Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Fürst Bismarck und die bildende Kunst

schreiben, mit denen Fürst Bismarck als höflicher Manu die häufigen Zu¬
sendungen litterarischer Erzeugnisse beantwortete, liegt uns nur ein bemerkens¬
wertes Urteil im Wortlante vor, das der ehemalige Reichskanzler über ein
Werk eines neuern Unterhaltnngöschriftstellers gefällt hat. Wir glauben aber,
daß mau dem Fürsten Unrecht thun würde, wenn man seinen litterarischen
Geschmack ausschließlich nach dem anerkennnngsvollen Briefe beurteilen wollte,
den er vor sechs Jahren zum Dank für angenehme Unterhaltung "in langen,
dnrch seine Krankheit ihm auferlegten Mußestunden" an den Verfasser der
"Familie Buchholz" geschrieben hat. Wie Friedrich Wilhelm I. sich nur in
tormöntiiz der Malerei befleißigte, so hat Fürst Bismarck vielleicht nur in
körperlichen Nöten zu dem Buche gegriffen.

Nicht viel anders ist es mit seinem Verhältnis zur bildenden Kunst be¬
stellt. Er hat sich von A. v. Werner, von Franz Lenbach und von dem
Engländer W. B. Richmond malen lassen, und zu plastischen Arbeiten für
öffentliche Zwecke hat er, so viel wir wissen und so weit es sich um hervor-
ragende Bildhauer handelt, mir Schayer, Reinhold Begas und Dvnndvrf
Sitzungen gewährt. Das sind sechs künstlerische Persönlichkeiten, die so
ziemlich die entgegengesetzten Pole der verschiednen Richtungen unsrer gegen¬
wärtigen Kunst darstellen, und wenn man daraus wieder einen Schluß ziehen
sollte, könnte man nur sagen, daß Fürst Bismarck entweder, etwa wie in der
Politik, auch in seiner künstlerischen Geschmacksrichtung ein Eklektiker sei, oder
aber, daß er sich eiues eignen Urteils begeben und die künstlerischen Persön¬
lichkeiten an sich habe heraiikvmmen lassen, wie es der Zufall oder gewichtige
Empfehlungen gefügt haben. In engere Beziehungen ist er, wie bekannt, mir
zu dein Maler Lenbach getreten, und diesen wird man demnach als den Künstler
zu betrachten haben, dessen Bildnisse nach der Meinung des Dargestellten des
höchsten Vertrauens oder doch der ernsthaftesten Beachtung würdig siud. Von
'andern Urteilen Bismarcks über Werke der bildenden Kunst ist nichts in
authentischer Fassung öffentlich bekannt geworden. Wie er sich vom Theater¬
besuch aus begreiflichen Gründen fern hielt, so hat er auch keine Kmistaus-
stellnngen besucht. Doch giebt es wenigstens ein gezeichnetes Dokument, aus
dem ein Kunsturteil des Fürsten Bismarck herauszulesen ist: jene mit schnellen
Strichen hingeworfene Skizze A. v. Werners, die den Fürsten mit der dampfenden
Pfeife im Munde schmunzelnd bei der Lektüre von Scheffels "Gaudeamus,"
illustrirt von A. v. Werner, darstellt. In die Sprache des Theaters übersetzt
würde dieses Urteil etwa als ein "Heiterkeits- oder Lacherfolg" zu bezeichnen
sein, und mehr als einen Lacherfolg hat auch die photographisch vervielfältigte
Zeichnung A. v. Werners nicht gehabt, der man mit Recht eine banausische,
um nicht zu sagen ordinäre Auffassung vorgeworfen hat.

Bei einer Besprechung des Verhältnisses des Fürsten Bismarck zur bil-
denden Kunst würde mau also auch mir im Dunkeln umhertappen oder auf


Fürst Bismarck und die bildende Kunst

schreiben, mit denen Fürst Bismarck als höflicher Manu die häufigen Zu¬
sendungen litterarischer Erzeugnisse beantwortete, liegt uns nur ein bemerkens¬
wertes Urteil im Wortlante vor, das der ehemalige Reichskanzler über ein
Werk eines neuern Unterhaltnngöschriftstellers gefällt hat. Wir glauben aber,
daß mau dem Fürsten Unrecht thun würde, wenn man seinen litterarischen
Geschmack ausschließlich nach dem anerkennnngsvollen Briefe beurteilen wollte,
den er vor sechs Jahren zum Dank für angenehme Unterhaltung „in langen,
dnrch seine Krankheit ihm auferlegten Mußestunden" an den Verfasser der
„Familie Buchholz" geschrieben hat. Wie Friedrich Wilhelm I. sich nur in
tormöntiiz der Malerei befleißigte, so hat Fürst Bismarck vielleicht nur in
körperlichen Nöten zu dem Buche gegriffen.

Nicht viel anders ist es mit seinem Verhältnis zur bildenden Kunst be¬
stellt. Er hat sich von A. v. Werner, von Franz Lenbach und von dem
Engländer W. B. Richmond malen lassen, und zu plastischen Arbeiten für
öffentliche Zwecke hat er, so viel wir wissen und so weit es sich um hervor-
ragende Bildhauer handelt, mir Schayer, Reinhold Begas und Dvnndvrf
Sitzungen gewährt. Das sind sechs künstlerische Persönlichkeiten, die so
ziemlich die entgegengesetzten Pole der verschiednen Richtungen unsrer gegen¬
wärtigen Kunst darstellen, und wenn man daraus wieder einen Schluß ziehen
sollte, könnte man nur sagen, daß Fürst Bismarck entweder, etwa wie in der
Politik, auch in seiner künstlerischen Geschmacksrichtung ein Eklektiker sei, oder
aber, daß er sich eiues eignen Urteils begeben und die künstlerischen Persön¬
lichkeiten an sich habe heraiikvmmen lassen, wie es der Zufall oder gewichtige
Empfehlungen gefügt haben. In engere Beziehungen ist er, wie bekannt, mir
zu dein Maler Lenbach getreten, und diesen wird man demnach als den Künstler
zu betrachten haben, dessen Bildnisse nach der Meinung des Dargestellten des
höchsten Vertrauens oder doch der ernsthaftesten Beachtung würdig siud. Von
'andern Urteilen Bismarcks über Werke der bildenden Kunst ist nichts in
authentischer Fassung öffentlich bekannt geworden. Wie er sich vom Theater¬
besuch aus begreiflichen Gründen fern hielt, so hat er auch keine Kmistaus-
stellnngen besucht. Doch giebt es wenigstens ein gezeichnetes Dokument, aus
dem ein Kunsturteil des Fürsten Bismarck herauszulesen ist: jene mit schnellen
Strichen hingeworfene Skizze A. v. Werners, die den Fürsten mit der dampfenden
Pfeife im Munde schmunzelnd bei der Lektüre von Scheffels „Gaudeamus,"
illustrirt von A. v. Werner, darstellt. In die Sprache des Theaters übersetzt
würde dieses Urteil etwa als ein „Heiterkeits- oder Lacherfolg" zu bezeichnen
sein, und mehr als einen Lacherfolg hat auch die photographisch vervielfältigte
Zeichnung A. v. Werners nicht gehabt, der man mit Recht eine banausische,
um nicht zu sagen ordinäre Auffassung vorgeworfen hat.

Bei einer Besprechung des Verhältnisses des Fürsten Bismarck zur bil-
denden Kunst würde mau also auch mir im Dunkeln umhertappen oder auf


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0010" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207947"/>
          <fw type="header" place="top"> Fürst Bismarck und die bildende Kunst</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_4" prev="#ID_3"> schreiben, mit denen Fürst Bismarck als höflicher Manu die häufigen Zu¬<lb/>
sendungen litterarischer Erzeugnisse beantwortete, liegt uns nur ein bemerkens¬<lb/>
wertes Urteil im Wortlante vor, das der ehemalige Reichskanzler über ein<lb/>
Werk eines neuern Unterhaltnngöschriftstellers gefällt hat. Wir glauben aber,<lb/>
daß mau dem Fürsten Unrecht thun würde, wenn man seinen litterarischen<lb/>
Geschmack ausschließlich nach dem anerkennnngsvollen Briefe beurteilen wollte,<lb/>
den er vor sechs Jahren zum Dank für angenehme Unterhaltung &#x201E;in langen,<lb/>
dnrch seine Krankheit ihm auferlegten Mußestunden" an den Verfasser der<lb/>
&#x201E;Familie Buchholz" geschrieben hat. Wie Friedrich Wilhelm I. sich nur in<lb/>
tormöntiiz der Malerei befleißigte, so hat Fürst Bismarck vielleicht nur in<lb/>
körperlichen Nöten zu dem Buche gegriffen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_5"> Nicht viel anders ist es mit seinem Verhältnis zur bildenden Kunst be¬<lb/>
stellt. Er hat sich von A. v. Werner, von Franz Lenbach und von dem<lb/>
Engländer W. B. Richmond malen lassen, und zu plastischen Arbeiten für<lb/>
öffentliche Zwecke hat er, so viel wir wissen und so weit es sich um hervor-<lb/>
ragende Bildhauer handelt, mir Schayer, Reinhold Begas und Dvnndvrf<lb/>
Sitzungen gewährt. Das sind sechs künstlerische Persönlichkeiten, die so<lb/>
ziemlich die entgegengesetzten Pole der verschiednen Richtungen unsrer gegen¬<lb/>
wärtigen Kunst darstellen, und wenn man daraus wieder einen Schluß ziehen<lb/>
sollte, könnte man nur sagen, daß Fürst Bismarck entweder, etwa wie in der<lb/>
Politik, auch in seiner künstlerischen Geschmacksrichtung ein Eklektiker sei, oder<lb/>
aber, daß er sich eiues eignen Urteils begeben und die künstlerischen Persön¬<lb/>
lichkeiten an sich habe heraiikvmmen lassen, wie es der Zufall oder gewichtige<lb/>
Empfehlungen gefügt haben. In engere Beziehungen ist er, wie bekannt, mir<lb/>
zu dein Maler Lenbach getreten, und diesen wird man demnach als den Künstler<lb/>
zu betrachten haben, dessen Bildnisse nach der Meinung des Dargestellten des<lb/>
höchsten Vertrauens oder doch der ernsthaftesten Beachtung würdig siud. Von<lb/>
'andern Urteilen Bismarcks über Werke der bildenden Kunst ist nichts in<lb/>
authentischer Fassung öffentlich bekannt geworden. Wie er sich vom Theater¬<lb/>
besuch aus begreiflichen Gründen fern hielt, so hat er auch keine Kmistaus-<lb/>
stellnngen besucht. Doch giebt es wenigstens ein gezeichnetes Dokument, aus<lb/>
dem ein Kunsturteil des Fürsten Bismarck herauszulesen ist: jene mit schnellen<lb/>
Strichen hingeworfene Skizze A. v. Werners, die den Fürsten mit der dampfenden<lb/>
Pfeife im Munde schmunzelnd bei der Lektüre von Scheffels &#x201E;Gaudeamus,"<lb/>
illustrirt von A. v. Werner, darstellt. In die Sprache des Theaters übersetzt<lb/>
würde dieses Urteil etwa als ein &#x201E;Heiterkeits- oder Lacherfolg" zu bezeichnen<lb/>
sein, und mehr als einen Lacherfolg hat auch die photographisch vervielfältigte<lb/>
Zeichnung A. v. Werners nicht gehabt, der man mit Recht eine banausische,<lb/>
um nicht zu sagen ordinäre Auffassung vorgeworfen hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_6" next="#ID_7"> Bei einer Besprechung des Verhältnisses des Fürsten Bismarck zur bil-<lb/>
denden Kunst würde mau also auch mir im Dunkeln umhertappen oder auf</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0010] Fürst Bismarck und die bildende Kunst schreiben, mit denen Fürst Bismarck als höflicher Manu die häufigen Zu¬ sendungen litterarischer Erzeugnisse beantwortete, liegt uns nur ein bemerkens¬ wertes Urteil im Wortlante vor, das der ehemalige Reichskanzler über ein Werk eines neuern Unterhaltnngöschriftstellers gefällt hat. Wir glauben aber, daß mau dem Fürsten Unrecht thun würde, wenn man seinen litterarischen Geschmack ausschließlich nach dem anerkennnngsvollen Briefe beurteilen wollte, den er vor sechs Jahren zum Dank für angenehme Unterhaltung „in langen, dnrch seine Krankheit ihm auferlegten Mußestunden" an den Verfasser der „Familie Buchholz" geschrieben hat. Wie Friedrich Wilhelm I. sich nur in tormöntiiz der Malerei befleißigte, so hat Fürst Bismarck vielleicht nur in körperlichen Nöten zu dem Buche gegriffen. Nicht viel anders ist es mit seinem Verhältnis zur bildenden Kunst be¬ stellt. Er hat sich von A. v. Werner, von Franz Lenbach und von dem Engländer W. B. Richmond malen lassen, und zu plastischen Arbeiten für öffentliche Zwecke hat er, so viel wir wissen und so weit es sich um hervor- ragende Bildhauer handelt, mir Schayer, Reinhold Begas und Dvnndvrf Sitzungen gewährt. Das sind sechs künstlerische Persönlichkeiten, die so ziemlich die entgegengesetzten Pole der verschiednen Richtungen unsrer gegen¬ wärtigen Kunst darstellen, und wenn man daraus wieder einen Schluß ziehen sollte, könnte man nur sagen, daß Fürst Bismarck entweder, etwa wie in der Politik, auch in seiner künstlerischen Geschmacksrichtung ein Eklektiker sei, oder aber, daß er sich eiues eignen Urteils begeben und die künstlerischen Persön¬ lichkeiten an sich habe heraiikvmmen lassen, wie es der Zufall oder gewichtige Empfehlungen gefügt haben. In engere Beziehungen ist er, wie bekannt, mir zu dein Maler Lenbach getreten, und diesen wird man demnach als den Künstler zu betrachten haben, dessen Bildnisse nach der Meinung des Dargestellten des höchsten Vertrauens oder doch der ernsthaftesten Beachtung würdig siud. Von 'andern Urteilen Bismarcks über Werke der bildenden Kunst ist nichts in authentischer Fassung öffentlich bekannt geworden. Wie er sich vom Theater¬ besuch aus begreiflichen Gründen fern hielt, so hat er auch keine Kmistaus- stellnngen besucht. Doch giebt es wenigstens ein gezeichnetes Dokument, aus dem ein Kunsturteil des Fürsten Bismarck herauszulesen ist: jene mit schnellen Strichen hingeworfene Skizze A. v. Werners, die den Fürsten mit der dampfenden Pfeife im Munde schmunzelnd bei der Lektüre von Scheffels „Gaudeamus," illustrirt von A. v. Werner, darstellt. In die Sprache des Theaters übersetzt würde dieses Urteil etwa als ein „Heiterkeits- oder Lacherfolg" zu bezeichnen sein, und mehr als einen Lacherfolg hat auch die photographisch vervielfältigte Zeichnung A. v. Werners nicht gehabt, der man mit Recht eine banausische, um nicht zu sagen ordinäre Auffassung vorgeworfen hat. Bei einer Besprechung des Verhältnisses des Fürsten Bismarck zur bil- denden Kunst würde mau also auch mir im Dunkeln umhertappen oder auf

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/10
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/10>, abgerufen am 13.05.2024.