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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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muß ihre Arbeit von vorn beginnen, vorher aber Sorge tragen, daß sie sich
dabei auf eine bewaffnete Macht stützen kann, deren Mannschaften aus fremden,
vom Arcibertum nicht beeinflußten Afrikanern und anderen an tropisches Klima
gewöhnten Leuten zusammenzusetzen sind. Deutsche Sccsoldaten können dazu
nicht hergegeben werden. Dagegen könnte vielleicht vom Reiche eine Beihilfe
zur Errichtung dieser Truppe zu erlangen sein und zwar in Gestalt eines
von einem bestimmten Datum an und in gewissen Fristen abzutragenden Dar¬
lehens. Von der Küste schreitet sodann die deutsche Kulturarbeit unter dem
Schutze der Soldaten oder Polizeidiener der Gesellschaft mit Anlegung von
Plantagen und kleinen Forts planmäßig nach dem Innern vor, und daneben
müssen die großen Handelsstraßen nach dem Viktoria Nyansa- und Tanganyika-
See gesichert werden. Sobald ferner die Ruhe im Lande einigermaßen
wiederhergestellt und für die nächste Zukunft befestigt ist, muß eine starke und
wohlausgerüstete Expedition den Weg nach Wadelai antreten, um Emin Pascha
Hilfe in seiner Not zu bringen, die deutsche Macht der Bevölkerung im fernen
Innern zu zeige" und den dortigen Arabern Achtung und Furcht einzuflößen.
Was diese Expedition betrifft, so wird man gespannt sein dürfen, wie sich die
Engländer zur Anwerbung von Leuten dafür verhalten werden. Seit Jahr¬
zehnten haben die Unternehmer solcher Expeditionen von der Ostküste nach dem
Innern ihre Soldaten und Träger in Sansibar angeworben, und niemand hat
darüber Beschwerde erhoben. Neuerdings aber, nachdem Engländer in Ostafrika
selbst ein Gebiet erworben und eine Gesellschaft zur Ausbeutung desselben ge¬
gründet hatten, die viele Arbeiter braucht, haben sie die Behauptung aufgestellt,
daß solche Anwerbungen dem Sklavenhandel gleich zu achten wären, und einem belgi¬
schen Schiffe eine Anzahl solcher Rekruten entführt. Sollte derartiges bei den jetzt
bevorstehenden Werbungen geschehen, so wird Deutschland hoffentlich Widerspruch
dagegen erheben. Wenn das Deutsche Reich für Beschaffung der Kosten einer
Kolonialtruppe sorgen hilft, so ist die Rückerstattung seines Beitrages durch die
Zölle der fünf Vertragshäfen gnügeud gesichert. Von der Wiedergewinnung
dieser Plätze durch die kaiserliche Manne ist in der Abmachung zwischen Deutsch¬
land und England, wie sie der "Reichsanzeiger" mitteilte, nicht die Rede, doch
könnte ein geheimer Nachtrag oder eine solche Klausel von ihr handeln.

Die Generalversammlung der deutschen Plantagengcsellschaft in Ostafrika,
die am 23. November d. I. in Berlin zusammentrat, faßte auf Antrag ihres
Vorsitzenden den Beschluß, das ihr verloren gegangene Festland von Usambara
durch Selbsthilfe wieder zu gewinnen und die hier unterbrochenen Pflanzerarbeiten
energisch wieder aufzunehmen. In Bezug auf die Expedition zur Befreiung
Emin Paschas, die hiermit in Verbindung steht, waren die Meinungen geteilt;
man beschloß zuletzt, in einer Anfang des nächsten Jahres zu berufenden außer¬
ordentlichen Generalversammlung eine Entscheidung herbeizuführen. Es handelt
sich dabei zuvörderst um die Frage, ob der zum Führer dieser Expedition ge"


muß ihre Arbeit von vorn beginnen, vorher aber Sorge tragen, daß sie sich
dabei auf eine bewaffnete Macht stützen kann, deren Mannschaften aus fremden,
vom Arcibertum nicht beeinflußten Afrikanern und anderen an tropisches Klima
gewöhnten Leuten zusammenzusetzen sind. Deutsche Sccsoldaten können dazu
nicht hergegeben werden. Dagegen könnte vielleicht vom Reiche eine Beihilfe
zur Errichtung dieser Truppe zu erlangen sein und zwar in Gestalt eines
von einem bestimmten Datum an und in gewissen Fristen abzutragenden Dar¬
lehens. Von der Küste schreitet sodann die deutsche Kulturarbeit unter dem
Schutze der Soldaten oder Polizeidiener der Gesellschaft mit Anlegung von
Plantagen und kleinen Forts planmäßig nach dem Innern vor, und daneben
müssen die großen Handelsstraßen nach dem Viktoria Nyansa- und Tanganyika-
See gesichert werden. Sobald ferner die Ruhe im Lande einigermaßen
wiederhergestellt und für die nächste Zukunft befestigt ist, muß eine starke und
wohlausgerüstete Expedition den Weg nach Wadelai antreten, um Emin Pascha
Hilfe in seiner Not zu bringen, die deutsche Macht der Bevölkerung im fernen
Innern zu zeige» und den dortigen Arabern Achtung und Furcht einzuflößen.
Was diese Expedition betrifft, so wird man gespannt sein dürfen, wie sich die
Engländer zur Anwerbung von Leuten dafür verhalten werden. Seit Jahr¬
zehnten haben die Unternehmer solcher Expeditionen von der Ostküste nach dem
Innern ihre Soldaten und Träger in Sansibar angeworben, und niemand hat
darüber Beschwerde erhoben. Neuerdings aber, nachdem Engländer in Ostafrika
selbst ein Gebiet erworben und eine Gesellschaft zur Ausbeutung desselben ge¬
gründet hatten, die viele Arbeiter braucht, haben sie die Behauptung aufgestellt,
daß solche Anwerbungen dem Sklavenhandel gleich zu achten wären, und einem belgi¬
schen Schiffe eine Anzahl solcher Rekruten entführt. Sollte derartiges bei den jetzt
bevorstehenden Werbungen geschehen, so wird Deutschland hoffentlich Widerspruch
dagegen erheben. Wenn das Deutsche Reich für Beschaffung der Kosten einer
Kolonialtruppe sorgen hilft, so ist die Rückerstattung seines Beitrages durch die
Zölle der fünf Vertragshäfen gnügeud gesichert. Von der Wiedergewinnung
dieser Plätze durch die kaiserliche Manne ist in der Abmachung zwischen Deutsch¬
land und England, wie sie der „Reichsanzeiger" mitteilte, nicht die Rede, doch
könnte ein geheimer Nachtrag oder eine solche Klausel von ihr handeln.

Die Generalversammlung der deutschen Plantagengcsellschaft in Ostafrika,
die am 23. November d. I. in Berlin zusammentrat, faßte auf Antrag ihres
Vorsitzenden den Beschluß, das ihr verloren gegangene Festland von Usambara
durch Selbsthilfe wieder zu gewinnen und die hier unterbrochenen Pflanzerarbeiten
energisch wieder aufzunehmen. In Bezug auf die Expedition zur Befreiung
Emin Paschas, die hiermit in Verbindung steht, waren die Meinungen geteilt;
man beschloß zuletzt, in einer Anfang des nächsten Jahres zu berufenden außer¬
ordentlichen Generalversammlung eine Entscheidung herbeizuführen. Es handelt
sich dabei zuvörderst um die Frage, ob der zum Führer dieser Expedition ge«


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[0543] muß ihre Arbeit von vorn beginnen, vorher aber Sorge tragen, daß sie sich dabei auf eine bewaffnete Macht stützen kann, deren Mannschaften aus fremden, vom Arcibertum nicht beeinflußten Afrikanern und anderen an tropisches Klima gewöhnten Leuten zusammenzusetzen sind. Deutsche Sccsoldaten können dazu nicht hergegeben werden. Dagegen könnte vielleicht vom Reiche eine Beihilfe zur Errichtung dieser Truppe zu erlangen sein und zwar in Gestalt eines von einem bestimmten Datum an und in gewissen Fristen abzutragenden Dar¬ lehens. Von der Küste schreitet sodann die deutsche Kulturarbeit unter dem Schutze der Soldaten oder Polizeidiener der Gesellschaft mit Anlegung von Plantagen und kleinen Forts planmäßig nach dem Innern vor, und daneben müssen die großen Handelsstraßen nach dem Viktoria Nyansa- und Tanganyika- See gesichert werden. Sobald ferner die Ruhe im Lande einigermaßen wiederhergestellt und für die nächste Zukunft befestigt ist, muß eine starke und wohlausgerüstete Expedition den Weg nach Wadelai antreten, um Emin Pascha Hilfe in seiner Not zu bringen, die deutsche Macht der Bevölkerung im fernen Innern zu zeige» und den dortigen Arabern Achtung und Furcht einzuflößen. Was diese Expedition betrifft, so wird man gespannt sein dürfen, wie sich die Engländer zur Anwerbung von Leuten dafür verhalten werden. Seit Jahr¬ zehnten haben die Unternehmer solcher Expeditionen von der Ostküste nach dem Innern ihre Soldaten und Träger in Sansibar angeworben, und niemand hat darüber Beschwerde erhoben. Neuerdings aber, nachdem Engländer in Ostafrika selbst ein Gebiet erworben und eine Gesellschaft zur Ausbeutung desselben ge¬ gründet hatten, die viele Arbeiter braucht, haben sie die Behauptung aufgestellt, daß solche Anwerbungen dem Sklavenhandel gleich zu achten wären, und einem belgi¬ schen Schiffe eine Anzahl solcher Rekruten entführt. Sollte derartiges bei den jetzt bevorstehenden Werbungen geschehen, so wird Deutschland hoffentlich Widerspruch dagegen erheben. Wenn das Deutsche Reich für Beschaffung der Kosten einer Kolonialtruppe sorgen hilft, so ist die Rückerstattung seines Beitrages durch die Zölle der fünf Vertragshäfen gnügeud gesichert. Von der Wiedergewinnung dieser Plätze durch die kaiserliche Manne ist in der Abmachung zwischen Deutsch¬ land und England, wie sie der „Reichsanzeiger" mitteilte, nicht die Rede, doch könnte ein geheimer Nachtrag oder eine solche Klausel von ihr handeln. Die Generalversammlung der deutschen Plantagengcsellschaft in Ostafrika, die am 23. November d. I. in Berlin zusammentrat, faßte auf Antrag ihres Vorsitzenden den Beschluß, das ihr verloren gegangene Festland von Usambara durch Selbsthilfe wieder zu gewinnen und die hier unterbrochenen Pflanzerarbeiten energisch wieder aufzunehmen. In Bezug auf die Expedition zur Befreiung Emin Paschas, die hiermit in Verbindung steht, waren die Meinungen geteilt; man beschloß zuletzt, in einer Anfang des nächsten Jahres zu berufenden außer¬ ordentlichen Generalversammlung eine Entscheidung herbeizuführen. Es handelt sich dabei zuvörderst um die Frage, ob der zum Führer dieser Expedition ge«

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/543>, abgerufen am 16.06.2024.