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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Die Militärpflicht der Mediziner

akademische" Freiheit, die doch mit militärischer Zucht nicht viel gemein hat.
Der Mediziner könnte ganz gut in den Universitätsferien eingezogen werden,
ebenso wie es bei den Studenten der Jurisprudenz und der Philosophie geschieht.
Während dieser Übungen lernte der angehende Arzt -- in der Uniform der
Lazarethgehilfen -- sich wieder in militärische Verhältnisse fügen, er lernte den
Dienst der Lazarethgehilfen in Revier und Lazareth aus eigner Erfahrung
kennen, und er würde mit Kameraden zusammen gebracht. Außer diesen Vor¬
teilen wäre auch der nicht gering anzuschlagen, daß während dieser Übungen
der swä. ruvä. Erfahrung in der Kraukeitwartung und -Pflege erhielte, wovon
der junge Arzt jetzt kaum eine Ahnung zu haben pflegt- Außer Dienst würde
der Sanitätsvffiziersnspirant (man verzeihe das harte Wort!) wie der Fähnrich
und der Vizefeldwebel der Reserve in den Kreis der Offiziere gezogen werden
müssen, wo er lernen konnte, sich militärisch benehmen und soldatisch fühlen.
Jeden Fehler, den er in dieser Zeit macht, wird er nicht wieder macheu, und
die Rüssel, die er jetzt bekommt, lasten nicht so schwer auf ihm, als wenn er
sie ein paar Jahre später erhalt. Zu den Tugenden eines guten Soldaten
gehört es, Ermahnungen und Strafreden hinzunehmen, ohne darüber in Wut
zu geraten.

!Z. Nach Erledigung der Übungen und des Staatsexamens müßte der Arzt
dann noch eine Unterarztübung machen. Es träte nun die Forderung an ihn
heran, sich als Militärarzt zu üben, und ich bin überzeugt, daß der so vor¬
gebildete Unterarzt nicht nur mit mehr Lust und Liebe, sondern auch mit viel
mehr Erfolg seinen Dienst versähe. Denn geradeheraus gesagt: die Ein¬
jährig-Freiwilligen-Ärzte leisten nichts. Beweis dafür: in einer großen
Garnison, wie Metz und Wilhelmshaven, wo es keinem einjährigen Arzte
einfällt, zu dienen, versehen die Assistenzärzte den Dienst ganz allein, zweifel¬
los thun sie ihn mit größerer Gewandtheit und zum Vorteil des Dienstes.
In andern großen Garnisonen, wie Dresden und Kiel, wohin die einjährigen
Arzte strömen, stehen sie sich im Wege, und wenn es etwas zu thun giebt,
worauf etwas ankommt, kann man sie doch nicht allein schalten und walten
lassen. Ebenso liegen die Verhältnisse in den Universitätsstädten: auch da
strömen die dienstpflichtigen Ärzte zusammen, 'sodaß bei einem Bataillon deren
wohl fünf vorhanden sein können. Was sollen die da lernen? Der Zweck
der Einrichtung der Freiwillige"-Ärzte, erstens, daß sie etwas lernen sollen,
sodann, daß sie den Mangel an aktiven Assistenzärzten decken sollen, wird
nirgends erfüllt. Anders würde sich die Sache gestalten bei den mir vor
Augen schwebenden Unterärzten. Sie hätten eine militärische Schulung, sie
Hütten ihre Fachkenntnisse und -- sie hätten Gehalt. Man müßte ihnen näm¬
lich den Gehalt einer erledigten Assistcnzarztstelle geben. Käme vielleicht gar
"och die Möglichkeit hinzu, daß der Unterarzt auf seinen Wunsch noch länger
"is acht Wochen in seiner Stellung bleiben dürfte, so wäre gewiß mancher


Die Militärpflicht der Mediziner

akademische» Freiheit, die doch mit militärischer Zucht nicht viel gemein hat.
Der Mediziner könnte ganz gut in den Universitätsferien eingezogen werden,
ebenso wie es bei den Studenten der Jurisprudenz und der Philosophie geschieht.
Während dieser Übungen lernte der angehende Arzt — in der Uniform der
Lazarethgehilfen — sich wieder in militärische Verhältnisse fügen, er lernte den
Dienst der Lazarethgehilfen in Revier und Lazareth aus eigner Erfahrung
kennen, und er würde mit Kameraden zusammen gebracht. Außer diesen Vor¬
teilen wäre auch der nicht gering anzuschlagen, daß während dieser Übungen
der swä. ruvä. Erfahrung in der Kraukeitwartung und -Pflege erhielte, wovon
der junge Arzt jetzt kaum eine Ahnung zu haben pflegt- Außer Dienst würde
der Sanitätsvffiziersnspirant (man verzeihe das harte Wort!) wie der Fähnrich
und der Vizefeldwebel der Reserve in den Kreis der Offiziere gezogen werden
müssen, wo er lernen konnte, sich militärisch benehmen und soldatisch fühlen.
Jeden Fehler, den er in dieser Zeit macht, wird er nicht wieder macheu, und
die Rüssel, die er jetzt bekommt, lasten nicht so schwer auf ihm, als wenn er
sie ein paar Jahre später erhalt. Zu den Tugenden eines guten Soldaten
gehört es, Ermahnungen und Strafreden hinzunehmen, ohne darüber in Wut
zu geraten.

!Z. Nach Erledigung der Übungen und des Staatsexamens müßte der Arzt
dann noch eine Unterarztübung machen. Es träte nun die Forderung an ihn
heran, sich als Militärarzt zu üben, und ich bin überzeugt, daß der so vor¬
gebildete Unterarzt nicht nur mit mehr Lust und Liebe, sondern auch mit viel
mehr Erfolg seinen Dienst versähe. Denn geradeheraus gesagt: die Ein¬
jährig-Freiwilligen-Ärzte leisten nichts. Beweis dafür: in einer großen
Garnison, wie Metz und Wilhelmshaven, wo es keinem einjährigen Arzte
einfällt, zu dienen, versehen die Assistenzärzte den Dienst ganz allein, zweifel¬
los thun sie ihn mit größerer Gewandtheit und zum Vorteil des Dienstes.
In andern großen Garnisonen, wie Dresden und Kiel, wohin die einjährigen
Arzte strömen, stehen sie sich im Wege, und wenn es etwas zu thun giebt,
worauf etwas ankommt, kann man sie doch nicht allein schalten und walten
lassen. Ebenso liegen die Verhältnisse in den Universitätsstädten: auch da
strömen die dienstpflichtigen Ärzte zusammen, 'sodaß bei einem Bataillon deren
wohl fünf vorhanden sein können. Was sollen die da lernen? Der Zweck
der Einrichtung der Freiwillige»-Ärzte, erstens, daß sie etwas lernen sollen,
sodann, daß sie den Mangel an aktiven Assistenzärzten decken sollen, wird
nirgends erfüllt. Anders würde sich die Sache gestalten bei den mir vor
Augen schwebenden Unterärzten. Sie hätten eine militärische Schulung, sie
Hütten ihre Fachkenntnisse und — sie hätten Gehalt. Man müßte ihnen näm¬
lich den Gehalt einer erledigten Assistcnzarztstelle geben. Käme vielleicht gar
"och die Möglichkeit hinzu, daß der Unterarzt auf seinen Wunsch noch länger
"is acht Wochen in seiner Stellung bleiben dürfte, so wäre gewiß mancher


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[0559] Die Militärpflicht der Mediziner akademische» Freiheit, die doch mit militärischer Zucht nicht viel gemein hat. Der Mediziner könnte ganz gut in den Universitätsferien eingezogen werden, ebenso wie es bei den Studenten der Jurisprudenz und der Philosophie geschieht. Während dieser Übungen lernte der angehende Arzt — in der Uniform der Lazarethgehilfen — sich wieder in militärische Verhältnisse fügen, er lernte den Dienst der Lazarethgehilfen in Revier und Lazareth aus eigner Erfahrung kennen, und er würde mit Kameraden zusammen gebracht. Außer diesen Vor¬ teilen wäre auch der nicht gering anzuschlagen, daß während dieser Übungen der swä. ruvä. Erfahrung in der Kraukeitwartung und -Pflege erhielte, wovon der junge Arzt jetzt kaum eine Ahnung zu haben pflegt- Außer Dienst würde der Sanitätsvffiziersnspirant (man verzeihe das harte Wort!) wie der Fähnrich und der Vizefeldwebel der Reserve in den Kreis der Offiziere gezogen werden müssen, wo er lernen konnte, sich militärisch benehmen und soldatisch fühlen. Jeden Fehler, den er in dieser Zeit macht, wird er nicht wieder macheu, und die Rüssel, die er jetzt bekommt, lasten nicht so schwer auf ihm, als wenn er sie ein paar Jahre später erhalt. Zu den Tugenden eines guten Soldaten gehört es, Ermahnungen und Strafreden hinzunehmen, ohne darüber in Wut zu geraten. !Z. Nach Erledigung der Übungen und des Staatsexamens müßte der Arzt dann noch eine Unterarztübung machen. Es träte nun die Forderung an ihn heran, sich als Militärarzt zu üben, und ich bin überzeugt, daß der so vor¬ gebildete Unterarzt nicht nur mit mehr Lust und Liebe, sondern auch mit viel mehr Erfolg seinen Dienst versähe. Denn geradeheraus gesagt: die Ein¬ jährig-Freiwilligen-Ärzte leisten nichts. Beweis dafür: in einer großen Garnison, wie Metz und Wilhelmshaven, wo es keinem einjährigen Arzte einfällt, zu dienen, versehen die Assistenzärzte den Dienst ganz allein, zweifel¬ los thun sie ihn mit größerer Gewandtheit und zum Vorteil des Dienstes. In andern großen Garnisonen, wie Dresden und Kiel, wohin die einjährigen Arzte strömen, stehen sie sich im Wege, und wenn es etwas zu thun giebt, worauf etwas ankommt, kann man sie doch nicht allein schalten und walten lassen. Ebenso liegen die Verhältnisse in den Universitätsstädten: auch da strömen die dienstpflichtigen Ärzte zusammen, 'sodaß bei einem Bataillon deren wohl fünf vorhanden sein können. Was sollen die da lernen? Der Zweck der Einrichtung der Freiwillige»-Ärzte, erstens, daß sie etwas lernen sollen, sodann, daß sie den Mangel an aktiven Assistenzärzten decken sollen, wird nirgends erfüllt. Anders würde sich die Sache gestalten bei den mir vor Augen schwebenden Unterärzten. Sie hätten eine militärische Schulung, sie Hütten ihre Fachkenntnisse und — sie hätten Gehalt. Man müßte ihnen näm¬ lich den Gehalt einer erledigten Assistcnzarztstelle geben. Käme vielleicht gar "och die Möglichkeit hinzu, daß der Unterarzt auf seinen Wunsch noch länger "is acht Wochen in seiner Stellung bleiben dürfte, so wäre gewiß mancher

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/559>, abgerufen am 17.06.2024.