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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die Finanzlage der russischen Eisenbahnen.

gegeben 95,6 Millionen Rubel Kredit, an Zinsen für die vom Staate den
Eisenbahnen vorgestreckten Summen 33,6 Millionen Rubel Kredit, zusammen
129,2 Millionen Rubel Kredit. Diesen stehen für 1884 84,3 Millionen Rubel
Kredit Reineinnahmen gegenüber. Es ergiebt sich somit ein Fehlbetrag von
45 Millionen Rubel Kredit oder 53 Prozent der Reineinnahmen, welche der
Staat zum größten Teil in Form von Bürgschaftszuschüsfen aus seinen Mitteln
zu decken hatte.

Die vorstehende Berechnung des wirklichen Wertes der russischen Eisen¬
bahnen ist dem Buche "Die finanziellen Beziehungen des Staates zu den Privat-
eiscubahngcsellschaften in Nußland" von P. I. Georgiewsli (Se. Petersburg,
1887) entnommen, das bei seinem Erscheinen großes Aufsehen erregt hat.
Den Inhabern russischer Eisenbahnwertpapiere zeigt es, wie geringfügig die
Deckung ist, welche sie in dem Werte der Bahnen selbst finden, wenn es zur
Auflösung oder vor Ablauf der Konzession zum Ankauf der Bahn durch den
Staat kommen sollte. Das Ankaufsrecht des Staates ist fast in allen Bahn-
statnten gleichmäßig festgestellt, und zwar gilt als Kaufpreis der Durchschnitts-
reingcwinn der fünf besten unter den letzten sieben Jahren, doch darf dieser
Preis nicht niedriger sein, als der Reingewinn des letzten der erwähnten sieben
Jahre und auch uicht niedriger, als die von dem Staate jährlich verbürgte
Summe. Die Kapitalisnung dieses Preises mit fünf Prozent für die noch
nicht verflossene Zeit bis zum Ablauf der Konzession bildet die Schuld des
Staates an die Gesellschaft, welche in fünfprozentigen Staatsobligationen in
Pfund Sterling, holländischen Gulden, Thalern oder Franks al xg-ri, mit einer
von der Regierung zu wählenden Tilgungsform, gezahlt wird.")

4. Die Qualifikation der Papiere als Aktien oder Obligationen.
Die rechtliche Natur beider Kapitalanlagcarten wird auch nach der russischen
Gesetzgebung im großen und ganzen "ach denselben Grundsätzen zu beurteilen
sein wie in Deutschland. Für die Aktien bestehen besondre Gesetze, welche denen
des Auslandes ähnlich sind. Für Obligationen dagegen, in dem Sinne, in
welchem das Wort in Nußland verstanden wird, bestehen keine besondern gesetz¬
lichen Bestimmungen. Der Ausdruck ist vom Auslande übernommen, und es
wird ihm wirtschaftlich die Bedeutung wie im Auslande untergelegt. Im ge¬
richtlichen Streitfälle wird die Obligation dagegen als einfacher Schuldschein
zu behandeln sein, und der durch die Obligation begründeten Schuld nur in
dem Falle eine Priorität zuerkannt werden, wenn solche durch Spczialgcsetz aus¬
drücklich festgesetzt ist.

Von dem Anlagekapital der russischen Privateisenbahnen kommen im Durch¬
schnitt ein Viertel auf die Aktien und drei Viertel auf die Obligationen, ein



*) Für die einzelnen Bahnen sind die Bestmunungen über das Ankcmfsrccht des Staates
in Stephcmitz' "Russischen Eisenbahn Wertpapieren" nach dein Wortlaute der Statuten wieder¬
gegeben.
Die Finanzlage der russischen Eisenbahnen.

gegeben 95,6 Millionen Rubel Kredit, an Zinsen für die vom Staate den
Eisenbahnen vorgestreckten Summen 33,6 Millionen Rubel Kredit, zusammen
129,2 Millionen Rubel Kredit. Diesen stehen für 1884 84,3 Millionen Rubel
Kredit Reineinnahmen gegenüber. Es ergiebt sich somit ein Fehlbetrag von
45 Millionen Rubel Kredit oder 53 Prozent der Reineinnahmen, welche der
Staat zum größten Teil in Form von Bürgschaftszuschüsfen aus seinen Mitteln
zu decken hatte.

Die vorstehende Berechnung des wirklichen Wertes der russischen Eisen¬
bahnen ist dem Buche „Die finanziellen Beziehungen des Staates zu den Privat-
eiscubahngcsellschaften in Nußland" von P. I. Georgiewsli (Se. Petersburg,
1887) entnommen, das bei seinem Erscheinen großes Aufsehen erregt hat.
Den Inhabern russischer Eisenbahnwertpapiere zeigt es, wie geringfügig die
Deckung ist, welche sie in dem Werte der Bahnen selbst finden, wenn es zur
Auflösung oder vor Ablauf der Konzession zum Ankauf der Bahn durch den
Staat kommen sollte. Das Ankaufsrecht des Staates ist fast in allen Bahn-
statnten gleichmäßig festgestellt, und zwar gilt als Kaufpreis der Durchschnitts-
reingcwinn der fünf besten unter den letzten sieben Jahren, doch darf dieser
Preis nicht niedriger sein, als der Reingewinn des letzten der erwähnten sieben
Jahre und auch uicht niedriger, als die von dem Staate jährlich verbürgte
Summe. Die Kapitalisnung dieses Preises mit fünf Prozent für die noch
nicht verflossene Zeit bis zum Ablauf der Konzession bildet die Schuld des
Staates an die Gesellschaft, welche in fünfprozentigen Staatsobligationen in
Pfund Sterling, holländischen Gulden, Thalern oder Franks al xg-ri, mit einer
von der Regierung zu wählenden Tilgungsform, gezahlt wird.")

4. Die Qualifikation der Papiere als Aktien oder Obligationen.
Die rechtliche Natur beider Kapitalanlagcarten wird auch nach der russischen
Gesetzgebung im großen und ganzen »ach denselben Grundsätzen zu beurteilen
sein wie in Deutschland. Für die Aktien bestehen besondre Gesetze, welche denen
des Auslandes ähnlich sind. Für Obligationen dagegen, in dem Sinne, in
welchem das Wort in Nußland verstanden wird, bestehen keine besondern gesetz¬
lichen Bestimmungen. Der Ausdruck ist vom Auslande übernommen, und es
wird ihm wirtschaftlich die Bedeutung wie im Auslande untergelegt. Im ge¬
richtlichen Streitfälle wird die Obligation dagegen als einfacher Schuldschein
zu behandeln sein, und der durch die Obligation begründeten Schuld nur in
dem Falle eine Priorität zuerkannt werden, wenn solche durch Spczialgcsetz aus¬
drücklich festgesetzt ist.

Von dem Anlagekapital der russischen Privateisenbahnen kommen im Durch¬
schnitt ein Viertel auf die Aktien und drei Viertel auf die Obligationen, ein



*) Für die einzelnen Bahnen sind die Bestmunungen über das Ankcmfsrccht des Staates
in Stephcmitz' „Russischen Eisenbahn Wertpapieren" nach dein Wortlaute der Statuten wieder¬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/88>, abgerufen am 16.06.2024.