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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Die Gartenkunst.

zu ihrem Rechte kommen. Es ist eben so sehr Lehrbuch für den Gärtner, wie
für den Gartenfreund und den Künstler.

Etwa das erste Drittel des Buches nimmt die Geschichte der Gartenkunst
ein. Vom alten Griechenland ist wenig zu sagen, die Erwähnung der Gärten
des Alkinoos und der Kalypso in der Odyssee geben nur unbestimmte Vorstel¬
lungen. Ägyptische Denkmäler lassen schon die regelmäßigen Baumpflanzungen
um Wasserbecken, niedrige Pergolen und andre Kulturvorrichtungen erkennen,
und die verhältnismäßige UnVeränderlichkeit orientalischer Einrichtungen gestattet
Rückschlüsse von den persischen, indischen und andern Anlagen, die sich bis jetzt
erhalten haben, auf solche vor Jahrtausenden zu machen. Hier übt noch durch¬
weg die stilistische Richtung die Alleinherrschaft aus, und der Plan eines orien¬
talischen Gartens, entworfen von Meyer, ähnelt mit dem allmählichen Aufsteigen
von Wasserspiegeln und Blumenbeeten zu Gesträuchen und abschließendem
Baumdickicht eben so sehr den Gärten der Renaissance wie den holländischen
und andern aus dem vorigen Jahrhundert. Die Eigentümlichkeit der chinesischen
Gärten mit ihren künstlichen Felsen und vielfach überbrückten Wasserläufen
leitet Ernouf von dem Bemühen der Einwanderer her, sich ein Bild ihrer ge¬
birgigen Heimat im Kleinen ciufzubaueu. Auf jeden Fall liefern sie und nach
ihnen die Japaner das erste Beispiel der naturalistischen Richtung oder des
saräiv irresulisr. Über den Garten der Römer sind wir durch Wandmalereien
und durch die Rekonstruktion von antiken Villen so ziemlich unterrichtet. Nur,
eine bestimmte Zahl von Bäumen scheint in Verwendung gekommen zu sein
Platanen, Pappeln, Maulbeer- und Feigenbäume, Cypressen, Pinien; die be¬
liebteste Blume war die Rose, die man derart zwischen Lorber zog, daß sie für
Blüten dieses stachelfreien Strauches gehalten werden konnten. Auch wurden
Blumen künstlich gefärbt und in Warmhäusern zur Winterblüte gezwungen. Die
Anlagen setzten gewissermaßen die Architektur im Freien fort, waren aber bei
ihrem monumentalen Charakter doch so wenig wie die Gebäude selbst streng an
Symmetrie gebunden.

Diese kommt zur vollen Herrschaft im Mittelalter, während unverkennbar
mancherlei aus dem Altertume, z. B. die grünen Labyrinthe, sich daneben er¬
halten hat. Der Herzog von Bedford als Regent von Frankreich im Namen
Heinrichs VI. ließ 1431 den Garten des Hotel des Tournelles in der Straße
Se. Antoine vollständig umwandeln, und dabei mußten die Hecken eines "Hauses
des Dädalus" den neu eingeführten Obst- und Zierbäumen Platz machen.

Mit der Genialität, die aus den Trümmern der römischen Architektur einen
neuen Baustil erstehen ließ, schuf die italienische Renaissance auch den neuen
Garten, antike Traditionen mit den Anforderungen der modernen Zeit verbin¬
dend. Durch Benutzung der natürlichen Verschiedenheiten in den Höhenverhält¬
nissen des Bodens oder in deren Ermangelung durch künstlichen Ersatz wurde
die größte Mannichfaltigkeit der Ausblicke gewonnen von Terrassen und


Die Gartenkunst.

zu ihrem Rechte kommen. Es ist eben so sehr Lehrbuch für den Gärtner, wie
für den Gartenfreund und den Künstler.

Etwa das erste Drittel des Buches nimmt die Geschichte der Gartenkunst
ein. Vom alten Griechenland ist wenig zu sagen, die Erwähnung der Gärten
des Alkinoos und der Kalypso in der Odyssee geben nur unbestimmte Vorstel¬
lungen. Ägyptische Denkmäler lassen schon die regelmäßigen Baumpflanzungen
um Wasserbecken, niedrige Pergolen und andre Kulturvorrichtungen erkennen,
und die verhältnismäßige UnVeränderlichkeit orientalischer Einrichtungen gestattet
Rückschlüsse von den persischen, indischen und andern Anlagen, die sich bis jetzt
erhalten haben, auf solche vor Jahrtausenden zu machen. Hier übt noch durch¬
weg die stilistische Richtung die Alleinherrschaft aus, und der Plan eines orien¬
talischen Gartens, entworfen von Meyer, ähnelt mit dem allmählichen Aufsteigen
von Wasserspiegeln und Blumenbeeten zu Gesträuchen und abschließendem
Baumdickicht eben so sehr den Gärten der Renaissance wie den holländischen
und andern aus dem vorigen Jahrhundert. Die Eigentümlichkeit der chinesischen
Gärten mit ihren künstlichen Felsen und vielfach überbrückten Wasserläufen
leitet Ernouf von dem Bemühen der Einwanderer her, sich ein Bild ihrer ge¬
birgigen Heimat im Kleinen ciufzubaueu. Auf jeden Fall liefern sie und nach
ihnen die Japaner das erste Beispiel der naturalistischen Richtung oder des
saräiv irresulisr. Über den Garten der Römer sind wir durch Wandmalereien
und durch die Rekonstruktion von antiken Villen so ziemlich unterrichtet. Nur,
eine bestimmte Zahl von Bäumen scheint in Verwendung gekommen zu sein
Platanen, Pappeln, Maulbeer- und Feigenbäume, Cypressen, Pinien; die be¬
liebteste Blume war die Rose, die man derart zwischen Lorber zog, daß sie für
Blüten dieses stachelfreien Strauches gehalten werden konnten. Auch wurden
Blumen künstlich gefärbt und in Warmhäusern zur Winterblüte gezwungen. Die
Anlagen setzten gewissermaßen die Architektur im Freien fort, waren aber bei
ihrem monumentalen Charakter doch so wenig wie die Gebäude selbst streng an
Symmetrie gebunden.

Diese kommt zur vollen Herrschaft im Mittelalter, während unverkennbar
mancherlei aus dem Altertume, z. B. die grünen Labyrinthe, sich daneben er¬
halten hat. Der Herzog von Bedford als Regent von Frankreich im Namen
Heinrichs VI. ließ 1431 den Garten des Hotel des Tournelles in der Straße
Se. Antoine vollständig umwandeln, und dabei mußten die Hecken eines „Hauses
des Dädalus" den neu eingeführten Obst- und Zierbäumen Platz machen.

Mit der Genialität, die aus den Trümmern der römischen Architektur einen
neuen Baustil erstehen ließ, schuf die italienische Renaissance auch den neuen
Garten, antike Traditionen mit den Anforderungen der modernen Zeit verbin¬
dend. Durch Benutzung der natürlichen Verschiedenheiten in den Höhenverhält¬
nissen des Bodens oder in deren Ermangelung durch künstlichen Ersatz wurde
die größte Mannichfaltigkeit der Ausblicke gewonnen von Terrassen und


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[0380] Die Gartenkunst. zu ihrem Rechte kommen. Es ist eben so sehr Lehrbuch für den Gärtner, wie für den Gartenfreund und den Künstler. Etwa das erste Drittel des Buches nimmt die Geschichte der Gartenkunst ein. Vom alten Griechenland ist wenig zu sagen, die Erwähnung der Gärten des Alkinoos und der Kalypso in der Odyssee geben nur unbestimmte Vorstel¬ lungen. Ägyptische Denkmäler lassen schon die regelmäßigen Baumpflanzungen um Wasserbecken, niedrige Pergolen und andre Kulturvorrichtungen erkennen, und die verhältnismäßige UnVeränderlichkeit orientalischer Einrichtungen gestattet Rückschlüsse von den persischen, indischen und andern Anlagen, die sich bis jetzt erhalten haben, auf solche vor Jahrtausenden zu machen. Hier übt noch durch¬ weg die stilistische Richtung die Alleinherrschaft aus, und der Plan eines orien¬ talischen Gartens, entworfen von Meyer, ähnelt mit dem allmählichen Aufsteigen von Wasserspiegeln und Blumenbeeten zu Gesträuchen und abschließendem Baumdickicht eben so sehr den Gärten der Renaissance wie den holländischen und andern aus dem vorigen Jahrhundert. Die Eigentümlichkeit der chinesischen Gärten mit ihren künstlichen Felsen und vielfach überbrückten Wasserläufen leitet Ernouf von dem Bemühen der Einwanderer her, sich ein Bild ihrer ge¬ birgigen Heimat im Kleinen ciufzubaueu. Auf jeden Fall liefern sie und nach ihnen die Japaner das erste Beispiel der naturalistischen Richtung oder des saräiv irresulisr. Über den Garten der Römer sind wir durch Wandmalereien und durch die Rekonstruktion von antiken Villen so ziemlich unterrichtet. Nur, eine bestimmte Zahl von Bäumen scheint in Verwendung gekommen zu sein Platanen, Pappeln, Maulbeer- und Feigenbäume, Cypressen, Pinien; die be¬ liebteste Blume war die Rose, die man derart zwischen Lorber zog, daß sie für Blüten dieses stachelfreien Strauches gehalten werden konnten. Auch wurden Blumen künstlich gefärbt und in Warmhäusern zur Winterblüte gezwungen. Die Anlagen setzten gewissermaßen die Architektur im Freien fort, waren aber bei ihrem monumentalen Charakter doch so wenig wie die Gebäude selbst streng an Symmetrie gebunden. Diese kommt zur vollen Herrschaft im Mittelalter, während unverkennbar mancherlei aus dem Altertume, z. B. die grünen Labyrinthe, sich daneben er¬ halten hat. Der Herzog von Bedford als Regent von Frankreich im Namen Heinrichs VI. ließ 1431 den Garten des Hotel des Tournelles in der Straße Se. Antoine vollständig umwandeln, und dabei mußten die Hecken eines „Hauses des Dädalus" den neu eingeführten Obst- und Zierbäumen Platz machen. Mit der Genialität, die aus den Trümmern der römischen Architektur einen neuen Baustil erstehen ließ, schuf die italienische Renaissance auch den neuen Garten, antike Traditionen mit den Anforderungen der modernen Zeit verbin¬ dend. Durch Benutzung der natürlichen Verschiedenheiten in den Höhenverhält¬ nissen des Bodens oder in deren Ermangelung durch künstlichen Ersatz wurde die größte Mannichfaltigkeit der Ausblicke gewonnen von Terrassen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/380>, abgerufen am 17.06.2024.