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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Goethe- und Schillerhetzer

im Shakespearejahrbuch) widerlegen kann -- Katholik. Und die Väter der Gesell¬
schaft Jesu machen sich das zu Nutze und treiben eine höchst anzügliche Shakespearv-
manie gegenüber dem "Hypsistaricr" Goethe, dessen "Überschätzung im Grunde nur
alifOberflächlichkeit,Beschränktheit und seichterModebildung beruht." Warum? die
Antwort steht bei Baumgartner (I, S. 528). Goethe ist eben "im Banne."
"Sein Glaubensbekenntnis ist durch das vatikanische Konzil längst feierlich ver¬
urteilt." Das mögen "katholische Goethefreunde aufmerksam erwägen bei einer
von häretischen Ideen durchsäuerteil Poesie wie z. V. dem Faust." Auch bei
Schiller stört der unbequeme Kantianismus nicht, um ihn gegen den gehaßten
Ketzer Goethe auszuspielen. Denn hätten ihn der "verpreußte" Herzog und
der eifersüchtige Goethe nicht verderben und sterben lassen, so wäre er gewiß --
katholisch geworden. Um gegen Goethe ausgespielt zu werden, ist eben niemand
zu schlecht, weder Lessing noch Herder sind dazu zu ketzerisch, man kann sie ja
hinterdrein einzeln beseitigen. Ja sogar der kleine Theodor Körner muß allen
Ernstes mit seinem glaubenseifrigen Zriny und seiner missionärischen Toni ins
Feld gegen den alten Heiden von Weimar. Bei solcher Gelegenheit ist dann
der alte Heide von Weimar zugleich der unnativnale Mann. Aber wir haben
bereits vorausgeschickt, was von dem "nationalen" Liebeswerben von dieser
Seite zu halten ist. Das würde ihnen freilich passen, wenn die deutsche nationale
Idee nur das Antlitz des Spießbürgers mit dem Rosenkranze trüge und nicht
die Züge Martin Luthers und Wolfgang Goethes. Denen aber, die bei
christlich-nationalen Bestrebungen solcher Natur so gern jenen in die Hände
arbeiten und dabei von ihnen gnädig belobt werden, gleich als sei "der moderne
Arianismus" (das ist die evangelische Religion) wirklich schon in sein letztes
Stadium getreten, und die reuigen Söhne bereit, jeden Augenblick zu dem lang¬
mütigen Vater in Rom zurückzukehren -- denen sei empfohlen, auch bei solchen
Anlässen ihren vorgeblichen "Mitstreitern etwas schärfer unter die Augen zu
sehen und sich dabei eines alten, guten Protestantensprüchleins aus dem 17. Jahr¬
hundert zu erinnern, das die gemeinsame Sache mit den Vätern des Ordens
Jesu nicht gerade mit dem Werke des Herrn in eins setzt.




Goethe- und Schillerhetzer

im Shakespearejahrbuch) widerlegen kann — Katholik. Und die Väter der Gesell¬
schaft Jesu machen sich das zu Nutze und treiben eine höchst anzügliche Shakespearv-
manie gegenüber dem „Hypsistaricr" Goethe, dessen „Überschätzung im Grunde nur
alifOberflächlichkeit,Beschränktheit und seichterModebildung beruht." Warum? die
Antwort steht bei Baumgartner (I, S. 528). Goethe ist eben „im Banne."
"Sein Glaubensbekenntnis ist durch das vatikanische Konzil längst feierlich ver¬
urteilt." Das mögen „katholische Goethefreunde aufmerksam erwägen bei einer
von häretischen Ideen durchsäuerteil Poesie wie z. V. dem Faust." Auch bei
Schiller stört der unbequeme Kantianismus nicht, um ihn gegen den gehaßten
Ketzer Goethe auszuspielen. Denn hätten ihn der „verpreußte" Herzog und
der eifersüchtige Goethe nicht verderben und sterben lassen, so wäre er gewiß —
katholisch geworden. Um gegen Goethe ausgespielt zu werden, ist eben niemand
zu schlecht, weder Lessing noch Herder sind dazu zu ketzerisch, man kann sie ja
hinterdrein einzeln beseitigen. Ja sogar der kleine Theodor Körner muß allen
Ernstes mit seinem glaubenseifrigen Zriny und seiner missionärischen Toni ins
Feld gegen den alten Heiden von Weimar. Bei solcher Gelegenheit ist dann
der alte Heide von Weimar zugleich der unnativnale Mann. Aber wir haben
bereits vorausgeschickt, was von dem „nationalen" Liebeswerben von dieser
Seite zu halten ist. Das würde ihnen freilich passen, wenn die deutsche nationale
Idee nur das Antlitz des Spießbürgers mit dem Rosenkranze trüge und nicht
die Züge Martin Luthers und Wolfgang Goethes. Denen aber, die bei
christlich-nationalen Bestrebungen solcher Natur so gern jenen in die Hände
arbeiten und dabei von ihnen gnädig belobt werden, gleich als sei „der moderne
Arianismus" (das ist die evangelische Religion) wirklich schon in sein letztes
Stadium getreten, und die reuigen Söhne bereit, jeden Augenblick zu dem lang¬
mütigen Vater in Rom zurückzukehren — denen sei empfohlen, auch bei solchen
Anlässen ihren vorgeblichen „Mitstreitern etwas schärfer unter die Augen zu
sehen und sich dabei eines alten, guten Protestantensprüchleins aus dem 17. Jahr¬
hundert zu erinnern, das die gemeinsame Sache mit den Vätern des Ordens
Jesu nicht gerade mit dem Werke des Herrn in eins setzt.




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[0087] Goethe- und Schillerhetzer im Shakespearejahrbuch) widerlegen kann — Katholik. Und die Väter der Gesell¬ schaft Jesu machen sich das zu Nutze und treiben eine höchst anzügliche Shakespearv- manie gegenüber dem „Hypsistaricr" Goethe, dessen „Überschätzung im Grunde nur alifOberflächlichkeit,Beschränktheit und seichterModebildung beruht." Warum? die Antwort steht bei Baumgartner (I, S. 528). Goethe ist eben „im Banne." "Sein Glaubensbekenntnis ist durch das vatikanische Konzil längst feierlich ver¬ urteilt." Das mögen „katholische Goethefreunde aufmerksam erwägen bei einer von häretischen Ideen durchsäuerteil Poesie wie z. V. dem Faust." Auch bei Schiller stört der unbequeme Kantianismus nicht, um ihn gegen den gehaßten Ketzer Goethe auszuspielen. Denn hätten ihn der „verpreußte" Herzog und der eifersüchtige Goethe nicht verderben und sterben lassen, so wäre er gewiß — katholisch geworden. Um gegen Goethe ausgespielt zu werden, ist eben niemand zu schlecht, weder Lessing noch Herder sind dazu zu ketzerisch, man kann sie ja hinterdrein einzeln beseitigen. Ja sogar der kleine Theodor Körner muß allen Ernstes mit seinem glaubenseifrigen Zriny und seiner missionärischen Toni ins Feld gegen den alten Heiden von Weimar. Bei solcher Gelegenheit ist dann der alte Heide von Weimar zugleich der unnativnale Mann. Aber wir haben bereits vorausgeschickt, was von dem „nationalen" Liebeswerben von dieser Seite zu halten ist. Das würde ihnen freilich passen, wenn die deutsche nationale Idee nur das Antlitz des Spießbürgers mit dem Rosenkranze trüge und nicht die Züge Martin Luthers und Wolfgang Goethes. Denen aber, die bei christlich-nationalen Bestrebungen solcher Natur so gern jenen in die Hände arbeiten und dabei von ihnen gnädig belobt werden, gleich als sei „der moderne Arianismus" (das ist die evangelische Religion) wirklich schon in sein letztes Stadium getreten, und die reuigen Söhne bereit, jeden Augenblick zu dem lang¬ mütigen Vater in Rom zurückzukehren — denen sei empfohlen, auch bei solchen Anlässen ihren vorgeblichen „Mitstreitern etwas schärfer unter die Augen zu sehen und sich dabei eines alten, guten Protestantensprüchleins aus dem 17. Jahr¬ hundert zu erinnern, das die gemeinsame Sache mit den Vätern des Ordens Jesu nicht gerade mit dem Werke des Herrn in eins setzt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/87>, abgerufen am 25.05.2024.