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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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von der' Nordlandfahrt bis zur Romfahrt.

Parteigänger in Deutschland aber hoben besonders eines als sein großes Verdienst
hervor, daß er es ermöglicht habe, daß Kronprinz Friedrich auf den Thron ge¬
kommen sei. or. Barth schrieb in der "Nation," es sei vom höchstem Interesse ge¬
wesen, den Kronprinzen Friedrich Wilhelm, sei es auch nur auf einen Tag, auf den
Thron steigen zu lassen. Daß dies Mackenzie ermöglicht habe, die deutschen
Ärzte es nicht viel besser ermöglicht haben würden, weiß außer dem englischen
Charlatan nur die Fortschrittspresse. Aber angenommen, es sei so: war es
im Interesse des bedauernswürdigen Kranken, daß er mit den widerwärtigsten
und häßlichsten Streitigkeiten der Parteien beladen wurde? Oder war es im
Interesse des Staates, daß alle Parteien sich um seinen Besitz zankten und die
Feinde ringsum auf die durch das viele Elend und den Jammer zur Schwäche
gewordene Gutmütigkeit rechneten? Was im Interesse einer wenig patriotischen
Partei und in dem von Her ssraoious N^s8^ ok Vreat-Lriwin war, das war
doch darum nicht "von höchstem Interesse."

Gegenüber dem Fortschritt, der mit der Anstrengung eines Spielers, der
sich verrechnet hat, seine Verlorne Stellung wieder zu gewinnen sucht, sollten
doch die patriotischen Parteien sich hüten, kleinlichen Streitigkeiten unter sich
Raum zu geben. Sie thaten das aber, und zwar angesichts der bevorstehenden
Laudtagswahlen. Die heftigen Kämpfe, die zwischen den Konservativen von
Rauchhaupts Farbe und den Natioualliberalen eintraten, erregten die Herzens¬
lust des Freisinns und der Ultramontanen. Die Nationalliberalen, besonders
in Hannover, fingen an, auf selbständiges Vorgehen zu denken, und die Kreuz¬
zeitung sowie der Reichsbote gingen hastig auf das Thema ein. Sie stellten,
Wenns hoch kam, das beliebte "Getrennt marschiren, vereinigt schlagen" auf.
Dieser Grundsatz ist für politische Dinge deshalb nicht zu brauchen, weil, wenn
die Parteien sich einmal zum marschiren getrennt haben, sie auch zum schlagen
sich schwer vereinigen lassen. Es fehlt da das einheitliche Kommando. Dagegen
bleibt von den Wahlen her die Erbitterung der Parteien und schwächt den guten
Willen da, wo alles ans einen solchen ankommt. Die "norddeutsche" hatte ganz
Recht, wenn sie sich in Bezug auf die Kartellfrage dahin äußerte, daß die Re¬
gierung die Majorität der nationalen Parteien für sich haben müsse, die nur
zu erlangen sei, wenn diese sich nicht unter einander bekämpften. "Eine Majorität
auf Basis der konservativen Partei allein herzustellen, ist nach Lage der Verhältnisse
unmöglich. Eine Majorität ist eben nur zu erreichen entweder mit dem Zentrum
oder mit der natioualliberalen und freikonservativen Partei. Für die Regierung
ist es einfach unmöglich, sich auf eine Majorität zu stützen, deren Bestand in das
Belieben Windthorsts gestellt wäre." Daß die Negierung gar nicht in der
Lage ist, eine Auswahl unter den Parteien zu treffen, wenn sie sich nicht
Windthorst und den ihm anhängenden Elementen in die Arme werfen will, dem
sollten doch die nationalen Parteien, von denen man so viel Zucht fordern muß,
daß sie das staatliche Interesse über das der Parteien stellen, Rechnung tragen.


von der' Nordlandfahrt bis zur Romfahrt.

Parteigänger in Deutschland aber hoben besonders eines als sein großes Verdienst
hervor, daß er es ermöglicht habe, daß Kronprinz Friedrich auf den Thron ge¬
kommen sei. or. Barth schrieb in der „Nation," es sei vom höchstem Interesse ge¬
wesen, den Kronprinzen Friedrich Wilhelm, sei es auch nur auf einen Tag, auf den
Thron steigen zu lassen. Daß dies Mackenzie ermöglicht habe, die deutschen
Ärzte es nicht viel besser ermöglicht haben würden, weiß außer dem englischen
Charlatan nur die Fortschrittspresse. Aber angenommen, es sei so: war es
im Interesse des bedauernswürdigen Kranken, daß er mit den widerwärtigsten
und häßlichsten Streitigkeiten der Parteien beladen wurde? Oder war es im
Interesse des Staates, daß alle Parteien sich um seinen Besitz zankten und die
Feinde ringsum auf die durch das viele Elend und den Jammer zur Schwäche
gewordene Gutmütigkeit rechneten? Was im Interesse einer wenig patriotischen
Partei und in dem von Her ssraoious N^s8^ ok Vreat-Lriwin war, das war
doch darum nicht „von höchstem Interesse."

Gegenüber dem Fortschritt, der mit der Anstrengung eines Spielers, der
sich verrechnet hat, seine Verlorne Stellung wieder zu gewinnen sucht, sollten
doch die patriotischen Parteien sich hüten, kleinlichen Streitigkeiten unter sich
Raum zu geben. Sie thaten das aber, und zwar angesichts der bevorstehenden
Laudtagswahlen. Die heftigen Kämpfe, die zwischen den Konservativen von
Rauchhaupts Farbe und den Natioualliberalen eintraten, erregten die Herzens¬
lust des Freisinns und der Ultramontanen. Die Nationalliberalen, besonders
in Hannover, fingen an, auf selbständiges Vorgehen zu denken, und die Kreuz¬
zeitung sowie der Reichsbote gingen hastig auf das Thema ein. Sie stellten,
Wenns hoch kam, das beliebte „Getrennt marschiren, vereinigt schlagen" auf.
Dieser Grundsatz ist für politische Dinge deshalb nicht zu brauchen, weil, wenn
die Parteien sich einmal zum marschiren getrennt haben, sie auch zum schlagen
sich schwer vereinigen lassen. Es fehlt da das einheitliche Kommando. Dagegen
bleibt von den Wahlen her die Erbitterung der Parteien und schwächt den guten
Willen da, wo alles ans einen solchen ankommt. Die „norddeutsche" hatte ganz
Recht, wenn sie sich in Bezug auf die Kartellfrage dahin äußerte, daß die Re¬
gierung die Majorität der nationalen Parteien für sich haben müsse, die nur
zu erlangen sei, wenn diese sich nicht unter einander bekämpften. „Eine Majorität
auf Basis der konservativen Partei allein herzustellen, ist nach Lage der Verhältnisse
unmöglich. Eine Majorität ist eben nur zu erreichen entweder mit dem Zentrum
oder mit der natioualliberalen und freikonservativen Partei. Für die Regierung
ist es einfach unmöglich, sich auf eine Majorität zu stützen, deren Bestand in das
Belieben Windthorsts gestellt wäre." Daß die Negierung gar nicht in der
Lage ist, eine Auswahl unter den Parteien zu treffen, wenn sie sich nicht
Windthorst und den ihm anhängenden Elementen in die Arme werfen will, dem
sollten doch die nationalen Parteien, von denen man so viel Zucht fordern muß,
daß sie das staatliche Interesse über das der Parteien stellen, Rechnung tragen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/202>, abgerufen am 24.05.2024.