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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Der deutsche Bund.

Von all den Verfassungsplänen und Entwürfen der damaligen Zeit
möge als Probe ein einziger genügen, der nicht nur merkwürdig ist durch
seinen Inhalt, sondern fast noch mehr durch die Männer, von denen er aus¬
ging. Der, der ihn abgefaßt hatte, war kein geringerer als Albert von
Koburg, der Prinz-Gemahl der Königin Viktoria von England, und der, der ihn
billigte, mit eigenhändigen Randbemerkungen versah und ihn dem bekannten
Abgeordneten Professor Dahlmann zusenden ließ, war Friedrich Wilhelm
der Vierte von Preußen. Nach der Ansicht dieses Monarchen sollte die erb¬
liche römische Kaiserwürde dem Hause Österreich übertragen werden, weil der
österreichische Kaiser diesen Rang doch niemals einem andern deutschen Fürsten
überlassen würde und ein tausendjähriges Anrecht darauf hätte. Die Kaiser¬
würde sollte jedoch nur ein Ehrentitel sein und keine Berechtigung zur Ein¬
mischung in die rein deutschen Angelegenheiten geben. Das deutsche Reichs¬
oberhaupt sollte von den deutschen Königen gewählt werden und den Titel
"König der Deutschen" führen. Dann fährt der König wörtlich fort: "Ich
wünsche, daß die Könige des Bundes den Wahlakt allein begehen, demnächst
aber die übrigen souveränen Fürsten zur Zustimmung auffordern. Beides die
Sache von wenigen Stunden, die Könige und Großherzoge etwa im sogenannten
Konklave des Bartholomäusdomes in Frankfurt, die Fürsten im Chor. Darauf
wende man sich an den römischen Kaiser und ersuche ihn ehrfurchtsvoll, die
Wahl zu bestätigen. Es kann durch einen bevollmächtigten Erzherzog in der¬
selben Minute geschehen. Dann aber werde, wie vor Alters, der Dom dem
Volke geöffnet, und seine Akklamation vollende die Wahl. Bald darauf werde
der "Teutsche König" gesalbt und gekrönt, wenn er römisch-katholisch ist, durch
den Erzbischof von Köln, der Reichserzkanzler würde; ist er evangelisch, durch
einen zu ernennenden Erzbischof von Magdeburg, ?riing.8 Lr"zrrnÄmg.s." Dann
sollte ein Fürstentag gebildet werden, der in drei Kollegien zerfiel, das der
Könige und Großherzoge, das der Herzöge, und das der übrigen souveränen
Fürsten und der Bürgermeister der freien Städte. Alle drei Jahre sollte dieser
Fürstentag durch den Hinzutritt der mediatisirten Fürsten und Grafen verstärkt
werden und dann das Oberhaus des Reichstages bilden; das Unterhaus sollte
aus Reichsbvten gebildet werden, die von den Landständen auf drei Jahre ge¬
wählt werden sollten :c. Das Urteil über diesen Entwurf mag dem Leser über¬
lassen bleiben. (Fortsetzung folgt.)




Der deutsche Bund.

Von all den Verfassungsplänen und Entwürfen der damaligen Zeit
möge als Probe ein einziger genügen, der nicht nur merkwürdig ist durch
seinen Inhalt, sondern fast noch mehr durch die Männer, von denen er aus¬
ging. Der, der ihn abgefaßt hatte, war kein geringerer als Albert von
Koburg, der Prinz-Gemahl der Königin Viktoria von England, und der, der ihn
billigte, mit eigenhändigen Randbemerkungen versah und ihn dem bekannten
Abgeordneten Professor Dahlmann zusenden ließ, war Friedrich Wilhelm
der Vierte von Preußen. Nach der Ansicht dieses Monarchen sollte die erb¬
liche römische Kaiserwürde dem Hause Österreich übertragen werden, weil der
österreichische Kaiser diesen Rang doch niemals einem andern deutschen Fürsten
überlassen würde und ein tausendjähriges Anrecht darauf hätte. Die Kaiser¬
würde sollte jedoch nur ein Ehrentitel sein und keine Berechtigung zur Ein¬
mischung in die rein deutschen Angelegenheiten geben. Das deutsche Reichs¬
oberhaupt sollte von den deutschen Königen gewählt werden und den Titel
„König der Deutschen" führen. Dann fährt der König wörtlich fort: „Ich
wünsche, daß die Könige des Bundes den Wahlakt allein begehen, demnächst
aber die übrigen souveränen Fürsten zur Zustimmung auffordern. Beides die
Sache von wenigen Stunden, die Könige und Großherzoge etwa im sogenannten
Konklave des Bartholomäusdomes in Frankfurt, die Fürsten im Chor. Darauf
wende man sich an den römischen Kaiser und ersuche ihn ehrfurchtsvoll, die
Wahl zu bestätigen. Es kann durch einen bevollmächtigten Erzherzog in der¬
selben Minute geschehen. Dann aber werde, wie vor Alters, der Dom dem
Volke geöffnet, und seine Akklamation vollende die Wahl. Bald darauf werde
der „Teutsche König" gesalbt und gekrönt, wenn er römisch-katholisch ist, durch
den Erzbischof von Köln, der Reichserzkanzler würde; ist er evangelisch, durch
einen zu ernennenden Erzbischof von Magdeburg, ?riing.8 Lr«zrrnÄmg.s." Dann
sollte ein Fürstentag gebildet werden, der in drei Kollegien zerfiel, das der
Könige und Großherzoge, das der Herzöge, und das der übrigen souveränen
Fürsten und der Bürgermeister der freien Städte. Alle drei Jahre sollte dieser
Fürstentag durch den Hinzutritt der mediatisirten Fürsten und Grafen verstärkt
werden und dann das Oberhaus des Reichstages bilden; das Unterhaus sollte
aus Reichsbvten gebildet werden, die von den Landständen auf drei Jahre ge¬
wählt werden sollten :c. Das Urteil über diesen Entwurf mag dem Leser über¬
lassen bleiben. (Fortsetzung folgt.)




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[0304] Der deutsche Bund. Von all den Verfassungsplänen und Entwürfen der damaligen Zeit möge als Probe ein einziger genügen, der nicht nur merkwürdig ist durch seinen Inhalt, sondern fast noch mehr durch die Männer, von denen er aus¬ ging. Der, der ihn abgefaßt hatte, war kein geringerer als Albert von Koburg, der Prinz-Gemahl der Königin Viktoria von England, und der, der ihn billigte, mit eigenhändigen Randbemerkungen versah und ihn dem bekannten Abgeordneten Professor Dahlmann zusenden ließ, war Friedrich Wilhelm der Vierte von Preußen. Nach der Ansicht dieses Monarchen sollte die erb¬ liche römische Kaiserwürde dem Hause Österreich übertragen werden, weil der österreichische Kaiser diesen Rang doch niemals einem andern deutschen Fürsten überlassen würde und ein tausendjähriges Anrecht darauf hätte. Die Kaiser¬ würde sollte jedoch nur ein Ehrentitel sein und keine Berechtigung zur Ein¬ mischung in die rein deutschen Angelegenheiten geben. Das deutsche Reichs¬ oberhaupt sollte von den deutschen Königen gewählt werden und den Titel „König der Deutschen" führen. Dann fährt der König wörtlich fort: „Ich wünsche, daß die Könige des Bundes den Wahlakt allein begehen, demnächst aber die übrigen souveränen Fürsten zur Zustimmung auffordern. Beides die Sache von wenigen Stunden, die Könige und Großherzoge etwa im sogenannten Konklave des Bartholomäusdomes in Frankfurt, die Fürsten im Chor. Darauf wende man sich an den römischen Kaiser und ersuche ihn ehrfurchtsvoll, die Wahl zu bestätigen. Es kann durch einen bevollmächtigten Erzherzog in der¬ selben Minute geschehen. Dann aber werde, wie vor Alters, der Dom dem Volke geöffnet, und seine Akklamation vollende die Wahl. Bald darauf werde der „Teutsche König" gesalbt und gekrönt, wenn er römisch-katholisch ist, durch den Erzbischof von Köln, der Reichserzkanzler würde; ist er evangelisch, durch einen zu ernennenden Erzbischof von Magdeburg, ?riing.8 Lr«zrrnÄmg.s." Dann sollte ein Fürstentag gebildet werden, der in drei Kollegien zerfiel, das der Könige und Großherzoge, das der Herzöge, und das der übrigen souveränen Fürsten und der Bürgermeister der freien Städte. Alle drei Jahre sollte dieser Fürstentag durch den Hinzutritt der mediatisirten Fürsten und Grafen verstärkt werden und dann das Oberhaus des Reichstages bilden; das Unterhaus sollte aus Reichsbvten gebildet werden, die von den Landständen auf drei Jahre ge¬ wählt werden sollten :c. Das Urteil über diesen Entwurf mag dem Leser über¬ lassen bleiben. (Fortsetzung folgt.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/304>, abgerufen am 15.05.2024.