Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Humor und 'Komik in der griechischen Kunst

so ungestraft recht herzhaft dreinschlagen zu können, schwelgen; namentlich dem
alten Satyr, der sich mit aller Anstrengung einen tüchtigen Knüttel vom
Baume abbricht, sieht man ordentlich die Angst um, daß er bei dem Spaß am
Ende zu spät kommen könnte.

Zu den Gefährten des Dionysos gehört aber außerdem noch, abgesehen
bon den Mänaden oder Bacchantinnen, die zwar ein sehr wildes, aber kein
komisches Element des bacchischen Gefolges sind, der dicke, in der Regel trunkene
Eilen. Wer kennt ihn nicht, den weinseligen Alten mit der gepletschten Nase,
dein kahlen Kopf und dem mit dichtem Haarwuchs bedeckten, aus kurzen Veiuchen
steckenden, dickbäuchigen Leibe! Meist ist er nicht imstande, sich allein auf den
Beinen zu halten, er muß sich an einen Baum oder auf einen Genossen
stützen, um nicht umzufallen, oder man hat ihn auf ein Maultier gehoben, auf
dein er, so gut es eben geht, hockt oder hängt. Selten fehlt der Trinkbecher
oder der Weinschlauch, mit dein der schmeerbüuchige Alte selbst eine verzweifelte
Ähnlichkeit hat; und der scherzhafte Sinn der Alten setzt den Trunkenbold
gern in der Weise mit Brunnen in Verbindung, daß seinen: Schlauch anstatt
des geliebten Rebensaftes schnödes Wasser entströmt. Freilich ist Silen damit
zu seiner ursprünglichen Aufgabe wieder zurückgekehrt, denn von Hans aus
waren die Silene "mutwillige, gewaltthütige Waldgeister, die namentlich an
reißenden Bächen oder sprudelnden Quellen ihr Wesen trieben." Und so finden
wir denn auch auf der berühmten Ficvronischen Cista, die eine Szene aus der
Argonautenfahrt vorstellt, bei der dort sprudelnden Quelle einen solchen Dick¬
wanst behaglich gelagert; er macht sich offenbar darüber lustig, daß der eine
Jüngling, der die Muße der Landung dazu benutzt, sich an einem aufgehängten
Schlauch (Korykvs) im Faustkampf zu üben, sich solche, "ach der Meinung
des Fanlpelzes recht überflüssige Mühe giebt, und er verspottet ihn, indem er,
ihn nachäffend, ans dein eignen Bauche herumtrvmmelt (freilich wird die Figur
auch in anderen Sinne gedeutet).

Auch der ziegenfüßige Pan ist ein häufiger Begleiter der dionysischen
Festlnst, und einer der ausgelassensten. Schon der ganze Typus ist eine der
besten Schöpfungen der komischen Plastik; zum Verblüffen ähnlich ist meist
das krummnasige Gesicht mit dem struppigen Barte dein ungezogenen Geschlecht
der Böcke, auf deren wilde Sprünge und recht ungeschliffenes Gebahren sich
der Waldgott, der entsprechend seiner zur Hälfte tierischen Natur sich noch
beträchtlich tierischer beträgt als die Satyrn, gar trefflich versteht. Und wenn
die alten Pult-Papas auch manchmal recht ungemütlich werden und den be¬
kannten panischen Schrecken um sich verbreiten können, so sind dafür die kleinen
Puristen umso pvssirlicher in ihrem täppischen Wesen, namentlich wenn sie
sich mit den kleinen Eroten in eine Bvxerei einlassen, wobei freilich der gehörnte
Schlingel bei weitem besser daran ist, als das arme Flügelknäbchcn.

(Schluß folgt)




Humor und 'Komik in der griechischen Kunst

so ungestraft recht herzhaft dreinschlagen zu können, schwelgen; namentlich dem
alten Satyr, der sich mit aller Anstrengung einen tüchtigen Knüttel vom
Baume abbricht, sieht man ordentlich die Angst um, daß er bei dem Spaß am
Ende zu spät kommen könnte.

Zu den Gefährten des Dionysos gehört aber außerdem noch, abgesehen
bon den Mänaden oder Bacchantinnen, die zwar ein sehr wildes, aber kein
komisches Element des bacchischen Gefolges sind, der dicke, in der Regel trunkene
Eilen. Wer kennt ihn nicht, den weinseligen Alten mit der gepletschten Nase,
dein kahlen Kopf und dem mit dichtem Haarwuchs bedeckten, aus kurzen Veiuchen
steckenden, dickbäuchigen Leibe! Meist ist er nicht imstande, sich allein auf den
Beinen zu halten, er muß sich an einen Baum oder auf einen Genossen
stützen, um nicht umzufallen, oder man hat ihn auf ein Maultier gehoben, auf
dein er, so gut es eben geht, hockt oder hängt. Selten fehlt der Trinkbecher
oder der Weinschlauch, mit dein der schmeerbüuchige Alte selbst eine verzweifelte
Ähnlichkeit hat; und der scherzhafte Sinn der Alten setzt den Trunkenbold
gern in der Weise mit Brunnen in Verbindung, daß seinen: Schlauch anstatt
des geliebten Rebensaftes schnödes Wasser entströmt. Freilich ist Silen damit
zu seiner ursprünglichen Aufgabe wieder zurückgekehrt, denn von Hans aus
waren die Silene „mutwillige, gewaltthütige Waldgeister, die namentlich an
reißenden Bächen oder sprudelnden Quellen ihr Wesen trieben." Und so finden
wir denn auch auf der berühmten Ficvronischen Cista, die eine Szene aus der
Argonautenfahrt vorstellt, bei der dort sprudelnden Quelle einen solchen Dick¬
wanst behaglich gelagert; er macht sich offenbar darüber lustig, daß der eine
Jüngling, der die Muße der Landung dazu benutzt, sich an einem aufgehängten
Schlauch (Korykvs) im Faustkampf zu üben, sich solche, »ach der Meinung
des Fanlpelzes recht überflüssige Mühe giebt, und er verspottet ihn, indem er,
ihn nachäffend, ans dein eignen Bauche herumtrvmmelt (freilich wird die Figur
auch in anderen Sinne gedeutet).

Auch der ziegenfüßige Pan ist ein häufiger Begleiter der dionysischen
Festlnst, und einer der ausgelassensten. Schon der ganze Typus ist eine der
besten Schöpfungen der komischen Plastik; zum Verblüffen ähnlich ist meist
das krummnasige Gesicht mit dem struppigen Barte dein ungezogenen Geschlecht
der Böcke, auf deren wilde Sprünge und recht ungeschliffenes Gebahren sich
der Waldgott, der entsprechend seiner zur Hälfte tierischen Natur sich noch
beträchtlich tierischer beträgt als die Satyrn, gar trefflich versteht. Und wenn
die alten Pult-Papas auch manchmal recht ungemütlich werden und den be¬
kannten panischen Schrecken um sich verbreiten können, so sind dafür die kleinen
Puristen umso pvssirlicher in ihrem täppischen Wesen, namentlich wenn sie
sich mit den kleinen Eroten in eine Bvxerei einlassen, wobei freilich der gehörnte
Schlingel bei weitem besser daran ist, als das arme Flügelknäbchcn.

(Schluß folgt)




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0343" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206988"/>
          <fw type="header" place="top"> Humor und 'Komik in der griechischen Kunst</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_898" prev="#ID_897"> so ungestraft recht herzhaft dreinschlagen zu können, schwelgen; namentlich dem<lb/>
alten Satyr, der sich mit aller Anstrengung einen tüchtigen Knüttel vom<lb/>
Baume abbricht, sieht man ordentlich die Angst um, daß er bei dem Spaß am<lb/>
Ende zu spät kommen könnte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_899"> Zu den Gefährten des Dionysos gehört aber außerdem noch, abgesehen<lb/>
bon den Mänaden oder Bacchantinnen, die zwar ein sehr wildes, aber kein<lb/>
komisches Element des bacchischen Gefolges sind, der dicke, in der Regel trunkene<lb/>
Eilen. Wer kennt ihn nicht, den weinseligen Alten mit der gepletschten Nase,<lb/>
dein kahlen Kopf und dem mit dichtem Haarwuchs bedeckten, aus kurzen Veiuchen<lb/>
steckenden, dickbäuchigen Leibe! Meist ist er nicht imstande, sich allein auf den<lb/>
Beinen zu halten, er muß sich an einen Baum oder auf einen Genossen<lb/>
stützen, um nicht umzufallen, oder man hat ihn auf ein Maultier gehoben, auf<lb/>
dein er, so gut es eben geht, hockt oder hängt. Selten fehlt der Trinkbecher<lb/>
oder der Weinschlauch, mit dein der schmeerbüuchige Alte selbst eine verzweifelte<lb/>
Ähnlichkeit hat; und der scherzhafte Sinn der Alten setzt den Trunkenbold<lb/>
gern in der Weise mit Brunnen in Verbindung, daß seinen: Schlauch anstatt<lb/>
des geliebten Rebensaftes schnödes Wasser entströmt. Freilich ist Silen damit<lb/>
zu seiner ursprünglichen Aufgabe wieder zurückgekehrt, denn von Hans aus<lb/>
waren die Silene &#x201E;mutwillige, gewaltthütige Waldgeister, die namentlich an<lb/>
reißenden Bächen oder sprudelnden Quellen ihr Wesen trieben." Und so finden<lb/>
wir denn auch auf der berühmten Ficvronischen Cista, die eine Szene aus der<lb/>
Argonautenfahrt vorstellt, bei der dort sprudelnden Quelle einen solchen Dick¬<lb/>
wanst behaglich gelagert; er macht sich offenbar darüber lustig, daß der eine<lb/>
Jüngling, der die Muße der Landung dazu benutzt, sich an einem aufgehängten<lb/>
Schlauch (Korykvs) im Faustkampf zu üben, sich solche, »ach der Meinung<lb/>
des Fanlpelzes recht überflüssige Mühe giebt, und er verspottet ihn, indem er,<lb/>
ihn nachäffend, ans dein eignen Bauche herumtrvmmelt (freilich wird die Figur<lb/>
auch in anderen Sinne gedeutet).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_900"> Auch der ziegenfüßige Pan ist ein häufiger Begleiter der dionysischen<lb/>
Festlnst, und einer der ausgelassensten. Schon der ganze Typus ist eine der<lb/>
besten Schöpfungen der komischen Plastik; zum Verblüffen ähnlich ist meist<lb/>
das krummnasige Gesicht mit dem struppigen Barte dein ungezogenen Geschlecht<lb/>
der Böcke, auf deren wilde Sprünge und recht ungeschliffenes Gebahren sich<lb/>
der Waldgott, der entsprechend seiner zur Hälfte tierischen Natur sich noch<lb/>
beträchtlich tierischer beträgt als die Satyrn, gar trefflich versteht. Und wenn<lb/>
die alten Pult-Papas auch manchmal recht ungemütlich werden und den be¬<lb/>
kannten panischen Schrecken um sich verbreiten können, so sind dafür die kleinen<lb/>
Puristen umso pvssirlicher in ihrem täppischen Wesen, namentlich wenn sie<lb/>
sich mit den kleinen Eroten in eine Bvxerei einlassen, wobei freilich der gehörnte<lb/>
Schlingel bei weitem besser daran ist, als das arme Flügelknäbchcn.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_901"> (Schluß folgt)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0343] Humor und 'Komik in der griechischen Kunst so ungestraft recht herzhaft dreinschlagen zu können, schwelgen; namentlich dem alten Satyr, der sich mit aller Anstrengung einen tüchtigen Knüttel vom Baume abbricht, sieht man ordentlich die Angst um, daß er bei dem Spaß am Ende zu spät kommen könnte. Zu den Gefährten des Dionysos gehört aber außerdem noch, abgesehen bon den Mänaden oder Bacchantinnen, die zwar ein sehr wildes, aber kein komisches Element des bacchischen Gefolges sind, der dicke, in der Regel trunkene Eilen. Wer kennt ihn nicht, den weinseligen Alten mit der gepletschten Nase, dein kahlen Kopf und dem mit dichtem Haarwuchs bedeckten, aus kurzen Veiuchen steckenden, dickbäuchigen Leibe! Meist ist er nicht imstande, sich allein auf den Beinen zu halten, er muß sich an einen Baum oder auf einen Genossen stützen, um nicht umzufallen, oder man hat ihn auf ein Maultier gehoben, auf dein er, so gut es eben geht, hockt oder hängt. Selten fehlt der Trinkbecher oder der Weinschlauch, mit dein der schmeerbüuchige Alte selbst eine verzweifelte Ähnlichkeit hat; und der scherzhafte Sinn der Alten setzt den Trunkenbold gern in der Weise mit Brunnen in Verbindung, daß seinen: Schlauch anstatt des geliebten Rebensaftes schnödes Wasser entströmt. Freilich ist Silen damit zu seiner ursprünglichen Aufgabe wieder zurückgekehrt, denn von Hans aus waren die Silene „mutwillige, gewaltthütige Waldgeister, die namentlich an reißenden Bächen oder sprudelnden Quellen ihr Wesen trieben." Und so finden wir denn auch auf der berühmten Ficvronischen Cista, die eine Szene aus der Argonautenfahrt vorstellt, bei der dort sprudelnden Quelle einen solchen Dick¬ wanst behaglich gelagert; er macht sich offenbar darüber lustig, daß der eine Jüngling, der die Muße der Landung dazu benutzt, sich an einem aufgehängten Schlauch (Korykvs) im Faustkampf zu üben, sich solche, »ach der Meinung des Fanlpelzes recht überflüssige Mühe giebt, und er verspottet ihn, indem er, ihn nachäffend, ans dein eignen Bauche herumtrvmmelt (freilich wird die Figur auch in anderen Sinne gedeutet). Auch der ziegenfüßige Pan ist ein häufiger Begleiter der dionysischen Festlnst, und einer der ausgelassensten. Schon der ganze Typus ist eine der besten Schöpfungen der komischen Plastik; zum Verblüffen ähnlich ist meist das krummnasige Gesicht mit dem struppigen Barte dein ungezogenen Geschlecht der Böcke, auf deren wilde Sprünge und recht ungeschliffenes Gebahren sich der Waldgott, der entsprechend seiner zur Hälfte tierischen Natur sich noch beträchtlich tierischer beträgt als die Satyrn, gar trefflich versteht. Und wenn die alten Pult-Papas auch manchmal recht ungemütlich werden und den be¬ kannten panischen Schrecken um sich verbreiten können, so sind dafür die kleinen Puristen umso pvssirlicher in ihrem täppischen Wesen, namentlich wenn sie sich mit den kleinen Eroten in eine Bvxerei einlassen, wobei freilich der gehörnte Schlingel bei weitem besser daran ist, als das arme Flügelknäbchcn. (Schluß folgt)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/343
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/343>, abgerufen am 27.05.2024.