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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Römische Frühlingslnlder

Kvrsofcchrt zu benutzen, lockt mir eine geringe Anzahl von Wagen hier herauf,
und das Gehen hat auch der moderne Römer noch nicht gelernt. Beinahe
jeder Vormittag und Abend und vollends ein Sonntag Morgen, um dem die
Sonne über dein Hüusermeer von Rom funkelt und die Glockentöne von hundert
Kirchen zu den schönen Pflanzungen am Gianieolo emporwogen, gewährt die
Stille, in der der Empfängliche noch andre Stimmen vernimmt, als die der
Glocken. J" scharfer Deutlichkeit und duftiger Farbenpracht läßt sich von der
Hohe dieses Weges die ewige Stadt bis zu ihren letzten Außenkirchen und die
Eampagnci mit ihren Wasferleitungsbogen überblicken, gewisse Punkte, nament¬
lich der königliche Quirinalpalast mit seinen weiten Hosen, Gärten und Neben¬
bauten, treten hier oben viel schärfer und wirksamer ans der Häuserflut her-
dvr, als nu irgeud einem andern Übersichtspnnkte. Wie der Zauber Roms
vor allem in der täglich wachsenden Gewißheit liegt, daß sein Reichtum offen¬
barer oder nach und nach zu Tage tretender Schönheit niemals zu erschöpfen
ist, so bleibt es der Hnuptreiz der Passegiata Margherita, daß auf jedem
Gange über sie hinweg neue fesselnde Züge, neue Einzelheiten in dem großen
Stadtbilde sich offenbaren. Gewiß, Rom ist nicht an einem Tage erbaut worden,
es kann auch nicht, selbst in der Überschau nicht, an einem Tage gesehen werden.
Der Streit zwischen den empfänglichen, ihrer Eindrücke und Offenbarungen
still wartenden Naturen und den modernen Bädekerreisenden hat seine Wurzel
in dem Trotz, mit dem sich die letztern gegen den tiefern Sinn des alten
Spruches auflehnen.

Die Passegiata Margherita ist nach der ersten Königin des neuen Italiens,
die drüben im Quirinal Hof hält, getauft worden. In ihrer entzückenden
Schönheit birgt sie eine tröstliche Verheißung, daß auch das neue königliche
Rom seinen Teil zu der stillen Majestät und Größe der alten Hauptstadt der
Welt beitragen werde. Freilich erscheint auch diese Anlage in zwei Punkten
echt römisch: um sie schaffen zu können, hat ein Teil der hinter dem Palazzo
Corsini zum Janienlushügel aufsteigenden Gärten, auch der vielbernhmte Kloster¬
garten von San Onvfriv, zerstört werden müssen, und sie ist etwa nur zu zwei
Dritteln fertig geworden. Die Fahrstraße ist allerdings durch- und bis zur
Lvngara hinabgeführt, aber die Schönheit der Anlage, die wirkliche Vollendung
dnrch Baum- und Buschgruppen, durch die Entfaltung südlicher Pflanzenpracht,
der Abschluß und die Befestigung dnrch Stützmauern und Treppen bricht hinter
der Tassoeiche plötzlich ab, und eine Folge von Schuttstätten, Stein- und Lehm¬
haufe", vergrauten Mauern, Halbwüsten Gärten stimmt schlecht zu dem heitern
Anfang und Fortgang des stolzen Höhenweges. Was die Zerstörung anlangt,
der die prächtige Passegiata abgewonnen worden ist, so hat sich hier nnr
wiederholt und erneuert, was wie ein ehernes Gesetz über der ewigen Stadt
und ihren Schicksalen waltet. In alter und neuer Zeit hat hier Geschlecht auf
Geschlecht, um im Schaffe" den eignen großen Sinn bethätigen, um aus den:


Grenzboten 111 1890 22
Römische Frühlingslnlder

Kvrsofcchrt zu benutzen, lockt mir eine geringe Anzahl von Wagen hier herauf,
und das Gehen hat auch der moderne Römer noch nicht gelernt. Beinahe
jeder Vormittag und Abend und vollends ein Sonntag Morgen, um dem die
Sonne über dein Hüusermeer von Rom funkelt und die Glockentöne von hundert
Kirchen zu den schönen Pflanzungen am Gianieolo emporwogen, gewährt die
Stille, in der der Empfängliche noch andre Stimmen vernimmt, als die der
Glocken. J„ scharfer Deutlichkeit und duftiger Farbenpracht läßt sich von der
Hohe dieses Weges die ewige Stadt bis zu ihren letzten Außenkirchen und die
Eampagnci mit ihren Wasferleitungsbogen überblicken, gewisse Punkte, nament¬
lich der königliche Quirinalpalast mit seinen weiten Hosen, Gärten und Neben¬
bauten, treten hier oben viel schärfer und wirksamer ans der Häuserflut her-
dvr, als nu irgeud einem andern Übersichtspnnkte. Wie der Zauber Roms
vor allem in der täglich wachsenden Gewißheit liegt, daß sein Reichtum offen¬
barer oder nach und nach zu Tage tretender Schönheit niemals zu erschöpfen
ist, so bleibt es der Hnuptreiz der Passegiata Margherita, daß auf jedem
Gange über sie hinweg neue fesselnde Züge, neue Einzelheiten in dem großen
Stadtbilde sich offenbaren. Gewiß, Rom ist nicht an einem Tage erbaut worden,
es kann auch nicht, selbst in der Überschau nicht, an einem Tage gesehen werden.
Der Streit zwischen den empfänglichen, ihrer Eindrücke und Offenbarungen
still wartenden Naturen und den modernen Bädekerreisenden hat seine Wurzel
in dem Trotz, mit dem sich die letztern gegen den tiefern Sinn des alten
Spruches auflehnen.

Die Passegiata Margherita ist nach der ersten Königin des neuen Italiens,
die drüben im Quirinal Hof hält, getauft worden. In ihrer entzückenden
Schönheit birgt sie eine tröstliche Verheißung, daß auch das neue königliche
Rom seinen Teil zu der stillen Majestät und Größe der alten Hauptstadt der
Welt beitragen werde. Freilich erscheint auch diese Anlage in zwei Punkten
echt römisch: um sie schaffen zu können, hat ein Teil der hinter dem Palazzo
Corsini zum Janienlushügel aufsteigenden Gärten, auch der vielbernhmte Kloster¬
garten von San Onvfriv, zerstört werden müssen, und sie ist etwa nur zu zwei
Dritteln fertig geworden. Die Fahrstraße ist allerdings durch- und bis zur
Lvngara hinabgeführt, aber die Schönheit der Anlage, die wirkliche Vollendung
dnrch Baum- und Buschgruppen, durch die Entfaltung südlicher Pflanzenpracht,
der Abschluß und die Befestigung dnrch Stützmauern und Treppen bricht hinter
der Tassoeiche plötzlich ab, und eine Folge von Schuttstätten, Stein- und Lehm¬
haufe», vergrauten Mauern, Halbwüsten Gärten stimmt schlecht zu dem heitern
Anfang und Fortgang des stolzen Höhenweges. Was die Zerstörung anlangt,
der die prächtige Passegiata abgewonnen worden ist, so hat sich hier nnr
wiederholt und erneuert, was wie ein ehernes Gesetz über der ewigen Stadt
und ihren Schicksalen waltet. In alter und neuer Zeit hat hier Geschlecht auf
Geschlecht, um im Schaffe» den eignen großen Sinn bethätigen, um aus den:


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[0177] Römische Frühlingslnlder Kvrsofcchrt zu benutzen, lockt mir eine geringe Anzahl von Wagen hier herauf, und das Gehen hat auch der moderne Römer noch nicht gelernt. Beinahe jeder Vormittag und Abend und vollends ein Sonntag Morgen, um dem die Sonne über dein Hüusermeer von Rom funkelt und die Glockentöne von hundert Kirchen zu den schönen Pflanzungen am Gianieolo emporwogen, gewährt die Stille, in der der Empfängliche noch andre Stimmen vernimmt, als die der Glocken. J„ scharfer Deutlichkeit und duftiger Farbenpracht läßt sich von der Hohe dieses Weges die ewige Stadt bis zu ihren letzten Außenkirchen und die Eampagnci mit ihren Wasferleitungsbogen überblicken, gewisse Punkte, nament¬ lich der königliche Quirinalpalast mit seinen weiten Hosen, Gärten und Neben¬ bauten, treten hier oben viel schärfer und wirksamer ans der Häuserflut her- dvr, als nu irgeud einem andern Übersichtspnnkte. Wie der Zauber Roms vor allem in der täglich wachsenden Gewißheit liegt, daß sein Reichtum offen¬ barer oder nach und nach zu Tage tretender Schönheit niemals zu erschöpfen ist, so bleibt es der Hnuptreiz der Passegiata Margherita, daß auf jedem Gange über sie hinweg neue fesselnde Züge, neue Einzelheiten in dem großen Stadtbilde sich offenbaren. Gewiß, Rom ist nicht an einem Tage erbaut worden, es kann auch nicht, selbst in der Überschau nicht, an einem Tage gesehen werden. Der Streit zwischen den empfänglichen, ihrer Eindrücke und Offenbarungen still wartenden Naturen und den modernen Bädekerreisenden hat seine Wurzel in dem Trotz, mit dem sich die letztern gegen den tiefern Sinn des alten Spruches auflehnen. Die Passegiata Margherita ist nach der ersten Königin des neuen Italiens, die drüben im Quirinal Hof hält, getauft worden. In ihrer entzückenden Schönheit birgt sie eine tröstliche Verheißung, daß auch das neue königliche Rom seinen Teil zu der stillen Majestät und Größe der alten Hauptstadt der Welt beitragen werde. Freilich erscheint auch diese Anlage in zwei Punkten echt römisch: um sie schaffen zu können, hat ein Teil der hinter dem Palazzo Corsini zum Janienlushügel aufsteigenden Gärten, auch der vielbernhmte Kloster¬ garten von San Onvfriv, zerstört werden müssen, und sie ist etwa nur zu zwei Dritteln fertig geworden. Die Fahrstraße ist allerdings durch- und bis zur Lvngara hinabgeführt, aber die Schönheit der Anlage, die wirkliche Vollendung dnrch Baum- und Buschgruppen, durch die Entfaltung südlicher Pflanzenpracht, der Abschluß und die Befestigung dnrch Stützmauern und Treppen bricht hinter der Tassoeiche plötzlich ab, und eine Folge von Schuttstätten, Stein- und Lehm¬ haufe», vergrauten Mauern, Halbwüsten Gärten stimmt schlecht zu dem heitern Anfang und Fortgang des stolzen Höhenweges. Was die Zerstörung anlangt, der die prächtige Passegiata abgewonnen worden ist, so hat sich hier nnr wiederholt und erneuert, was wie ein ehernes Gesetz über der ewigen Stadt und ihren Schicksalen waltet. In alter und neuer Zeit hat hier Geschlecht auf Geschlecht, um im Schaffe» den eignen großen Sinn bethätigen, um aus den: Grenzboten 111 1890 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/177>, abgerufen am 17.06.2024.