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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Ricks'Uyhne.

Das könnte" Sie nicht? Es giebt doch Menschen, die das können. Aber
könnten Sie nicht etwa sagen: dies Stück wird nicht gespielt? Man kann im
allgemeinen in dieser Richtung weit mehr, als man glaubt. So eng hängt ein
Mensch nicht zusammen. Wenn Sie Ihren rechten Arm stets gewaltsam be¬
nutzen, so strömt ihm das Blut im Übermaße zu, dadurch nimmt er auf Kosten
der andern Glieder an Wachstum zu, während die Beine, die sie nur so viel
gebrauchen, als durchaus notwendig ist, ganz von selber dünn und kraftlos werden.
Die Nutzanwendung des Bildes können sie selber machen. Achten Sie nur darauf,
wie die meisten und auch wohl die besten ideellen Kräfte hier bei uns sich aus¬
schließlich der politischen Freiheit zugewendet haben. Beachten Sie das, und
lassen Sie sichs zur Lehre dienen. Glauben Sie mir, es ist ein erlösendes Glück
für einen Menschen, für eine Idee zu kämpfen, die eine Zukunft hat, während
es auf der andern Seite sehr entsittlichend ist, zu der unterliegenden Minder¬
heit zu gehören, der das Leben durch die Richtung, in welcher es sich entwickelt,
Punkt für Punkt und Schritt für Schritt Unrecht giebt. Es kann nicht anders
sein, denn es ist so bitterlich entmutigend, das, von dessen Wahrheit und Be¬
rechtigung man im tiefsten Innern der Seele überzeugt ist, diese Wahrheit von
jedem elenden Troßknechte des siegreichen Heeres verhöhnt, ihr ins Angesicht
geschlagen zu sehen, es mit anhören zu müssen, wie sie mit Schandnamen ge¬
schmäht wird, und doch nichts dagegen thun zu können, als sie nur noch treuer
zu lieben, mit noch tieferer Ehrfurcht im Herzen vor ihr zu knieen, ihre schöne
Erscheinung stets ebenso strahlend schön, ebenso voller Hoheit und unsterblichen
Lichtes zu sehen, wie viel Staub auch gegen ihre weiße Stirn aufgewirbelt werden,
ein wie dichter und giftiger Nebel auch ihre Glorie verhüllen mag. Es ist bitter¬
lich entmutigend, und es kann nicht ausbleiben, daß die Seele Schaden darunter
leidet, denn es liegt so nahe, sein Herz müde zu hassen, die kalten Schatten
des Verachtens um sich zu sammeln und die Welt schmerzensmüde ihren Gang
gehen zu lassen. Natürlich, wenn man das in sich trägt, daß man, statt das
Leichtere zu wählen und sich selbst aus allem Verbände mit dem Ganzen zu,
lösen, sich aufrecht halten und mit gespannten Kräften, mit wachsamen Sym¬
pathien den vielstacheligen Geißelschlag der Niederlage hinnehmen kann, so wie
er gerade fällt, Schlag auf Schlag, und doch seine blutende Hoffnung vor dem
Wanken behüten, indem man auf die dumpfen Laute lauscht, die den Umschlag
der Zeit verkünden, und nach dem schwachen, fernen Schimmer späht, der eines
Tages vielleicht erscheinen wird! wenn man das in sich trägt! Aber versuchen
Sie das nicht, Lyhne! Bedenken Sie, was das Leben eines solchen Mannes
sein müßte, wenn er wirklich alles thäte, was in seinen Kräften steht. Nicht
reden zu können, ohne daß Hohn und Spott in der Spur selner Rede
aufwuchert! Alle seine Worte verdreht zu sehen, besudelt, zu schlauen Schlingen
mißbraucht, vor seine Füße geworfen, und dann, ehe man sie noch kaum aus dem
Kehricht aufgesammelt und wieder entwirrt hat, plötzlich alle Welt taub zu


Ricks'Uyhne.

Das könnte» Sie nicht? Es giebt doch Menschen, die das können. Aber
könnten Sie nicht etwa sagen: dies Stück wird nicht gespielt? Man kann im
allgemeinen in dieser Richtung weit mehr, als man glaubt. So eng hängt ein
Mensch nicht zusammen. Wenn Sie Ihren rechten Arm stets gewaltsam be¬
nutzen, so strömt ihm das Blut im Übermaße zu, dadurch nimmt er auf Kosten
der andern Glieder an Wachstum zu, während die Beine, die sie nur so viel
gebrauchen, als durchaus notwendig ist, ganz von selber dünn und kraftlos werden.
Die Nutzanwendung des Bildes können sie selber machen. Achten Sie nur darauf,
wie die meisten und auch wohl die besten ideellen Kräfte hier bei uns sich aus¬
schließlich der politischen Freiheit zugewendet haben. Beachten Sie das, und
lassen Sie sichs zur Lehre dienen. Glauben Sie mir, es ist ein erlösendes Glück
für einen Menschen, für eine Idee zu kämpfen, die eine Zukunft hat, während
es auf der andern Seite sehr entsittlichend ist, zu der unterliegenden Minder¬
heit zu gehören, der das Leben durch die Richtung, in welcher es sich entwickelt,
Punkt für Punkt und Schritt für Schritt Unrecht giebt. Es kann nicht anders
sein, denn es ist so bitterlich entmutigend, das, von dessen Wahrheit und Be¬
rechtigung man im tiefsten Innern der Seele überzeugt ist, diese Wahrheit von
jedem elenden Troßknechte des siegreichen Heeres verhöhnt, ihr ins Angesicht
geschlagen zu sehen, es mit anhören zu müssen, wie sie mit Schandnamen ge¬
schmäht wird, und doch nichts dagegen thun zu können, als sie nur noch treuer
zu lieben, mit noch tieferer Ehrfurcht im Herzen vor ihr zu knieen, ihre schöne
Erscheinung stets ebenso strahlend schön, ebenso voller Hoheit und unsterblichen
Lichtes zu sehen, wie viel Staub auch gegen ihre weiße Stirn aufgewirbelt werden,
ein wie dichter und giftiger Nebel auch ihre Glorie verhüllen mag. Es ist bitter¬
lich entmutigend, und es kann nicht ausbleiben, daß die Seele Schaden darunter
leidet, denn es liegt so nahe, sein Herz müde zu hassen, die kalten Schatten
des Verachtens um sich zu sammeln und die Welt schmerzensmüde ihren Gang
gehen zu lassen. Natürlich, wenn man das in sich trägt, daß man, statt das
Leichtere zu wählen und sich selbst aus allem Verbände mit dem Ganzen zu,
lösen, sich aufrecht halten und mit gespannten Kräften, mit wachsamen Sym¬
pathien den vielstacheligen Geißelschlag der Niederlage hinnehmen kann, so wie
er gerade fällt, Schlag auf Schlag, und doch seine blutende Hoffnung vor dem
Wanken behüten, indem man auf die dumpfen Laute lauscht, die den Umschlag
der Zeit verkünden, und nach dem schwachen, fernen Schimmer späht, der eines
Tages vielleicht erscheinen wird! wenn man das in sich trägt! Aber versuchen
Sie das nicht, Lyhne! Bedenken Sie, was das Leben eines solchen Mannes
sein müßte, wenn er wirklich alles thäte, was in seinen Kräften steht. Nicht
reden zu können, ohne daß Hohn und Spott in der Spur selner Rede
aufwuchert! Alle seine Worte verdreht zu sehen, besudelt, zu schlauen Schlingen
mißbraucht, vor seine Füße geworfen, und dann, ehe man sie noch kaum aus dem
Kehricht aufgesammelt und wieder entwirrt hat, plötzlich alle Welt taub zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/98>, abgerufen am 25.05.2024.