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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Zu Körners Toni und Zriny

"Stehet auf und macht euer Verbrechen gut. Ihr habt viel gut zu machen.
Ein Soldat muß nie an sein Leben, viel weniger an Geld, mir an seine Ehre
denken. Diese kann leben, wenn auch er tot ist. Wir kämpfen mit Eisen
,und nicht mit Gold. Schweißtropfen sind unsre Perlen, und von Mut und
Großmut funkelnde Augen unsre Diamanten. Geht, hinweg! Zurück um
eure Posten!"

Während sie sich murrend fortbegeben, kehrt Georg wieder zurück, der durch
einen unterirdischen Gang sich gerettet und eine goldene Kette erbeutet hat,
die er Sophien mit den Worten umlegt: "Dn bist gefangen!", worauf sie er¬
widert: ,,Weil du es uicht bist!" Aber es ist keine Hoffnung mehr übrig (II, 8),
das beste Bollwerk ist in Flammen aufgegangen. Hvrvath lind Sektschudi
wünschen sich den Tod, der ihnen anch von den hereinstürmenden Türken zu
teil wird (II, 11).

Der dritte Akt zeigt uns in stummer erster Szene zunächst Katharina,
Maria Sektschudi, Sophie, Raphael und andre ,,in verschiedenen Stellungen
von stummer, ermatteter Trostlosigkeit. Einige liegen auf ihren Gesichtern,
sehen zuweilen blaß mit lvshangendeu Haaren in die Höhe, schaudern bei dem
Anblick der auflodernde" Flammen zusammen und verbergen sich plötzlich
wieder. Die Kinder hängen sich um die Kleider ihrer Mütter oder liegen in ihrem
Schoß." Auch des Georg bemächtigt sich Verzweiflung, als er die verweinte
Sophie erblickt, die sterben soll, ehe sie gelebt hat (III, 2). Noch einmal erheitert
sie Alapi dnrch ein vaterländisches Lied, und wie von Wahnsinn ergriffen tanzen
sie, tanzen noch einmal nach den vaterländischen Klängen. Zrini kommt und
ruft ihnen zu : ,,Jch bin Mensch, Gatte und Vater. Das Herz hat auch seine
Thränen und bitterere als die Augen. Auf, meine Kinder, faßt euch, die Natur
ist befriedigt. Schenken wir der Ehre und unsrer Pflicht die noch übrigen Augen¬
blicke. Könige und Fürsten werden nach Jahrtausenden vergessen sein, und wir
werden noch im Andenken der Nachwelt fortleben. Leben ohne Ehre ist Tod;
ruhmvoller Tod ist der Anfang eines neuen unvergänglichen Lebens." Er
wendet sich zum Lebewohl an seine Freunde und Soldaten, läßt sich von
Scherenk rüsten und sich von diesem den ihm von Karl V. geschenkten Säbel
reichen. Die Weiber sind mutig: "Verschiedenes Geschlecht macht Sinn und
Herz nicht verschieden." Dann, unter einem Marsche, gehts in den Kampf.
Die Gräfin blickt hinab. sie sieht den Mann nicht mehr, Türken kommen auf
den Schauplatz und mit den Worten: "Selige Geister der Freiheit, nehmt mich
auf!" zündet sie den Pulverturm an.

Wir erkennen sofort, wie wenig Abweichungen von der Geschichte sich
Werthes erlaubt hat. Nur von einer Revolte lesen wir in den Quellen nichts,
und nach Vudina hat Zriny seine erste Frau, eben jene Katharina Frangipnni,
bereits verloren und lebt zur Zeit der Einnahme schon in einer zweiten Ehe,
Von der Werthes nichts erwähnt. Daß Georg der Geliebte der Sophie ist,


Zu Körners Toni und Zriny

„Stehet auf und macht euer Verbrechen gut. Ihr habt viel gut zu machen.
Ein Soldat muß nie an sein Leben, viel weniger an Geld, mir an seine Ehre
denken. Diese kann leben, wenn auch er tot ist. Wir kämpfen mit Eisen
,und nicht mit Gold. Schweißtropfen sind unsre Perlen, und von Mut und
Großmut funkelnde Augen unsre Diamanten. Geht, hinweg! Zurück um
eure Posten!"

Während sie sich murrend fortbegeben, kehrt Georg wieder zurück, der durch
einen unterirdischen Gang sich gerettet und eine goldene Kette erbeutet hat,
die er Sophien mit den Worten umlegt: „Dn bist gefangen!", worauf sie er¬
widert: ,,Weil du es uicht bist!" Aber es ist keine Hoffnung mehr übrig (II, 8),
das beste Bollwerk ist in Flammen aufgegangen. Hvrvath lind Sektschudi
wünschen sich den Tod, der ihnen anch von den hereinstürmenden Türken zu
teil wird (II, 11).

Der dritte Akt zeigt uns in stummer erster Szene zunächst Katharina,
Maria Sektschudi, Sophie, Raphael und andre ,,in verschiedenen Stellungen
von stummer, ermatteter Trostlosigkeit. Einige liegen auf ihren Gesichtern,
sehen zuweilen blaß mit lvshangendeu Haaren in die Höhe, schaudern bei dem
Anblick der auflodernde» Flammen zusammen und verbergen sich plötzlich
wieder. Die Kinder hängen sich um die Kleider ihrer Mütter oder liegen in ihrem
Schoß." Auch des Georg bemächtigt sich Verzweiflung, als er die verweinte
Sophie erblickt, die sterben soll, ehe sie gelebt hat (III, 2). Noch einmal erheitert
sie Alapi dnrch ein vaterländisches Lied, und wie von Wahnsinn ergriffen tanzen
sie, tanzen noch einmal nach den vaterländischen Klängen. Zrini kommt und
ruft ihnen zu : ,,Jch bin Mensch, Gatte und Vater. Das Herz hat auch seine
Thränen und bitterere als die Augen. Auf, meine Kinder, faßt euch, die Natur
ist befriedigt. Schenken wir der Ehre und unsrer Pflicht die noch übrigen Augen¬
blicke. Könige und Fürsten werden nach Jahrtausenden vergessen sein, und wir
werden noch im Andenken der Nachwelt fortleben. Leben ohne Ehre ist Tod;
ruhmvoller Tod ist der Anfang eines neuen unvergänglichen Lebens." Er
wendet sich zum Lebewohl an seine Freunde und Soldaten, läßt sich von
Scherenk rüsten und sich von diesem den ihm von Karl V. geschenkten Säbel
reichen. Die Weiber sind mutig: „Verschiedenes Geschlecht macht Sinn und
Herz nicht verschieden." Dann, unter einem Marsche, gehts in den Kampf.
Die Gräfin blickt hinab. sie sieht den Mann nicht mehr, Türken kommen auf
den Schauplatz und mit den Worten: „Selige Geister der Freiheit, nehmt mich
auf!" zündet sie den Pulverturm an.

Wir erkennen sofort, wie wenig Abweichungen von der Geschichte sich
Werthes erlaubt hat. Nur von einer Revolte lesen wir in den Quellen nichts,
und nach Vudina hat Zriny seine erste Frau, eben jene Katharina Frangipnni,
bereits verloren und lebt zur Zeit der Einnahme schon in einer zweiten Ehe,
Von der Werthes nichts erwähnt. Daß Georg der Geliebte der Sophie ist,


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[0235] Zu Körners Toni und Zriny „Stehet auf und macht euer Verbrechen gut. Ihr habt viel gut zu machen. Ein Soldat muß nie an sein Leben, viel weniger an Geld, mir an seine Ehre denken. Diese kann leben, wenn auch er tot ist. Wir kämpfen mit Eisen ,und nicht mit Gold. Schweißtropfen sind unsre Perlen, und von Mut und Großmut funkelnde Augen unsre Diamanten. Geht, hinweg! Zurück um eure Posten!" Während sie sich murrend fortbegeben, kehrt Georg wieder zurück, der durch einen unterirdischen Gang sich gerettet und eine goldene Kette erbeutet hat, die er Sophien mit den Worten umlegt: „Dn bist gefangen!", worauf sie er¬ widert: ,,Weil du es uicht bist!" Aber es ist keine Hoffnung mehr übrig (II, 8), das beste Bollwerk ist in Flammen aufgegangen. Hvrvath lind Sektschudi wünschen sich den Tod, der ihnen anch von den hereinstürmenden Türken zu teil wird (II, 11). Der dritte Akt zeigt uns in stummer erster Szene zunächst Katharina, Maria Sektschudi, Sophie, Raphael und andre ,,in verschiedenen Stellungen von stummer, ermatteter Trostlosigkeit. Einige liegen auf ihren Gesichtern, sehen zuweilen blaß mit lvshangendeu Haaren in die Höhe, schaudern bei dem Anblick der auflodernde» Flammen zusammen und verbergen sich plötzlich wieder. Die Kinder hängen sich um die Kleider ihrer Mütter oder liegen in ihrem Schoß." Auch des Georg bemächtigt sich Verzweiflung, als er die verweinte Sophie erblickt, die sterben soll, ehe sie gelebt hat (III, 2). Noch einmal erheitert sie Alapi dnrch ein vaterländisches Lied, und wie von Wahnsinn ergriffen tanzen sie, tanzen noch einmal nach den vaterländischen Klängen. Zrini kommt und ruft ihnen zu : ,,Jch bin Mensch, Gatte und Vater. Das Herz hat auch seine Thränen und bitterere als die Augen. Auf, meine Kinder, faßt euch, die Natur ist befriedigt. Schenken wir der Ehre und unsrer Pflicht die noch übrigen Augen¬ blicke. Könige und Fürsten werden nach Jahrtausenden vergessen sein, und wir werden noch im Andenken der Nachwelt fortleben. Leben ohne Ehre ist Tod; ruhmvoller Tod ist der Anfang eines neuen unvergänglichen Lebens." Er wendet sich zum Lebewohl an seine Freunde und Soldaten, läßt sich von Scherenk rüsten und sich von diesem den ihm von Karl V. geschenkten Säbel reichen. Die Weiber sind mutig: „Verschiedenes Geschlecht macht Sinn und Herz nicht verschieden." Dann, unter einem Marsche, gehts in den Kampf. Die Gräfin blickt hinab. sie sieht den Mann nicht mehr, Türken kommen auf den Schauplatz und mit den Worten: „Selige Geister der Freiheit, nehmt mich auf!" zündet sie den Pulverturm an. Wir erkennen sofort, wie wenig Abweichungen von der Geschichte sich Werthes erlaubt hat. Nur von einer Revolte lesen wir in den Quellen nichts, und nach Vudina hat Zriny seine erste Frau, eben jene Katharina Frangipnni, bereits verloren und lebt zur Zeit der Einnahme schon in einer zweiten Ehe, Von der Werthes nichts erwähnt. Daß Georg der Geliebte der Sophie ist,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/235>, abgerufen am 17.06.2024.