Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Wohl dem, der seiner Väter gern gedenkt, Ein Zweig des lombardischen Geschlechtes soll nach Deutschland verschlagen, Herzog Friedrich hatte ihr Zensurfreiheit gewährt, doch nicht lange sollte sie Maßgebliches und Unmaßgebliches Wohl dem, der seiner Väter gern gedenkt, Ein Zweig des lombardischen Geschlechtes soll nach Deutschland verschlagen, Herzog Friedrich hatte ihr Zensurfreiheit gewährt, doch nicht lange sollte sie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0107" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204196"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <quote> Wohl dem, der seiner Väter gern gedenkt,<lb/> Der froh von ihren Thaten, ihrer Größe<lb/> Den Hörer unterhalt, und still sich freuend<lb/> Ans Ende dieser schönen Reihe sich<lb/> Geschlossen sieht!</quote><lb/> <p xml:id="ID_326" prev="#ID_325"> Ein Zweig des lombardischen Geschlechtes soll nach Deutschland verschlagen,<lb/> verarmt und dadurch in die Sphäre des bürgerlichen Erwerbes durch Kopf- oder<lb/> Handarbeit gedrängt worden sein. Johann. Georg war ein Pfarrerssohn, mit ihm<lb/> beginnt die Reihe der Buchhändler. Johann Friedrich hatte eine vielseitige wissen¬<lb/> schaftliche Bildung genossen, als er, im Alter von dreiundzwanzig Jahren, das<lb/> nicht im besten Zustande befindliche Geschäft in Tübingen übernahm. Aber er<lb/> stand bereits auf festen Füßen, als er die Anwesenheit Schillers in der Heimat<lb/> 1793—1794 benutzte, um dessen Bekanntschaft zu suchen. Die geschäftlichen<lb/> Beziehungen wurden bald auch zu wahrhaft freundschaftlichen, wie aus dem von<lb/> Vollmer herausgegebenen Briefwechsel beider Männer bekannt geworden ist. Im<lb/> Mai 1794 wurde zwischen ihnen die Gründung zweier Zeitungsunternehmungen<lb/> besprochen, der „Allgemeinen Zeitung" und der „Hören"; das erstere plante Cotta,<lb/> der in Schiller den geeigneten Redakteur gefunden zu haben meinte, während der<lb/> letztere in Cotta den gesuchten Verleger für eine litterarische Zeitung wirklich<lb/> fand. Den Gedanken, ein Politisches Blatt zu redigiren, gab er bald wieder auf,<lb/> riet auch Cotta von der „so äußerst riskanten Unternehmung" ab. Cotta ließ sich<lb/> jedoch nicht irre machen. Noch in demselben Jahre vereinbarte er mit Posselt,<lb/> der sich durch verschiedene Geschichtswerke, das Historische Taschenbuch u. f. w. be¬<lb/> kannt gemacht hatte, die Herausgabe einer „Europäischen Zeitung," die in Rastatt<lb/> erscheinen sollte, an deren Stelle aber zunächst nur die Monatsschrift „Europäische<lb/> Annalen" zu Stande kam. Am 1. Januar 1798 endlich kam, ebenfalls unter<lb/> Possclts Redaktion, die „Neueste Weltkunde" in Tübingen heraus.</p><lb/> <p xml:id="ID_327" next="#ID_328"> Herzog Friedrich hatte ihr Zensurfreiheit gewährt, doch nicht lange sollte sie<lb/> ^'r neuen Freiheit genießen. Schon im ersten Vierteljahre liefen Beschwerden ein.<lb/> »M Wien hatten eine Notiz über eine Abstimmung Oesterreichs auf dem Kongreß<lb/> An Rastatt, ferner das Herausstreichen der französischen Freiheit und eine Korre¬<lb/> spondenz über eine Heiligenfeier in Rom Aergernis erregt, und wegen des zweiten<lb/> Artikels verlangte auch der russische Gesandte Genugthuung. Die von der herzog¬<lb/> lichen Regierung erteilten Verweise wurden nicht für genügend befunden, und im<lb/> August verfügte der Reichshofrat „zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung und<lb/> ^use, welche durch dergleichen aufrührerische Schriften gefährdet werden," die<lb/> ungesäumte Unterdrückung der „Neuesten Weltkunde." Dem konnte sich die würkten-<lb/> ^rgische Regierung nicht entziehen, aber so einfach sich von Wien aus kommandiren<lb/> uMn wollte sie doch nicht. Das Verfahren ist charakteristisch, man beachte die<lb/> ^»ten, und erinnere sich dabei, welchen Schneckengang damals noch die Behörden<lb/> einzuhalten pflegten. Das kaiserliche Verbot ist vom 13. August datirt, am 23.<lb/> eust Cotta seine Vorstellung dagegen ein, am 29. berichtet die Negierung, daß<lb/> ^w't Rücksicht auf die Behauptung der landesherrlichen Rechte ebenso sehr als<lb/> us den Schutz der Eigentumsrechte eiues herzoglichen Unterthanen," zugleich auf<lb/> staatswirtschaftlichen Nutzen der Zeitung für das Land, die „Neueste Weltkunde"<lb/> ent!' r " unterdrücken, dem Verleger indessen das Zeitungsprivilegium uicht zu<lb/> der 5 ^' ^ ^e Zeusurfreiheit hatte ein Ende! Am 17. September meldete<lb/> am q nach Wien, daß der kaiserlichen Verfügung entsprochen sei, aber schon<lb/> '' oessi'ib^ Monats war die erste Nummer der „Allgemeinen Zeitung" in</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0107]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Wohl dem, der seiner Väter gern gedenkt,
Der froh von ihren Thaten, ihrer Größe
Den Hörer unterhalt, und still sich freuend
Ans Ende dieser schönen Reihe sich
Geschlossen sieht!
Ein Zweig des lombardischen Geschlechtes soll nach Deutschland verschlagen,
verarmt und dadurch in die Sphäre des bürgerlichen Erwerbes durch Kopf- oder
Handarbeit gedrängt worden sein. Johann. Georg war ein Pfarrerssohn, mit ihm
beginnt die Reihe der Buchhändler. Johann Friedrich hatte eine vielseitige wissen¬
schaftliche Bildung genossen, als er, im Alter von dreiundzwanzig Jahren, das
nicht im besten Zustande befindliche Geschäft in Tübingen übernahm. Aber er
stand bereits auf festen Füßen, als er die Anwesenheit Schillers in der Heimat
1793—1794 benutzte, um dessen Bekanntschaft zu suchen. Die geschäftlichen
Beziehungen wurden bald auch zu wahrhaft freundschaftlichen, wie aus dem von
Vollmer herausgegebenen Briefwechsel beider Männer bekannt geworden ist. Im
Mai 1794 wurde zwischen ihnen die Gründung zweier Zeitungsunternehmungen
besprochen, der „Allgemeinen Zeitung" und der „Hören"; das erstere plante Cotta,
der in Schiller den geeigneten Redakteur gefunden zu haben meinte, während der
letztere in Cotta den gesuchten Verleger für eine litterarische Zeitung wirklich
fand. Den Gedanken, ein Politisches Blatt zu redigiren, gab er bald wieder auf,
riet auch Cotta von der „so äußerst riskanten Unternehmung" ab. Cotta ließ sich
jedoch nicht irre machen. Noch in demselben Jahre vereinbarte er mit Posselt,
der sich durch verschiedene Geschichtswerke, das Historische Taschenbuch u. f. w. be¬
kannt gemacht hatte, die Herausgabe einer „Europäischen Zeitung," die in Rastatt
erscheinen sollte, an deren Stelle aber zunächst nur die Monatsschrift „Europäische
Annalen" zu Stande kam. Am 1. Januar 1798 endlich kam, ebenfalls unter
Possclts Redaktion, die „Neueste Weltkunde" in Tübingen heraus.
Herzog Friedrich hatte ihr Zensurfreiheit gewährt, doch nicht lange sollte sie
^'r neuen Freiheit genießen. Schon im ersten Vierteljahre liefen Beschwerden ein.
»M Wien hatten eine Notiz über eine Abstimmung Oesterreichs auf dem Kongreß
An Rastatt, ferner das Herausstreichen der französischen Freiheit und eine Korre¬
spondenz über eine Heiligenfeier in Rom Aergernis erregt, und wegen des zweiten
Artikels verlangte auch der russische Gesandte Genugthuung. Die von der herzog¬
lichen Regierung erteilten Verweise wurden nicht für genügend befunden, und im
August verfügte der Reichshofrat „zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung und
^use, welche durch dergleichen aufrührerische Schriften gefährdet werden," die
ungesäumte Unterdrückung der „Neuesten Weltkunde." Dem konnte sich die würkten-
^rgische Regierung nicht entziehen, aber so einfach sich von Wien aus kommandiren
uMn wollte sie doch nicht. Das Verfahren ist charakteristisch, man beachte die
^»ten, und erinnere sich dabei, welchen Schneckengang damals noch die Behörden
einzuhalten pflegten. Das kaiserliche Verbot ist vom 13. August datirt, am 23.
eust Cotta seine Vorstellung dagegen ein, am 29. berichtet die Negierung, daß
^w't Rücksicht auf die Behauptung der landesherrlichen Rechte ebenso sehr als
us den Schutz der Eigentumsrechte eiues herzoglichen Unterthanen," zugleich auf
staatswirtschaftlichen Nutzen der Zeitung für das Land, die „Neueste Weltkunde"
ent!' r " unterdrücken, dem Verleger indessen das Zeitungsprivilegium uicht zu
der 5 ^' ^ ^e Zeusurfreiheit hatte ein Ende! Am 17. September meldete
am q nach Wien, daß der kaiserlichen Verfügung entsprochen sei, aber schon
'' oessi'ib^ Monats war die erste Nummer der „Allgemeinen Zeitung" in
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |