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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Das adliche und das bürgerliche Element im' deutschen Heere

gestellt haben. Dieses Element im Heere wird seinen Einfluß in der Richtung
nnsilben, much welcher die Hnuptbestrebuiigen der Zeit gehen; es wird mithin
dem Neuen, der Umgestaltung des Alten im Sinne der heutigen Zeit, dem Fort¬
schritte nach allen Richtungen hiu, den Verbesserungen mit allen Hilfsmitteln
der modernen Bildung und Wissenschaft sich zuneigen. Freilich würde es,
wenn es ohne Gegengewicht wäre, Gefahr laufen, in höherem Grade den
nivellirenden Bestrebungen, der Untergrabung der vom obersten Kriegsherrn
ausgehenden und bis auf die untersten Stufen herab sich verzweigenden per¬
sönlichen Autorität, bannt aber der Deinvkratisirulig des Heeres zu verfallen.

Das bürgerliche Element im Offizierkorps bildet also dessen Linke und
zwar mit allen Vorzügen, aber auch mit allen.Gefahren einer solchen. Es ist
dies ja nicht anders möglich. Seit der französische"! Revolution, deren Ideen
die Klassiker verarbeitet und die Epigonen weiterverbreitet haben, war es
das bürgerliche Element, worin sich die nach vorwärts d. h. ihrer natur¬
gemäßen Entwicklung zudräugende Volksseele verkörpert hat, ans Bethätigung
dringend und sei es auch auf dem Wege der Revolution, wo dieser Entwicklung
aus Mißverständnis, Furcht oder Übelwollen Widerstand entgegengesetzt werden
sollte. Was von den Zeiten der deutschen Klassiker an bis auf heute an Auf¬
klärung, Fortschritt, Bereicherung der Wissenschaft, Entdeckungen auf allen Ge¬
bieten derselben geleistet worden ist, vor allem die ganze soziale Entwicklung
der Nation, verdanken wir dem bürgerlichen Element und seiner vorwärts
strebenden Richtung. Daß aber dieses seiner Natur nach freisinnige Element
in seiner Fortsetzung und in seinen letzten Folgerungen destruktiv wird und
daß außerhalb des Heeres Freisinn lind Demokratie seine Fortsetzung nach
links bilden, wer wollte dies in Abrede stellen? Ebenso selbstverständlich ist
es aber auch, daß die beideu letztern innerhalb des Heeres niemals Platz oder
gar Verbreitung finden dürfen. Wenn das bürgerliche, d. h. freisinnige Element,
den überwiegenden oder auch nur einen entscheidenden Einfluß im Heere erlangte,
könnte es, zumal im Hinblick auf das fast nur aus bürgerlichen Offizieren
bestehende ungeheure Material des Beurlanbtenstandes, die Gefahr in sich bergen,
lediglich dnrch die ihm innewohnenden Eigenschaften an der Umgestaltung des
kaiserlichen Heeres in ein Parlamentsheer zu arbeiten, damit aber an der Ver¬
schlechterung der ganzen Einrichtung und an der Gefährdung der Nation.

Kurz, das Hereinströmen der modernen staatlichen, sittlichen, religiösen
und sozialen Ideen in das Heer kann zwar nicht mehr Hintaugehalten werden --
man denke nur an die nunmehr 18 Jahre andauernden, alle Gegensätze schonungs¬
los bloß legenden, alle Leidenschaften entfesselnden und vor aller Welt sich ab¬
spielenden Verhandlungen im Reichstage! -- und darf es anch nicht mehr,
wenn das Heer auf der Hahn der Zeit stehen, wenn es die vornehmste Ein¬
richtung des Reiches sein und das erste Heer der Welt, das es hente ist, blei¬
ben will. Aber zugleich muß es etwaige mit den modernen Ideen hereinströmende


Das adliche und das bürgerliche Element im' deutschen Heere

gestellt haben. Dieses Element im Heere wird seinen Einfluß in der Richtung
nnsilben, much welcher die Hnuptbestrebuiigen der Zeit gehen; es wird mithin
dem Neuen, der Umgestaltung des Alten im Sinne der heutigen Zeit, dem Fort¬
schritte nach allen Richtungen hiu, den Verbesserungen mit allen Hilfsmitteln
der modernen Bildung und Wissenschaft sich zuneigen. Freilich würde es,
wenn es ohne Gegengewicht wäre, Gefahr laufen, in höherem Grade den
nivellirenden Bestrebungen, der Untergrabung der vom obersten Kriegsherrn
ausgehenden und bis auf die untersten Stufen herab sich verzweigenden per¬
sönlichen Autorität, bannt aber der Deinvkratisirulig des Heeres zu verfallen.

Das bürgerliche Element im Offizierkorps bildet also dessen Linke und
zwar mit allen Vorzügen, aber auch mit allen.Gefahren einer solchen. Es ist
dies ja nicht anders möglich. Seit der französische»! Revolution, deren Ideen
die Klassiker verarbeitet und die Epigonen weiterverbreitet haben, war es
das bürgerliche Element, worin sich die nach vorwärts d. h. ihrer natur¬
gemäßen Entwicklung zudräugende Volksseele verkörpert hat, ans Bethätigung
dringend und sei es auch auf dem Wege der Revolution, wo dieser Entwicklung
aus Mißverständnis, Furcht oder Übelwollen Widerstand entgegengesetzt werden
sollte. Was von den Zeiten der deutschen Klassiker an bis auf heute an Auf¬
klärung, Fortschritt, Bereicherung der Wissenschaft, Entdeckungen auf allen Ge¬
bieten derselben geleistet worden ist, vor allem die ganze soziale Entwicklung
der Nation, verdanken wir dem bürgerlichen Element und seiner vorwärts
strebenden Richtung. Daß aber dieses seiner Natur nach freisinnige Element
in seiner Fortsetzung und in seinen letzten Folgerungen destruktiv wird und
daß außerhalb des Heeres Freisinn lind Demokratie seine Fortsetzung nach
links bilden, wer wollte dies in Abrede stellen? Ebenso selbstverständlich ist
es aber auch, daß die beideu letztern innerhalb des Heeres niemals Platz oder
gar Verbreitung finden dürfen. Wenn das bürgerliche, d. h. freisinnige Element,
den überwiegenden oder auch nur einen entscheidenden Einfluß im Heere erlangte,
könnte es, zumal im Hinblick auf das fast nur aus bürgerlichen Offizieren
bestehende ungeheure Material des Beurlanbtenstandes, die Gefahr in sich bergen,
lediglich dnrch die ihm innewohnenden Eigenschaften an der Umgestaltung des
kaiserlichen Heeres in ein Parlamentsheer zu arbeiten, damit aber an der Ver¬
schlechterung der ganzen Einrichtung und an der Gefährdung der Nation.

Kurz, das Hereinströmen der modernen staatlichen, sittlichen, religiösen
und sozialen Ideen in das Heer kann zwar nicht mehr Hintaugehalten werden —
man denke nur an die nunmehr 18 Jahre andauernden, alle Gegensätze schonungs¬
los bloß legenden, alle Leidenschaften entfesselnden und vor aller Welt sich ab¬
spielenden Verhandlungen im Reichstage! — und darf es anch nicht mehr,
wenn das Heer auf der Hahn der Zeit stehen, wenn es die vornehmste Ein¬
richtung des Reiches sein und das erste Heer der Welt, das es hente ist, blei¬
ben will. Aber zugleich muß es etwaige mit den modernen Ideen hereinströmende


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/13>, abgerufen am 18.05.2024.