




Ein Traum.

mand mehr zu Worte kommen, und das entfremdete ihm endlich seine treuesten
Anhänger. Aber erst als er durch Virchow den Antrag auf lebenslängliche Er¬
nennung des Präsidenten einbringen ließ, wurde allen klar, wohin er steuere.
Sonncmann erklärte, sich niemals über den Demokratismus des preußischen Re-
giernngsasscssors a. D. getäuscht zu haben, übrigens solle er seinen Willen haben,
er solle Präsident sein, so lange er lebe, oder lebe, so lange er Präsident bleibe.
Richter erkannte wohl, was ihm drohte, er und seine Getreuen wollten sich auf der
Tribüne verschanzen, aber das Gerüst brach mit ihnen zusammen. Mit Triumph
wurden sie unter den Trümmern hervorgezogen und dem verdienten Schicksal zu¬
geführt. Unter der Negierung Sonnemanns wird unser junger Staat sich frei und
fröhlich entwickeln. Alles atmet auf, auf der Straße umarmen einander fremde
Leute. Die Aera der Harmonie und Freiheit nimmt ihren Anfang.




Es war vorauszusehen, daß die Sozialdemokraten nicht lange das Joch des
Bourgeois Sonnemann tragen würden. Heute stellten sie ihm die bestimmte Frage,
ob er sein Vermögen der Allgemeinheit widmen wolle oder nicht; und da er sich
darauf berief, daß Singer dies ja auch nicht thue, wurden beide totgeschlagen.
Wie hätte auch die Frage anders gelöst werden sollen?




(An Bord der Korvette.) Da ich dem Kapitän berichten konnte, daß ich an
diesem Morgen ans einem Versteck mit angesehen hatte, wie Bebel und Liebknecht
wegen eiuer sozialpolitischen Differenz bei Ordnung des Sonnemannschen und
Singcrschen Nachlasses einander umbrachten, nahm er mich bereitwillig auf. Also
Sie sind der letzte? Ja ja,


Sei nur brav zu jeder Stunde,
Niemand hat dir etwas an!

Das ist doch ein ehrendes Zeugnis aus solchem Munde! Noch heute lichten wir
die Anker.

Da weckte mich der Kellner. Vor mir lag noch das Blatt, welches in
gleichem Tone den Parlamentarismus und verschiedne Pillen und Essenzen seinen
Lesern anpries, aber die Berichte aus Jkaria fehlten. Das brachte mich wieder
zu vollem Bewußtsein, und erleichtert seufzte ich:

Alles war nur ein Traum, ihr Freien lebt ja noch alle!




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/218>, abgerufen am 22.05.2024.