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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Unsre Landwirtschaft und ihre amerikanische Konkurrenz.

ist. Ja selbst die an sich fruchtbaren Prärien werden erst anbaufähig durch
Anpflanzung von Baum- und Buschwerk, welches den erforderlichen Schutz gegen
klimatische Störungen gewährt. Dieser Art von Aufforstung wird denn auch
von der Regierung große Aufmerksamkeit und Fürsorge zugewandt, während sie
mit großem Gleichmut der Verwüstung der eigentlichen Wälder zusieht, obwohl
diese bereits soweit vorgeschritten ist, daß für eine gar nicht ferne Zukunft sehr
ernste Befürchtungen bestehen.

Der Verfasser unterscheidet genau zwischen dem atlantischen und dem
pacifischen Nordamerika. Er findet, daß in den südlichen zwei Dritteilen des
atlantischen Ackerbaugebietes tropische und subtropische Pflanzen überwiegen:
Baumwolle, Mais, Tabak. Reben- und Agrumengewüchse gedeihen nicht. Die
Brotgetreidearten, insbesondre Weizen, auf den es uns allein ankommt, da
Amerika Roggen gar nicht, Gerste und Hafer nur in ganz unerheblichen Mengen
ausführt, fehlen in dem südlichen Drittel des atlantischen Nordamerikas fast ganz,
im zweiten Drittel, dem Maisgebiete, nimmt er nur die zweite Stelle ein, und
erst in dem nördlichen Drittel bildet die Kultur der Brodgetreide den Mittel¬
punkt. Überall aber im atlantischen Gebiete hat der Weizen unter so vielen
Mißständen zu leiden, daß er nur unter Bedingungen gebaut werden kann, die
viel ungünstiger sind als in den meisten Teilen Europas. Nur ein Drittel der
Getreideregion erzeugt Winterfrucht, ein ganz außerordentlicher wirtschaftlicher
Nachteil. Kalte Winter und zu rascher Eintritt des Sommers, plötzliche
Schwankungen der Temperatur, Früh- und Spätfröste, häufige Dürren und
wiederum feuchte Hitze mindern die Ertragsfähigkeit. Dazu kommen große
Verluste durch Unkraut und besonders durch schädliche Tiere, welche in Nord¬
amerika viel verheerender auftreten als bei uns.

Nur die pacisische Küste besitzt ein ähnlich ausgezeichnetes Klima wie die
Süd- und Westküsten Europas und hat vor diesen noch den Vorzug von durch¬
schnittlich hellerem Wetter zur Erntezeit. Deshalb gedeihen Weizen, Reben
und Agrumengewächse vorzüglich, und die Sicherheit der Ernten ist dort wahr¬
scheinlich größer als in den entsprechenden Teilen Europas. Aber die pacisische
Küste ist ein Gebirgsland und ihr kulturfähiger Teil beschränkt sich auf einige
langgestreckte und nicht sehr breite Thäler.

Was die Viehzucht anlangt, so erscheint Nordamerika durch die weite
Verbreitung des Mais vor Europa begünstigt, während es an Graswuchs
unserm Erdteile nicht gleichkommt. Namentlich sind die Weiden der Steppen¬
gebiete von höchst dürftiger Beschaffenheit; der Hauptvorzug derselben besteht
darin, daß sie vorläufig noch nichts kosten.

Der Verfasser ist der Meinung, es sei verkehrt, bei Prüfung der ameri¬
kanischen Konkurrenzfrage die natürliche Fruchtbarkeit zu sehr in -den Vorder¬
grund zu stellen. Diese Konkurrenz sei vor allem volkswirtschaftlicher Natur.
Auch die Güte des Bodens komme weniger in Betracht, als man im allgemeinen


Grenzboten I. 1833. SS
Unsre Landwirtschaft und ihre amerikanische Konkurrenz.

ist. Ja selbst die an sich fruchtbaren Prärien werden erst anbaufähig durch
Anpflanzung von Baum- und Buschwerk, welches den erforderlichen Schutz gegen
klimatische Störungen gewährt. Dieser Art von Aufforstung wird denn auch
von der Regierung große Aufmerksamkeit und Fürsorge zugewandt, während sie
mit großem Gleichmut der Verwüstung der eigentlichen Wälder zusieht, obwohl
diese bereits soweit vorgeschritten ist, daß für eine gar nicht ferne Zukunft sehr
ernste Befürchtungen bestehen.

Der Verfasser unterscheidet genau zwischen dem atlantischen und dem
pacifischen Nordamerika. Er findet, daß in den südlichen zwei Dritteilen des
atlantischen Ackerbaugebietes tropische und subtropische Pflanzen überwiegen:
Baumwolle, Mais, Tabak. Reben- und Agrumengewüchse gedeihen nicht. Die
Brotgetreidearten, insbesondre Weizen, auf den es uns allein ankommt, da
Amerika Roggen gar nicht, Gerste und Hafer nur in ganz unerheblichen Mengen
ausführt, fehlen in dem südlichen Drittel des atlantischen Nordamerikas fast ganz,
im zweiten Drittel, dem Maisgebiete, nimmt er nur die zweite Stelle ein, und
erst in dem nördlichen Drittel bildet die Kultur der Brodgetreide den Mittel¬
punkt. Überall aber im atlantischen Gebiete hat der Weizen unter so vielen
Mißständen zu leiden, daß er nur unter Bedingungen gebaut werden kann, die
viel ungünstiger sind als in den meisten Teilen Europas. Nur ein Drittel der
Getreideregion erzeugt Winterfrucht, ein ganz außerordentlicher wirtschaftlicher
Nachteil. Kalte Winter und zu rascher Eintritt des Sommers, plötzliche
Schwankungen der Temperatur, Früh- und Spätfröste, häufige Dürren und
wiederum feuchte Hitze mindern die Ertragsfähigkeit. Dazu kommen große
Verluste durch Unkraut und besonders durch schädliche Tiere, welche in Nord¬
amerika viel verheerender auftreten als bei uns.

Nur die pacisische Küste besitzt ein ähnlich ausgezeichnetes Klima wie die
Süd- und Westküsten Europas und hat vor diesen noch den Vorzug von durch¬
schnittlich hellerem Wetter zur Erntezeit. Deshalb gedeihen Weizen, Reben
und Agrumengewächse vorzüglich, und die Sicherheit der Ernten ist dort wahr¬
scheinlich größer als in den entsprechenden Teilen Europas. Aber die pacisische
Küste ist ein Gebirgsland und ihr kulturfähiger Teil beschränkt sich auf einige
langgestreckte und nicht sehr breite Thäler.

Was die Viehzucht anlangt, so erscheint Nordamerika durch die weite
Verbreitung des Mais vor Europa begünstigt, während es an Graswuchs
unserm Erdteile nicht gleichkommt. Namentlich sind die Weiden der Steppen¬
gebiete von höchst dürftiger Beschaffenheit; der Hauptvorzug derselben besteht
darin, daß sie vorläufig noch nichts kosten.

Der Verfasser ist der Meinung, es sei verkehrt, bei Prüfung der ameri¬
kanischen Konkurrenzfrage die natürliche Fruchtbarkeit zu sehr in -den Vorder¬
grund zu stellen. Diese Konkurrenz sei vor allem volkswirtschaftlicher Natur.
Auch die Güte des Bodens komme weniger in Betracht, als man im allgemeinen


Grenzboten I. 1833. SS
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[0281] Unsre Landwirtschaft und ihre amerikanische Konkurrenz. ist. Ja selbst die an sich fruchtbaren Prärien werden erst anbaufähig durch Anpflanzung von Baum- und Buschwerk, welches den erforderlichen Schutz gegen klimatische Störungen gewährt. Dieser Art von Aufforstung wird denn auch von der Regierung große Aufmerksamkeit und Fürsorge zugewandt, während sie mit großem Gleichmut der Verwüstung der eigentlichen Wälder zusieht, obwohl diese bereits soweit vorgeschritten ist, daß für eine gar nicht ferne Zukunft sehr ernste Befürchtungen bestehen. Der Verfasser unterscheidet genau zwischen dem atlantischen und dem pacifischen Nordamerika. Er findet, daß in den südlichen zwei Dritteilen des atlantischen Ackerbaugebietes tropische und subtropische Pflanzen überwiegen: Baumwolle, Mais, Tabak. Reben- und Agrumengewüchse gedeihen nicht. Die Brotgetreidearten, insbesondre Weizen, auf den es uns allein ankommt, da Amerika Roggen gar nicht, Gerste und Hafer nur in ganz unerheblichen Mengen ausführt, fehlen in dem südlichen Drittel des atlantischen Nordamerikas fast ganz, im zweiten Drittel, dem Maisgebiete, nimmt er nur die zweite Stelle ein, und erst in dem nördlichen Drittel bildet die Kultur der Brodgetreide den Mittel¬ punkt. Überall aber im atlantischen Gebiete hat der Weizen unter so vielen Mißständen zu leiden, daß er nur unter Bedingungen gebaut werden kann, die viel ungünstiger sind als in den meisten Teilen Europas. Nur ein Drittel der Getreideregion erzeugt Winterfrucht, ein ganz außerordentlicher wirtschaftlicher Nachteil. Kalte Winter und zu rascher Eintritt des Sommers, plötzliche Schwankungen der Temperatur, Früh- und Spätfröste, häufige Dürren und wiederum feuchte Hitze mindern die Ertragsfähigkeit. Dazu kommen große Verluste durch Unkraut und besonders durch schädliche Tiere, welche in Nord¬ amerika viel verheerender auftreten als bei uns. Nur die pacisische Küste besitzt ein ähnlich ausgezeichnetes Klima wie die Süd- und Westküsten Europas und hat vor diesen noch den Vorzug von durch¬ schnittlich hellerem Wetter zur Erntezeit. Deshalb gedeihen Weizen, Reben und Agrumengewächse vorzüglich, und die Sicherheit der Ernten ist dort wahr¬ scheinlich größer als in den entsprechenden Teilen Europas. Aber die pacisische Küste ist ein Gebirgsland und ihr kulturfähiger Teil beschränkt sich auf einige langgestreckte und nicht sehr breite Thäler. Was die Viehzucht anlangt, so erscheint Nordamerika durch die weite Verbreitung des Mais vor Europa begünstigt, während es an Graswuchs unserm Erdteile nicht gleichkommt. Namentlich sind die Weiden der Steppen¬ gebiete von höchst dürftiger Beschaffenheit; der Hauptvorzug derselben besteht darin, daß sie vorläufig noch nichts kosten. Der Verfasser ist der Meinung, es sei verkehrt, bei Prüfung der ameri¬ kanischen Konkurrenzfrage die natürliche Fruchtbarkeit zu sehr in -den Vorder¬ grund zu stellen. Diese Konkurrenz sei vor allem volkswirtschaftlicher Natur. Auch die Güte des Bodens komme weniger in Betracht, als man im allgemeinen Grenzboten I. 1833. SS

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/281>, abgerufen am 15.05.2024.