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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die Versorgung der Militäranwärter.

über, obgleich diese Abneigung nicht begründet ist, da man ja keinen Anwärter
anzustellen braucht, welcher der gerade zu besetzenden Stelle nicht ge¬
wachsen ist. Der Zwang zur Besetzung solcher Stellen mit Militäranwärtern
liegt aber nicht nur im Interesse unsers Heeres, dem dadurch ein tüchtiger
Unteroffizierstand erhalten wird, um welchen uns alle Völker beneiden, sondern
er liegt auch gleicherweise im Interesse der Gemeinden, da anerkanntermaßen
der Militärdienst eine treffliche Vorschule für viele Zivilstelluugen bietet, eine
Vorschule, welche so leicht durch nichts anders ersetzt werden kann. Diese
Anwärter stehen aber auch noch in einer andern doppelten Weise hinter den
Anwärtern zurück, welche zunächst in die Gensdarmerie, den königlichen Polizei¬
dienst oder das Steuerfach eingetreten sind. Zunächst dadurch, daß, wie
schon angedeutet, die in die letztgenannten Dienstzweige eintretenden Beamten
schon nach neunjähriger Militärdienstzeit angestellt werden können, die in den
Gemeindedienst eintretenden erst nach einer zwölfjährigen Dienstzeit. Für diese
Ungleichheit fehlt gleichfalls jeder Anhalt; weder ist sie durch die verschiedne
Art des Dienstes, noch dadurch begründet, daß der eine Dienst königlich ist, der
andre nicht; sie kann leicht beseitigt werden und wird es hoffentlich bald. Die
andre Benachteiligung ist die, daß der Anwärter, der unmittelbar in den könig¬
lichen Dienst tritt, seine Militärdienstzeit bei der Pensionirung mit angerechnet
bekommt, der Anwärter, welcher sich dem Gemeindedienste widmet, nicht. Da
nun die Erfüllung der Militärdienstpflicht während der vorgeschriebenen Zeit
unabhängig von dem Willen des Anwärters ist, sogar im öffentlichen Interesse
von ihm verlangt wird, so ist wahrlich kein Grund vorhanden, dem alsbald in
den Gemeindedienst tretenden Militäranwärter seine Militärdienstzcit nicht bei
der Pensionirung anzurechnen. Es ist hart genug, daß er in den meisten
Städten erst noch längere Jahre dienen muß, ehe er überhaupt pensionsberechtigt
"Art; ihm aber nun auch noch die Militärzeit bei der endlich zulässigen Pen¬
sionirung unberücksichtigt zu lassen, ist ungerechtferigt, da ihn diese Einrichtung
"icht nur seinen Kollegen aus der Gensdarmerie !c., sondern auch denjenigen
Kollegen gegenüber, welche in Ermangelung geeigneter Militäranwärter angestellt
wurden, in Nachteil bringt, indem diese meist eine Reihe von Jahren früher
als er pensionsberechtigt zu werden Aussicht haben. Glaubt man den Gemeinde¬
verwaltungen es nicht zumuten zu können, den zwölfjährigen Vorbereitungsdienst
um Militärstande auf ihren Pensionshaushalt zu nehmen, obwohl, wie wir sahen,
dieser Militärvorbereitungsdienst auch gar sehr im Interesse der Gemeinde¬
verwaltungen liegt, so ist es Pflicht des Staates oder Reiches, die für diese
Jahre fällige Pension zu zahlen.

Damit gelange ich zu dem letzten Punkte meiner Darstellung, zu der Pen¬
sionirung der Militäranwärter überhaupt. Man sollte, und damit würde sich
das zuletzt erörterte Bedenken gleichzeitig auflösen, nicht nur dem sogenannten
Invaliden, sondern jedem, der seine zwölfjährige Militärdienstzeit hinter sich


Die Versorgung der Militäranwärter.

über, obgleich diese Abneigung nicht begründet ist, da man ja keinen Anwärter
anzustellen braucht, welcher der gerade zu besetzenden Stelle nicht ge¬
wachsen ist. Der Zwang zur Besetzung solcher Stellen mit Militäranwärtern
liegt aber nicht nur im Interesse unsers Heeres, dem dadurch ein tüchtiger
Unteroffizierstand erhalten wird, um welchen uns alle Völker beneiden, sondern
er liegt auch gleicherweise im Interesse der Gemeinden, da anerkanntermaßen
der Militärdienst eine treffliche Vorschule für viele Zivilstelluugen bietet, eine
Vorschule, welche so leicht durch nichts anders ersetzt werden kann. Diese
Anwärter stehen aber auch noch in einer andern doppelten Weise hinter den
Anwärtern zurück, welche zunächst in die Gensdarmerie, den königlichen Polizei¬
dienst oder das Steuerfach eingetreten sind. Zunächst dadurch, daß, wie
schon angedeutet, die in die letztgenannten Dienstzweige eintretenden Beamten
schon nach neunjähriger Militärdienstzeit angestellt werden können, die in den
Gemeindedienst eintretenden erst nach einer zwölfjährigen Dienstzeit. Für diese
Ungleichheit fehlt gleichfalls jeder Anhalt; weder ist sie durch die verschiedne
Art des Dienstes, noch dadurch begründet, daß der eine Dienst königlich ist, der
andre nicht; sie kann leicht beseitigt werden und wird es hoffentlich bald. Die
andre Benachteiligung ist die, daß der Anwärter, der unmittelbar in den könig¬
lichen Dienst tritt, seine Militärdienstzeit bei der Pensionirung mit angerechnet
bekommt, der Anwärter, welcher sich dem Gemeindedienste widmet, nicht. Da
nun die Erfüllung der Militärdienstpflicht während der vorgeschriebenen Zeit
unabhängig von dem Willen des Anwärters ist, sogar im öffentlichen Interesse
von ihm verlangt wird, so ist wahrlich kein Grund vorhanden, dem alsbald in
den Gemeindedienst tretenden Militäranwärter seine Militärdienstzcit nicht bei
der Pensionirung anzurechnen. Es ist hart genug, daß er in den meisten
Städten erst noch längere Jahre dienen muß, ehe er überhaupt pensionsberechtigt
"Art; ihm aber nun auch noch die Militärzeit bei der endlich zulässigen Pen¬
sionirung unberücksichtigt zu lassen, ist ungerechtferigt, da ihn diese Einrichtung
"icht nur seinen Kollegen aus der Gensdarmerie !c., sondern auch denjenigen
Kollegen gegenüber, welche in Ermangelung geeigneter Militäranwärter angestellt
wurden, in Nachteil bringt, indem diese meist eine Reihe von Jahren früher
als er pensionsberechtigt zu werden Aussicht haben. Glaubt man den Gemeinde¬
verwaltungen es nicht zumuten zu können, den zwölfjährigen Vorbereitungsdienst
um Militärstande auf ihren Pensionshaushalt zu nehmen, obwohl, wie wir sahen,
dieser Militärvorbereitungsdienst auch gar sehr im Interesse der Gemeinde¬
verwaltungen liegt, so ist es Pflicht des Staates oder Reiches, die für diese
Jahre fällige Pension zu zahlen.

Damit gelange ich zu dem letzten Punkte meiner Darstellung, zu der Pen¬
sionirung der Militäranwärter überhaupt. Man sollte, und damit würde sich
das zuletzt erörterte Bedenken gleichzeitig auflösen, nicht nur dem sogenannten
Invaliden, sondern jedem, der seine zwölfjährige Militärdienstzeit hinter sich


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[0023] Die Versorgung der Militäranwärter. über, obgleich diese Abneigung nicht begründet ist, da man ja keinen Anwärter anzustellen braucht, welcher der gerade zu besetzenden Stelle nicht ge¬ wachsen ist. Der Zwang zur Besetzung solcher Stellen mit Militäranwärtern liegt aber nicht nur im Interesse unsers Heeres, dem dadurch ein tüchtiger Unteroffizierstand erhalten wird, um welchen uns alle Völker beneiden, sondern er liegt auch gleicherweise im Interesse der Gemeinden, da anerkanntermaßen der Militärdienst eine treffliche Vorschule für viele Zivilstelluugen bietet, eine Vorschule, welche so leicht durch nichts anders ersetzt werden kann. Diese Anwärter stehen aber auch noch in einer andern doppelten Weise hinter den Anwärtern zurück, welche zunächst in die Gensdarmerie, den königlichen Polizei¬ dienst oder das Steuerfach eingetreten sind. Zunächst dadurch, daß, wie schon angedeutet, die in die letztgenannten Dienstzweige eintretenden Beamten schon nach neunjähriger Militärdienstzeit angestellt werden können, die in den Gemeindedienst eintretenden erst nach einer zwölfjährigen Dienstzeit. Für diese Ungleichheit fehlt gleichfalls jeder Anhalt; weder ist sie durch die verschiedne Art des Dienstes, noch dadurch begründet, daß der eine Dienst königlich ist, der andre nicht; sie kann leicht beseitigt werden und wird es hoffentlich bald. Die andre Benachteiligung ist die, daß der Anwärter, der unmittelbar in den könig¬ lichen Dienst tritt, seine Militärdienstzeit bei der Pensionirung mit angerechnet bekommt, der Anwärter, welcher sich dem Gemeindedienste widmet, nicht. Da nun die Erfüllung der Militärdienstpflicht während der vorgeschriebenen Zeit unabhängig von dem Willen des Anwärters ist, sogar im öffentlichen Interesse von ihm verlangt wird, so ist wahrlich kein Grund vorhanden, dem alsbald in den Gemeindedienst tretenden Militäranwärter seine Militärdienstzcit nicht bei der Pensionirung anzurechnen. Es ist hart genug, daß er in den meisten Städten erst noch längere Jahre dienen muß, ehe er überhaupt pensionsberechtigt "Art; ihm aber nun auch noch die Militärzeit bei der endlich zulässigen Pen¬ sionirung unberücksichtigt zu lassen, ist ungerechtferigt, da ihn diese Einrichtung "icht nur seinen Kollegen aus der Gensdarmerie !c., sondern auch denjenigen Kollegen gegenüber, welche in Ermangelung geeigneter Militäranwärter angestellt wurden, in Nachteil bringt, indem diese meist eine Reihe von Jahren früher als er pensionsberechtigt zu werden Aussicht haben. Glaubt man den Gemeinde¬ verwaltungen es nicht zumuten zu können, den zwölfjährigen Vorbereitungsdienst um Militärstande auf ihren Pensionshaushalt zu nehmen, obwohl, wie wir sahen, dieser Militärvorbereitungsdienst auch gar sehr im Interesse der Gemeinde¬ verwaltungen liegt, so ist es Pflicht des Staates oder Reiches, die für diese Jahre fällige Pension zu zahlen. Damit gelange ich zu dem letzten Punkte meiner Darstellung, zu der Pen¬ sionirung der Militäranwärter überhaupt. Man sollte, und damit würde sich das zuletzt erörterte Bedenken gleichzeitig auflösen, nicht nur dem sogenannten Invaliden, sondern jedem, der seine zwölfjährige Militärdienstzeit hinter sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/23>, abgerufen am 15.05.2024.