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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die Versorgung der Militäranwärter.

lustig zu gehen, dann ist auch in keiner Weise zu verlangen, daß der Pensionär
seine Einnahmen aus dem Gemeindedienst auf seine Pension in Anrechnung
bringen soll, da sämtliche Kommunalvcrwaltnngen der Städte, der Kommunal-
und Provinzialverbände?c. dem Reiche und Staate gegenüber, was die Bestel¬
lung und Besoldung ihrer Beamten anlangt, als privatrechtliche Subjekte gegen¬
über stehen, wenn auch wegen gewisser ihnen übertragener öffentlich-rechtlicher
Thätigkeiten eine staatliche Mitwirkung bei der Besetzung der Gemeindeämter
vorgesehen ist.

Nachdem man nun aber bezüglich der Pension der Zivilbeamten zu den
richtigen Grundsätzen übergegangen ist, kommt man durch diese Verschiedenheit
in der Behandlung der Zivil- und Militürpensionäre auch zu merkwürdigen
thatsächlichen Mißverhältnissen. Wie wir z. B. kürzlich aus öffentlichen Blättern
ersehen konnten, befinden sich unter den Berliner Standesbeamten ein ehemaliger
Polizeileutnant, also ein Zivilpensionär, und ein pensionirter Hauptmann.
Ersterer wurde pensionirt, weil er auf dem Eise ein Bein gebrochen hatte
und dadurch dienstunfähig geworden war, der Hauptmann wegen seiner im
Kriege gegen Frankreich erhaltenen Wunden. Der Polizeileutnant bezieht neben
seinem Gehalt als Standesbeamter seine Pension weiter, der Hauptmann muß
sich den Gehalt aus seine Pension anrechnen lassen. schreiender kann der
Unterschied wohl kaum hervortreten. Oder man nehme folgenden Fall. Der
Militäranwärter, welcher zunächst in die Gensdarmerie, in den königlichen Po¬
lizeidienst oder als Steuerbeamter eintritt, steht, abgesehen von der früher mög¬
lichen Anstellung, worauf ich noch zurückkommen werde, gegenüber dem alsbald
in den Gemeindedienst eintretenden Militäranwärter dadurch im Vorteil, daß
er bei einem (nicht selten vorkommenden) Eintritt in den Gemeindedienst
seine als Gensdarm, Polizei- oder Steuerbeamter erworbene Pension weiter be¬
zieht, während sie der alsbald in den Gemeindedienst eingetretene Militäranwärter
in dem Verhältnis verliert, als sein pensionsfühigcs Einkommen aus dem Ge¬
meindedienst über 1200 Mark hinausgeht. Manche Stadtverwaltungen sind
daher so klug, einen verhältnismäßig geringen Betrag als pensionsfähiges Dienst¬
einkommen zu bezeichnen und die Gehalte durch Mietsentschädigung, Kleidergeld
u. dergl. zu verbessern; andre Städte normiren ans Unkenntnis dieser Ver¬
hältnisse das Gehalt ihrer Beamten auf eine höhere Summe und schädigen
damit den Beamten. Ja. es kann im letztem Falle vorkommen, daß bei Er¬
höhung des Aufangsgehaltes nach einer feststehenden Skala eine oder mehrere
Gehaltserhöhungen dem Beamten nutzlos sind, da das, was ihm die Gemeinde
am Gehalt miegt, an der Pension gekürzt wird.

Hierdurch leiden namentlich die Militäranwärter in: engern Sinne. Das
Gesetz verlangt, daß gewisse Klassen von Gemeindeämtern mit gedienten Militärs
besetzt werden sollen, wenn sich welche vorfinden, die zu diesen Stellen geeignet
sind. Wie schon bemerkt, stehen viele dieser Bestimmung mit Abneigung gegen-


Die Versorgung der Militäranwärter.

lustig zu gehen, dann ist auch in keiner Weise zu verlangen, daß der Pensionär
seine Einnahmen aus dem Gemeindedienst auf seine Pension in Anrechnung
bringen soll, da sämtliche Kommunalvcrwaltnngen der Städte, der Kommunal-
und Provinzialverbände?c. dem Reiche und Staate gegenüber, was die Bestel¬
lung und Besoldung ihrer Beamten anlangt, als privatrechtliche Subjekte gegen¬
über stehen, wenn auch wegen gewisser ihnen übertragener öffentlich-rechtlicher
Thätigkeiten eine staatliche Mitwirkung bei der Besetzung der Gemeindeämter
vorgesehen ist.

Nachdem man nun aber bezüglich der Pension der Zivilbeamten zu den
richtigen Grundsätzen übergegangen ist, kommt man durch diese Verschiedenheit
in der Behandlung der Zivil- und Militürpensionäre auch zu merkwürdigen
thatsächlichen Mißverhältnissen. Wie wir z. B. kürzlich aus öffentlichen Blättern
ersehen konnten, befinden sich unter den Berliner Standesbeamten ein ehemaliger
Polizeileutnant, also ein Zivilpensionär, und ein pensionirter Hauptmann.
Ersterer wurde pensionirt, weil er auf dem Eise ein Bein gebrochen hatte
und dadurch dienstunfähig geworden war, der Hauptmann wegen seiner im
Kriege gegen Frankreich erhaltenen Wunden. Der Polizeileutnant bezieht neben
seinem Gehalt als Standesbeamter seine Pension weiter, der Hauptmann muß
sich den Gehalt aus seine Pension anrechnen lassen. schreiender kann der
Unterschied wohl kaum hervortreten. Oder man nehme folgenden Fall. Der
Militäranwärter, welcher zunächst in die Gensdarmerie, in den königlichen Po¬
lizeidienst oder als Steuerbeamter eintritt, steht, abgesehen von der früher mög¬
lichen Anstellung, worauf ich noch zurückkommen werde, gegenüber dem alsbald
in den Gemeindedienst eintretenden Militäranwärter dadurch im Vorteil, daß
er bei einem (nicht selten vorkommenden) Eintritt in den Gemeindedienst
seine als Gensdarm, Polizei- oder Steuerbeamter erworbene Pension weiter be¬
zieht, während sie der alsbald in den Gemeindedienst eingetretene Militäranwärter
in dem Verhältnis verliert, als sein pensionsfühigcs Einkommen aus dem Ge¬
meindedienst über 1200 Mark hinausgeht. Manche Stadtverwaltungen sind
daher so klug, einen verhältnismäßig geringen Betrag als pensionsfähiges Dienst¬
einkommen zu bezeichnen und die Gehalte durch Mietsentschädigung, Kleidergeld
u. dergl. zu verbessern; andre Städte normiren ans Unkenntnis dieser Ver¬
hältnisse das Gehalt ihrer Beamten auf eine höhere Summe und schädigen
damit den Beamten. Ja. es kann im letztem Falle vorkommen, daß bei Er¬
höhung des Aufangsgehaltes nach einer feststehenden Skala eine oder mehrere
Gehaltserhöhungen dem Beamten nutzlos sind, da das, was ihm die Gemeinde
am Gehalt miegt, an der Pension gekürzt wird.

Hierdurch leiden namentlich die Militäranwärter in: engern Sinne. Das
Gesetz verlangt, daß gewisse Klassen von Gemeindeämtern mit gedienten Militärs
besetzt werden sollen, wenn sich welche vorfinden, die zu diesen Stellen geeignet
sind. Wie schon bemerkt, stehen viele dieser Bestimmung mit Abneigung gegen-


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[0022] Die Versorgung der Militäranwärter. lustig zu gehen, dann ist auch in keiner Weise zu verlangen, daß der Pensionär seine Einnahmen aus dem Gemeindedienst auf seine Pension in Anrechnung bringen soll, da sämtliche Kommunalvcrwaltnngen der Städte, der Kommunal- und Provinzialverbände?c. dem Reiche und Staate gegenüber, was die Bestel¬ lung und Besoldung ihrer Beamten anlangt, als privatrechtliche Subjekte gegen¬ über stehen, wenn auch wegen gewisser ihnen übertragener öffentlich-rechtlicher Thätigkeiten eine staatliche Mitwirkung bei der Besetzung der Gemeindeämter vorgesehen ist. Nachdem man nun aber bezüglich der Pension der Zivilbeamten zu den richtigen Grundsätzen übergegangen ist, kommt man durch diese Verschiedenheit in der Behandlung der Zivil- und Militürpensionäre auch zu merkwürdigen thatsächlichen Mißverhältnissen. Wie wir z. B. kürzlich aus öffentlichen Blättern ersehen konnten, befinden sich unter den Berliner Standesbeamten ein ehemaliger Polizeileutnant, also ein Zivilpensionär, und ein pensionirter Hauptmann. Ersterer wurde pensionirt, weil er auf dem Eise ein Bein gebrochen hatte und dadurch dienstunfähig geworden war, der Hauptmann wegen seiner im Kriege gegen Frankreich erhaltenen Wunden. Der Polizeileutnant bezieht neben seinem Gehalt als Standesbeamter seine Pension weiter, der Hauptmann muß sich den Gehalt aus seine Pension anrechnen lassen. schreiender kann der Unterschied wohl kaum hervortreten. Oder man nehme folgenden Fall. Der Militäranwärter, welcher zunächst in die Gensdarmerie, in den königlichen Po¬ lizeidienst oder als Steuerbeamter eintritt, steht, abgesehen von der früher mög¬ lichen Anstellung, worauf ich noch zurückkommen werde, gegenüber dem alsbald in den Gemeindedienst eintretenden Militäranwärter dadurch im Vorteil, daß er bei einem (nicht selten vorkommenden) Eintritt in den Gemeindedienst seine als Gensdarm, Polizei- oder Steuerbeamter erworbene Pension weiter be¬ zieht, während sie der alsbald in den Gemeindedienst eingetretene Militäranwärter in dem Verhältnis verliert, als sein pensionsfühigcs Einkommen aus dem Ge¬ meindedienst über 1200 Mark hinausgeht. Manche Stadtverwaltungen sind daher so klug, einen verhältnismäßig geringen Betrag als pensionsfähiges Dienst¬ einkommen zu bezeichnen und die Gehalte durch Mietsentschädigung, Kleidergeld u. dergl. zu verbessern; andre Städte normiren ans Unkenntnis dieser Ver¬ hältnisse das Gehalt ihrer Beamten auf eine höhere Summe und schädigen damit den Beamten. Ja. es kann im letztem Falle vorkommen, daß bei Er¬ höhung des Aufangsgehaltes nach einer feststehenden Skala eine oder mehrere Gehaltserhöhungen dem Beamten nutzlos sind, da das, was ihm die Gemeinde am Gehalt miegt, an der Pension gekürzt wird. Hierdurch leiden namentlich die Militäranwärter in: engern Sinne. Das Gesetz verlangt, daß gewisse Klassen von Gemeindeämtern mit gedienten Militärs besetzt werden sollen, wenn sich welche vorfinden, die zu diesen Stellen geeignet sind. Wie schon bemerkt, stehen viele dieser Bestimmung mit Abneigung gegen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/22>, abgerufen am 22.05.2024.