Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

müßige Vermutungen angewiesen sein. Der Gefahr, in den Verdacht der
Schmeichelei oder gar einer besondern Absicht zu geraten, ist man freilich
dabei jetzt uicht mehr ausgesetzt. Denn die Lobredner und Schmeichler des
Fürsten Bismarck sind jetzt so selten geworden, daß die findigsten Detektives
der Freisinnigen von der Wasserstiefelpartei schwere Mühe haben, täglich auch
nnr einen dein Richtbeil der "öffentlichen Meinung" zu überliefern. Wenn
wir gleichwohl den Versuch machen, über die Art, wie sich die bildende
Kunst mit dem Fürsten Bismarck während der letzten dreißig Jahre, seit seinem
ersten Auftreten als Staatsmann bis zu seinem Rücktritt, beschäftigt hat, einige
Betrachtungen anzustellen, so hat sich dazu ein äußerer Anlaß durch zwei
jüngst veröffentlichte Bildersammlungen geboten, die einen Überblick über die
an die Person des Fürsten Bismarck geheftete politische Karrikatur ermöglichen,
das Vismarck-Album des Kladderadatsch und das Buch des in Paris lebenden
Schweizers John Grand-Carteret: Li8irn.roK ein <ZMioawro8.^) Das erste war
ursprünglich als eine Festgabe zum fünfundsiebzigsten Geburtstage des Reichs¬
kanzlers gedacht, kam aber zur Ausgabe, als der Rücktritt des Fürsten von
seinen Ämtern bereits vollzogene Thatsache war. Das Buch des französische,?
Schriftstellers, das sich überdies einen weitern Kreis gesteckt hat, ist erst durch
den Abschluß der amtlichen Laufbahn des Fürsten, zum Teil Wohl auch dnrch
die Veröffentlichung des Kladderadatsch, hervorgerufen worden. Es ist also
in drei Monaten zusammengestellt, geschrieben und gedruckt worden und ist dar¬
nach zu beurteilen. Aus den Sammlungen zu seinen frühern Arbeiten über die
Karrikatur in Deutschland, Österreich, Frankreich und der Schweiz hat der Her¬
ausgeber wohl ein reiches Material zur Verfügung gehabt. Aber die Zeit, die
er sich genommen hat, war zu kurz, als daß er den gewaltigen Stoff hätte
systematisch durcharbeiten und das Eigenartige, das die Karrikatur jedes Volks
kennzeichnet, mit genügender Schärfe hervorheben können. Dafür hat er den
Borzug, der erste zu sein, der einen glücklichen Gedanken mit der bekannten
französischen Geschicklichkeit und --- Skrupellosigkeit in der äußern Anordnung
zur Ausführung gebracht hat, und wenn es in dein Texte, mit dem er seine
Auswahl aus der fast unübersehbaren Fülle vou Karrikaturen auf Bismarck
begleitet, auch nicht an irrigen Auffassungen und Auslegungen fehlt, so sind
die leitenden Gedanken doch fast durchweg als richtig anzuerkennen, und die
Gesinnung, die er kundgiebt, ist die eines ehrlichen Mannes, der für die Größe
des Staatsmannes, der dem in Paris heimisch gewordenen französischen Schweizer
nicht immer sympathisch sein konnte, ein vorurteilsfreies Verständnis hat.



Bismarck - Album des Kladderadatsch. Mit dreihundert Zeichnungen von
Wilhelm Scholz und vier faksimilirten Briefen des Reichskanzlers. Berlin, A. Hofmann
und Komp. -- lZisinsrolc on v->.riog,turos. ^oso 140 roprsüllctioris as o-u'le^tui'Siz
Momalläss, "irbrivKisnQSS, kr-my-üsss oto. ?"ris, lädrairis "os,<Iomtzus viäisr (?srrm
se eis.)

müßige Vermutungen angewiesen sein. Der Gefahr, in den Verdacht der
Schmeichelei oder gar einer besondern Absicht zu geraten, ist man freilich
dabei jetzt uicht mehr ausgesetzt. Denn die Lobredner und Schmeichler des
Fürsten Bismarck sind jetzt so selten geworden, daß die findigsten Detektives
der Freisinnigen von der Wasserstiefelpartei schwere Mühe haben, täglich auch
nnr einen dein Richtbeil der „öffentlichen Meinung" zu überliefern. Wenn
wir gleichwohl den Versuch machen, über die Art, wie sich die bildende
Kunst mit dem Fürsten Bismarck während der letzten dreißig Jahre, seit seinem
ersten Auftreten als Staatsmann bis zu seinem Rücktritt, beschäftigt hat, einige
Betrachtungen anzustellen, so hat sich dazu ein äußerer Anlaß durch zwei
jüngst veröffentlichte Bildersammlungen geboten, die einen Überblick über die
an die Person des Fürsten Bismarck geheftete politische Karrikatur ermöglichen,
das Vismarck-Album des Kladderadatsch und das Buch des in Paris lebenden
Schweizers John Grand-Carteret: Li8irn.roK ein <ZMioawro8.^) Das erste war
ursprünglich als eine Festgabe zum fünfundsiebzigsten Geburtstage des Reichs¬
kanzlers gedacht, kam aber zur Ausgabe, als der Rücktritt des Fürsten von
seinen Ämtern bereits vollzogene Thatsache war. Das Buch des französische,?
Schriftstellers, das sich überdies einen weitern Kreis gesteckt hat, ist erst durch
den Abschluß der amtlichen Laufbahn des Fürsten, zum Teil Wohl auch dnrch
die Veröffentlichung des Kladderadatsch, hervorgerufen worden. Es ist also
in drei Monaten zusammengestellt, geschrieben und gedruckt worden und ist dar¬
nach zu beurteilen. Aus den Sammlungen zu seinen frühern Arbeiten über die
Karrikatur in Deutschland, Österreich, Frankreich und der Schweiz hat der Her¬
ausgeber wohl ein reiches Material zur Verfügung gehabt. Aber die Zeit, die
er sich genommen hat, war zu kurz, als daß er den gewaltigen Stoff hätte
systematisch durcharbeiten und das Eigenartige, das die Karrikatur jedes Volks
kennzeichnet, mit genügender Schärfe hervorheben können. Dafür hat er den
Borzug, der erste zu sein, der einen glücklichen Gedanken mit der bekannten
französischen Geschicklichkeit und —- Skrupellosigkeit in der äußern Anordnung
zur Ausführung gebracht hat, und wenn es in dein Texte, mit dem er seine
Auswahl aus der fast unübersehbaren Fülle vou Karrikaturen auf Bismarck
begleitet, auch nicht an irrigen Auffassungen und Auslegungen fehlt, so sind
die leitenden Gedanken doch fast durchweg als richtig anzuerkennen, und die
Gesinnung, die er kundgiebt, ist die eines ehrlichen Mannes, der für die Größe
des Staatsmannes, der dem in Paris heimisch gewordenen französischen Schweizer
nicht immer sympathisch sein konnte, ein vorurteilsfreies Verständnis hat.



Bismarck - Album des Kladderadatsch. Mit dreihundert Zeichnungen von
Wilhelm Scholz und vier faksimilirten Briefen des Reichskanzlers. Berlin, A. Hofmann
und Komp. — lZisinsrolc on v->.riog,turos. ^oso 140 roprsüllctioris as o-u'le^tui'Siz
Momalläss, »irbrivKisnQSS, kr-my-üsss oto. ?»ris, lädrairis »os,<Iomtzus viäisr (?srrm
se eis.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0011" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207948"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_7" prev="#ID_6" next="#ID_8"> müßige Vermutungen angewiesen sein.  Der Gefahr, in den Verdacht der<lb/>
Schmeichelei oder gar einer besondern Absicht zu geraten, ist man freilich<lb/>
dabei jetzt uicht mehr ausgesetzt.  Denn die Lobredner und Schmeichler des<lb/>
Fürsten Bismarck sind jetzt so selten geworden, daß die findigsten Detektives<lb/>
der Freisinnigen von der Wasserstiefelpartei schwere Mühe haben, täglich auch<lb/>
nnr einen dein Richtbeil der &#x201E;öffentlichen Meinung" zu überliefern. Wenn<lb/>
wir gleichwohl den Versuch machen, über die Art, wie sich die bildende<lb/>
Kunst mit dem Fürsten Bismarck während der letzten dreißig Jahre, seit seinem<lb/>
ersten Auftreten als Staatsmann bis zu seinem Rücktritt, beschäftigt hat, einige<lb/>
Betrachtungen anzustellen, so hat sich dazu ein äußerer Anlaß durch zwei<lb/>
jüngst veröffentlichte Bildersammlungen geboten, die einen Überblick über die<lb/>
an die Person des Fürsten Bismarck geheftete politische Karrikatur ermöglichen,<lb/>
das Vismarck-Album des Kladderadatsch und das Buch des in Paris lebenden<lb/>
Schweizers John Grand-Carteret: Li8irn.roK ein &lt;ZMioawro8.^) Das erste war<lb/>
ursprünglich als eine Festgabe zum fünfundsiebzigsten Geburtstage des Reichs¬<lb/>
kanzlers gedacht, kam aber zur Ausgabe, als der Rücktritt des Fürsten von<lb/>
seinen Ämtern bereits vollzogene Thatsache war. Das Buch des französische,?<lb/>
Schriftstellers, das sich überdies einen weitern Kreis gesteckt hat, ist erst durch<lb/>
den Abschluß der amtlichen Laufbahn des Fürsten, zum Teil Wohl auch dnrch<lb/>
die Veröffentlichung des Kladderadatsch, hervorgerufen worden.  Es ist also<lb/>
in drei Monaten zusammengestellt, geschrieben und gedruckt worden und ist dar¬<lb/>
nach zu beurteilen. Aus den Sammlungen zu seinen frühern Arbeiten über die<lb/>
Karrikatur in Deutschland, Österreich, Frankreich und der Schweiz hat der Her¬<lb/>
ausgeber wohl ein reiches Material zur Verfügung gehabt. Aber die Zeit, die<lb/>
er sich genommen hat, war zu kurz, als daß er den gewaltigen Stoff hätte<lb/>
systematisch durcharbeiten und das Eigenartige, das die Karrikatur jedes Volks<lb/>
kennzeichnet, mit genügender Schärfe hervorheben können.  Dafür hat er den<lb/>
Borzug, der erste zu sein, der einen glücklichen Gedanken mit der bekannten<lb/>
französischen Geschicklichkeit und &#x2014;- Skrupellosigkeit in der äußern Anordnung<lb/>
zur Ausführung gebracht hat, und wenn es in dein Texte, mit dem er seine<lb/>
Auswahl aus der fast unübersehbaren Fülle vou Karrikaturen auf Bismarck<lb/>
begleitet, auch nicht an irrigen Auffassungen und Auslegungen fehlt, so sind<lb/>
die leitenden Gedanken doch fast durchweg als richtig anzuerkennen, und die<lb/>
Gesinnung, die er kundgiebt, ist die eines ehrlichen Mannes, der für die Größe<lb/>
des Staatsmannes, der dem in Paris heimisch gewordenen französischen Schweizer<lb/>
nicht immer sympathisch sein konnte, ein vorurteilsfreies Verständnis hat.</p><lb/>
          <note xml:id="FID_2" place="foot"> Bismarck - Album des Kladderadatsch. Mit dreihundert Zeichnungen von<lb/>
Wilhelm Scholz und vier faksimilirten Briefen des Reichskanzlers. Berlin, A. Hofmann<lb/>
und Komp. &#x2014; lZisinsrolc on v-&gt;.riog,turos. ^oso 140 roprsüllctioris as o-u'le^tui'Siz<lb/>
Momalläss, »irbrivKisnQSS, kr-my-üsss oto.  ?»ris, lädrairis »os,&lt;Iomtzus viäisr (?srrm<lb/>
se eis.)</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0011] müßige Vermutungen angewiesen sein. Der Gefahr, in den Verdacht der Schmeichelei oder gar einer besondern Absicht zu geraten, ist man freilich dabei jetzt uicht mehr ausgesetzt. Denn die Lobredner und Schmeichler des Fürsten Bismarck sind jetzt so selten geworden, daß die findigsten Detektives der Freisinnigen von der Wasserstiefelpartei schwere Mühe haben, täglich auch nnr einen dein Richtbeil der „öffentlichen Meinung" zu überliefern. Wenn wir gleichwohl den Versuch machen, über die Art, wie sich die bildende Kunst mit dem Fürsten Bismarck während der letzten dreißig Jahre, seit seinem ersten Auftreten als Staatsmann bis zu seinem Rücktritt, beschäftigt hat, einige Betrachtungen anzustellen, so hat sich dazu ein äußerer Anlaß durch zwei jüngst veröffentlichte Bildersammlungen geboten, die einen Überblick über die an die Person des Fürsten Bismarck geheftete politische Karrikatur ermöglichen, das Vismarck-Album des Kladderadatsch und das Buch des in Paris lebenden Schweizers John Grand-Carteret: Li8irn.roK ein <ZMioawro8.^) Das erste war ursprünglich als eine Festgabe zum fünfundsiebzigsten Geburtstage des Reichs¬ kanzlers gedacht, kam aber zur Ausgabe, als der Rücktritt des Fürsten von seinen Ämtern bereits vollzogene Thatsache war. Das Buch des französische,? Schriftstellers, das sich überdies einen weitern Kreis gesteckt hat, ist erst durch den Abschluß der amtlichen Laufbahn des Fürsten, zum Teil Wohl auch dnrch die Veröffentlichung des Kladderadatsch, hervorgerufen worden. Es ist also in drei Monaten zusammengestellt, geschrieben und gedruckt worden und ist dar¬ nach zu beurteilen. Aus den Sammlungen zu seinen frühern Arbeiten über die Karrikatur in Deutschland, Österreich, Frankreich und der Schweiz hat der Her¬ ausgeber wohl ein reiches Material zur Verfügung gehabt. Aber die Zeit, die er sich genommen hat, war zu kurz, als daß er den gewaltigen Stoff hätte systematisch durcharbeiten und das Eigenartige, das die Karrikatur jedes Volks kennzeichnet, mit genügender Schärfe hervorheben können. Dafür hat er den Borzug, der erste zu sein, der einen glücklichen Gedanken mit der bekannten französischen Geschicklichkeit und —- Skrupellosigkeit in der äußern Anordnung zur Ausführung gebracht hat, und wenn es in dein Texte, mit dem er seine Auswahl aus der fast unübersehbaren Fülle vou Karrikaturen auf Bismarck begleitet, auch nicht an irrigen Auffassungen und Auslegungen fehlt, so sind die leitenden Gedanken doch fast durchweg als richtig anzuerkennen, und die Gesinnung, die er kundgiebt, ist die eines ehrlichen Mannes, der für die Größe des Staatsmannes, der dem in Paris heimisch gewordenen französischen Schweizer nicht immer sympathisch sein konnte, ein vorurteilsfreies Verständnis hat. Bismarck - Album des Kladderadatsch. Mit dreihundert Zeichnungen von Wilhelm Scholz und vier faksimilirten Briefen des Reichskanzlers. Berlin, A. Hofmann und Komp. — lZisinsrolc on v->.riog,turos. ^oso 140 roprsüllctioris as o-u'le^tui'Siz Momalläss, »irbrivKisnQSS, kr-my-üsss oto. ?»ris, lädrairis »os,<Iomtzus viäisr (?srrm se eis.)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/11
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/11>, abgerufen am 26.05.2024.