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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Aus dem Lebe" Kaiser Wilhelms.

seine Gegner lassen, wenn sie ihn sonst auch ziemlich tief stellen: er besitzt die
Gabe, so weit sein Verständnis und sein Interesse reicht, vortrefflich zu beob¬
achten, er hat reichlich Gelegenheit gehabt, diese Fähigkeit zu benutzen, und er
hat sie mit unendlichem Fleiße und so gutem Erfolge benutzt, daß seine Mit¬
teilungen bei weitem zum größern Teile geeignet sind, das Charakterbild des
Kaisers, wie es nach andern Berichten vor uns steht, zu ergänzen und ihn uns
namentlich als Menschen wesentlich näher zu bringen. Wenn sein Buch an
manchen Stellen aussieht, als erzähle es uns nicht sowohl aus dem Leben des
Kaisers Wilhelm, als vielmehr aus dem Leben des Hofrates Schneider, so
nehmen wir das im Hinblick auf seine andern guten Eigenschaften gern mit in
den Kauf, zumal da dies teilweise kaum zu umgehen war; seine wiederholt sich
andeutende Abneigung gegen Fürst Bismarck, seine starke Vorliebe für russische
Dinge und Persönlichkeiten, die uns nicht sympathisch sind, sein Ordensbedürfnis
zieren ihn nicht, aber es muß am Ende auch solche Käuze geben. Noch manches andre
ließe sich aussetzen, aber wir ziehen es vor, die Schattenseiten zu verschweigen
und uns an das viele Gute zu halten, das wir in dem Werke vor uns haben.

Schneider hat dem Kaiser sehr nahe gestanden, wenn auch in untergeord¬
neter Stellung, so doch in einer solchen, in der ihm auch in Bezug auf höhere
Angelegenheiten bisweilen Vertrauen geschenkt wurde. Durch seinen strammen
preußischen Patriotismus und seine eifrige Königstreue mitten in der demokra¬
tischen Sintflut, noch mehr aber dnrch sein starkes Interesse an militärischen
Angelegenheiten und dessen Bethätigung im "Soldatcnfreund" und in der "Wehr¬
zeitung" empfahl er sich dem Kaiser schon, als dieser noch Prinz von Preußen
war, so sehr, daß er ihn gelegentlich benutzte, seine Ansichten unter die Leute
zu bringen. Später kam er als sein Vorleser und Privatbibliothelar ständig
in seine Umgebung und hatte das Glück, ihm zu den Feldzügen in Böhmen und
Frankreich folgen zu dürfen, was ihn in den Stand setzte, eine größere Anzahl
von Äußerungen und Gewohnheiten des Monarchen als Augen- und Ohrenzeuge
oder sonstwie zuverlässig zu erfahren und für die Geschichte zu sammeln. Aus
diesem Notizenschatze ist das vorliegende Buch entstanden, und aus diesem wieder
entnehmen wir mit Hinweglassun g alles minder Wichtigen und bereits sattsam
Bekannten, sowie mit Zusammenziehung weitschweifiger Stellen und Glättung
des unbeholfenen, oft liederlichen Vielschreiberstils die folgenden Mitteilungen.
Es sind, wie man sehen wird, lediglich solche, die den Kaiser selbst zeichnen.
Den übrigen Inhalt mögen unsre Leser in dem Buche selbst nachsehen; es be¬
findet sich noch viel Wissenswertes und Hübsches darunter, wir wollen aber
nicht unbescheiden sein und uns innerhalb des Nahmens halten, der mit der
Überschrift des Berichtes gegeben ist.

Nach einer Audienz, die Schneider während der Beratungen über die an¬
geblich endgiltige preußische Verfassung mit dem damaligen Prinzen von Preußen
hatte, äußerte jener im Hinblick auf die weitgehenden Forderungen der Oppo-


Aus dem Lebe» Kaiser Wilhelms.

seine Gegner lassen, wenn sie ihn sonst auch ziemlich tief stellen: er besitzt die
Gabe, so weit sein Verständnis und sein Interesse reicht, vortrefflich zu beob¬
achten, er hat reichlich Gelegenheit gehabt, diese Fähigkeit zu benutzen, und er
hat sie mit unendlichem Fleiße und so gutem Erfolge benutzt, daß seine Mit¬
teilungen bei weitem zum größern Teile geeignet sind, das Charakterbild des
Kaisers, wie es nach andern Berichten vor uns steht, zu ergänzen und ihn uns
namentlich als Menschen wesentlich näher zu bringen. Wenn sein Buch an
manchen Stellen aussieht, als erzähle es uns nicht sowohl aus dem Leben des
Kaisers Wilhelm, als vielmehr aus dem Leben des Hofrates Schneider, so
nehmen wir das im Hinblick auf seine andern guten Eigenschaften gern mit in
den Kauf, zumal da dies teilweise kaum zu umgehen war; seine wiederholt sich
andeutende Abneigung gegen Fürst Bismarck, seine starke Vorliebe für russische
Dinge und Persönlichkeiten, die uns nicht sympathisch sind, sein Ordensbedürfnis
zieren ihn nicht, aber es muß am Ende auch solche Käuze geben. Noch manches andre
ließe sich aussetzen, aber wir ziehen es vor, die Schattenseiten zu verschweigen
und uns an das viele Gute zu halten, das wir in dem Werke vor uns haben.

Schneider hat dem Kaiser sehr nahe gestanden, wenn auch in untergeord¬
neter Stellung, so doch in einer solchen, in der ihm auch in Bezug auf höhere
Angelegenheiten bisweilen Vertrauen geschenkt wurde. Durch seinen strammen
preußischen Patriotismus und seine eifrige Königstreue mitten in der demokra¬
tischen Sintflut, noch mehr aber dnrch sein starkes Interesse an militärischen
Angelegenheiten und dessen Bethätigung im „Soldatcnfreund" und in der „Wehr¬
zeitung" empfahl er sich dem Kaiser schon, als dieser noch Prinz von Preußen
war, so sehr, daß er ihn gelegentlich benutzte, seine Ansichten unter die Leute
zu bringen. Später kam er als sein Vorleser und Privatbibliothelar ständig
in seine Umgebung und hatte das Glück, ihm zu den Feldzügen in Böhmen und
Frankreich folgen zu dürfen, was ihn in den Stand setzte, eine größere Anzahl
von Äußerungen und Gewohnheiten des Monarchen als Augen- und Ohrenzeuge
oder sonstwie zuverlässig zu erfahren und für die Geschichte zu sammeln. Aus
diesem Notizenschatze ist das vorliegende Buch entstanden, und aus diesem wieder
entnehmen wir mit Hinweglassun g alles minder Wichtigen und bereits sattsam
Bekannten, sowie mit Zusammenziehung weitschweifiger Stellen und Glättung
des unbeholfenen, oft liederlichen Vielschreiberstils die folgenden Mitteilungen.
Es sind, wie man sehen wird, lediglich solche, die den Kaiser selbst zeichnen.
Den übrigen Inhalt mögen unsre Leser in dem Buche selbst nachsehen; es be¬
findet sich noch viel Wissenswertes und Hübsches darunter, wir wollen aber
nicht unbescheiden sein und uns innerhalb des Nahmens halten, der mit der
Überschrift des Berichtes gegeben ist.

Nach einer Audienz, die Schneider während der Beratungen über die an¬
geblich endgiltige preußische Verfassung mit dem damaligen Prinzen von Preußen
hatte, äußerte jener im Hinblick auf die weitgehenden Forderungen der Oppo-


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[0490] Aus dem Lebe» Kaiser Wilhelms. seine Gegner lassen, wenn sie ihn sonst auch ziemlich tief stellen: er besitzt die Gabe, so weit sein Verständnis und sein Interesse reicht, vortrefflich zu beob¬ achten, er hat reichlich Gelegenheit gehabt, diese Fähigkeit zu benutzen, und er hat sie mit unendlichem Fleiße und so gutem Erfolge benutzt, daß seine Mit¬ teilungen bei weitem zum größern Teile geeignet sind, das Charakterbild des Kaisers, wie es nach andern Berichten vor uns steht, zu ergänzen und ihn uns namentlich als Menschen wesentlich näher zu bringen. Wenn sein Buch an manchen Stellen aussieht, als erzähle es uns nicht sowohl aus dem Leben des Kaisers Wilhelm, als vielmehr aus dem Leben des Hofrates Schneider, so nehmen wir das im Hinblick auf seine andern guten Eigenschaften gern mit in den Kauf, zumal da dies teilweise kaum zu umgehen war; seine wiederholt sich andeutende Abneigung gegen Fürst Bismarck, seine starke Vorliebe für russische Dinge und Persönlichkeiten, die uns nicht sympathisch sind, sein Ordensbedürfnis zieren ihn nicht, aber es muß am Ende auch solche Käuze geben. Noch manches andre ließe sich aussetzen, aber wir ziehen es vor, die Schattenseiten zu verschweigen und uns an das viele Gute zu halten, das wir in dem Werke vor uns haben. Schneider hat dem Kaiser sehr nahe gestanden, wenn auch in untergeord¬ neter Stellung, so doch in einer solchen, in der ihm auch in Bezug auf höhere Angelegenheiten bisweilen Vertrauen geschenkt wurde. Durch seinen strammen preußischen Patriotismus und seine eifrige Königstreue mitten in der demokra¬ tischen Sintflut, noch mehr aber dnrch sein starkes Interesse an militärischen Angelegenheiten und dessen Bethätigung im „Soldatcnfreund" und in der „Wehr¬ zeitung" empfahl er sich dem Kaiser schon, als dieser noch Prinz von Preußen war, so sehr, daß er ihn gelegentlich benutzte, seine Ansichten unter die Leute zu bringen. Später kam er als sein Vorleser und Privatbibliothelar ständig in seine Umgebung und hatte das Glück, ihm zu den Feldzügen in Böhmen und Frankreich folgen zu dürfen, was ihn in den Stand setzte, eine größere Anzahl von Äußerungen und Gewohnheiten des Monarchen als Augen- und Ohrenzeuge oder sonstwie zuverlässig zu erfahren und für die Geschichte zu sammeln. Aus diesem Notizenschatze ist das vorliegende Buch entstanden, und aus diesem wieder entnehmen wir mit Hinweglassun g alles minder Wichtigen und bereits sattsam Bekannten, sowie mit Zusammenziehung weitschweifiger Stellen und Glättung des unbeholfenen, oft liederlichen Vielschreiberstils die folgenden Mitteilungen. Es sind, wie man sehen wird, lediglich solche, die den Kaiser selbst zeichnen. Den übrigen Inhalt mögen unsre Leser in dem Buche selbst nachsehen; es be¬ findet sich noch viel Wissenswertes und Hübsches darunter, wir wollen aber nicht unbescheiden sein und uns innerhalb des Nahmens halten, der mit der Überschrift des Berichtes gegeben ist. Nach einer Audienz, die Schneider während der Beratungen über die an¬ geblich endgiltige preußische Verfassung mit dem damaligen Prinzen von Preußen hatte, äußerte jener im Hinblick auf die weitgehenden Forderungen der Oppo-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/490>, abgerufen am 26.05.2024.