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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Römische Fvnhliiigsbilder

Vollen schöpfe" zu können, einen Teil des Vergangenen preisgegeben. Wahr¬
scheinlich sind auch bei der Schöpfung der gepriesenen Passegiata Margheritn
lauschige Gartcneinsamkeiten, malerische Winkel und Wege geopfert worden;
mancher ältere Besucher Roms mag milde" in der neuen Herrlichkeit ein lieb-
gewvrdnes Plätzchen, einen stillen Neiz vermissen, doch er wird einräumen
müssen, daß das neuentstandene des Opfers wert sei. Die Unfertigkeit der
großgeplanten Anlage aber entspricht nur allzuvielein, was auch im alten Rom
begonnen und nicht zu Ende geführt worden ist, und in diesem Falle ist ja
an der schließlichen Ausführung des ursprünglichen großen Entwurfs nicht zu
zweifeln. Die weltlichen Könige haben im allgemeinen eine längere Zeit des
Wirkens vor sich als die Priesterkönige des ehemaligen Kirchenstaates, ja sie
stehen im schlimmsten Falle den Bauten und Anlagen ihrer Vorgänger minder
gleichgiltig, ja feindselig gegenüber wie die Päpste früherer Jahrhunderte.

Längst vor der Eröffnung der Passegiata Margherita gab es vom Hngel-
kamme des Monte Gianievlo einzelne von Alters her gepriesene Aussichts¬
punkte. Der Platz vor dem Kirchlein San Pietro in Mvntvrio, der sich un¬
mittelbar über Trastevere, über die heutige Via Garibaldi erhebt, die Terrasse
bei der Fontana dell Acqua Pavlci, dem granitenen und marmornen Brunnen¬
denkmal Papst Pauls V., dessen prachtvoll herabrauschende Wasserströme seit
dein Beginne des siebzehnten Jahrhunderts Hunderttausenden von Beschauern
Auge und Herz erfrischt haben, und eine halbe Stunde davon nordwärts, jen¬
seits zahlloser Gärten, Höfe, Bignen und wüster Flecke, der so hoch gelegene
Klvstergnrten von San Onofriv haben jeder einen herrlichen Niederblick auf
Rom gewährt. Das Verdienst der jüngsten Anlage ist es, nun alle diese
wundervollen Stellen mit einander zu verbinden, die Halbrnndsicht auf Rom
und die Campagna, die der ganze Janiculus gewährt, vollständig zu erschließen,
eine Folge wechselnder Bilder, die ebenso stark zur Phantasie als zum Blick
sprechen, Bilder von großem Zug und unsäglichem Farbenreiz, harmonisch
aneinanderzurücken, in freier Höhe, hoch über den Niederungen des Tiberthales
und am Räude der ausgebreiteten Stadt, einen wahrhaft schonen Spaziergang
geschaffen zu haben, der für künftige Jahrzehnte noch laubigere Schatten, noch
köstlicheren Blütendnft verspricht, als er schon heute spendet. Vom Aufgnng
zur Passegiata, in dessen Nähe auch das berühmte Tempelchen (Tempiettv)
Bramantes steht, bis gegen die Mitte liegt immer ganz Rom mit einer wesent¬
lichen Ausnahme zu Füßen und vor den Augen. Ganz Rom, bis auf die
Leostadt, die, in der Tiefe zwischen dem Janiculus und dem vatikanischen Hügel
steckend, zunächst nicht sichtbar wird, bis mit einemmale links die ungeheure
Kuppel von Sankt Peter, das Weltwahrzeichen Roms, majestätisch in dieblaue
Luft emporragt. Auf dieser Strecke des einzig schönen Weges ist es, wo sich
die Fülle jener Eindrücke zusammendrängt, unter denen der Beschnner, wenn
er nicht ganz stumpf, ganz armselig flach ist, die unter ihm liegende, von Jahr-


Römische Fvnhliiigsbilder

Vollen schöpfe» zu können, einen Teil des Vergangenen preisgegeben. Wahr¬
scheinlich sind auch bei der Schöpfung der gepriesenen Passegiata Margheritn
lauschige Gartcneinsamkeiten, malerische Winkel und Wege geopfert worden;
mancher ältere Besucher Roms mag milde» in der neuen Herrlichkeit ein lieb-
gewvrdnes Plätzchen, einen stillen Neiz vermissen, doch er wird einräumen
müssen, daß das neuentstandene des Opfers wert sei. Die Unfertigkeit der
großgeplanten Anlage aber entspricht nur allzuvielein, was auch im alten Rom
begonnen und nicht zu Ende geführt worden ist, und in diesem Falle ist ja
an der schließlichen Ausführung des ursprünglichen großen Entwurfs nicht zu
zweifeln. Die weltlichen Könige haben im allgemeinen eine längere Zeit des
Wirkens vor sich als die Priesterkönige des ehemaligen Kirchenstaates, ja sie
stehen im schlimmsten Falle den Bauten und Anlagen ihrer Vorgänger minder
gleichgiltig, ja feindselig gegenüber wie die Päpste früherer Jahrhunderte.

Längst vor der Eröffnung der Passegiata Margherita gab es vom Hngel-
kamme des Monte Gianievlo einzelne von Alters her gepriesene Aussichts¬
punkte. Der Platz vor dem Kirchlein San Pietro in Mvntvrio, der sich un¬
mittelbar über Trastevere, über die heutige Via Garibaldi erhebt, die Terrasse
bei der Fontana dell Acqua Pavlci, dem granitenen und marmornen Brunnen¬
denkmal Papst Pauls V., dessen prachtvoll herabrauschende Wasserströme seit
dein Beginne des siebzehnten Jahrhunderts Hunderttausenden von Beschauern
Auge und Herz erfrischt haben, und eine halbe Stunde davon nordwärts, jen¬
seits zahlloser Gärten, Höfe, Bignen und wüster Flecke, der so hoch gelegene
Klvstergnrten von San Onofriv haben jeder einen herrlichen Niederblick auf
Rom gewährt. Das Verdienst der jüngsten Anlage ist es, nun alle diese
wundervollen Stellen mit einander zu verbinden, die Halbrnndsicht auf Rom
und die Campagna, die der ganze Janiculus gewährt, vollständig zu erschließen,
eine Folge wechselnder Bilder, die ebenso stark zur Phantasie als zum Blick
sprechen, Bilder von großem Zug und unsäglichem Farbenreiz, harmonisch
aneinanderzurücken, in freier Höhe, hoch über den Niederungen des Tiberthales
und am Räude der ausgebreiteten Stadt, einen wahrhaft schonen Spaziergang
geschaffen zu haben, der für künftige Jahrzehnte noch laubigere Schatten, noch
köstlicheren Blütendnft verspricht, als er schon heute spendet. Vom Aufgnng
zur Passegiata, in dessen Nähe auch das berühmte Tempelchen (Tempiettv)
Bramantes steht, bis gegen die Mitte liegt immer ganz Rom mit einer wesent¬
lichen Ausnahme zu Füßen und vor den Augen. Ganz Rom, bis auf die
Leostadt, die, in der Tiefe zwischen dem Janiculus und dem vatikanischen Hügel
steckend, zunächst nicht sichtbar wird, bis mit einemmale links die ungeheure
Kuppel von Sankt Peter, das Weltwahrzeichen Roms, majestätisch in dieblaue
Luft emporragt. Auf dieser Strecke des einzig schönen Weges ist es, wo sich
die Fülle jener Eindrücke zusammendrängt, unter denen der Beschnner, wenn
er nicht ganz stumpf, ganz armselig flach ist, die unter ihm liegende, von Jahr-


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[0178] Römische Fvnhliiigsbilder Vollen schöpfe» zu können, einen Teil des Vergangenen preisgegeben. Wahr¬ scheinlich sind auch bei der Schöpfung der gepriesenen Passegiata Margheritn lauschige Gartcneinsamkeiten, malerische Winkel und Wege geopfert worden; mancher ältere Besucher Roms mag milde» in der neuen Herrlichkeit ein lieb- gewvrdnes Plätzchen, einen stillen Neiz vermissen, doch er wird einräumen müssen, daß das neuentstandene des Opfers wert sei. Die Unfertigkeit der großgeplanten Anlage aber entspricht nur allzuvielein, was auch im alten Rom begonnen und nicht zu Ende geführt worden ist, und in diesem Falle ist ja an der schließlichen Ausführung des ursprünglichen großen Entwurfs nicht zu zweifeln. Die weltlichen Könige haben im allgemeinen eine längere Zeit des Wirkens vor sich als die Priesterkönige des ehemaligen Kirchenstaates, ja sie stehen im schlimmsten Falle den Bauten und Anlagen ihrer Vorgänger minder gleichgiltig, ja feindselig gegenüber wie die Päpste früherer Jahrhunderte. Längst vor der Eröffnung der Passegiata Margherita gab es vom Hngel- kamme des Monte Gianievlo einzelne von Alters her gepriesene Aussichts¬ punkte. Der Platz vor dem Kirchlein San Pietro in Mvntvrio, der sich un¬ mittelbar über Trastevere, über die heutige Via Garibaldi erhebt, die Terrasse bei der Fontana dell Acqua Pavlci, dem granitenen und marmornen Brunnen¬ denkmal Papst Pauls V., dessen prachtvoll herabrauschende Wasserströme seit dein Beginne des siebzehnten Jahrhunderts Hunderttausenden von Beschauern Auge und Herz erfrischt haben, und eine halbe Stunde davon nordwärts, jen¬ seits zahlloser Gärten, Höfe, Bignen und wüster Flecke, der so hoch gelegene Klvstergnrten von San Onofriv haben jeder einen herrlichen Niederblick auf Rom gewährt. Das Verdienst der jüngsten Anlage ist es, nun alle diese wundervollen Stellen mit einander zu verbinden, die Halbrnndsicht auf Rom und die Campagna, die der ganze Janiculus gewährt, vollständig zu erschließen, eine Folge wechselnder Bilder, die ebenso stark zur Phantasie als zum Blick sprechen, Bilder von großem Zug und unsäglichem Farbenreiz, harmonisch aneinanderzurücken, in freier Höhe, hoch über den Niederungen des Tiberthales und am Räude der ausgebreiteten Stadt, einen wahrhaft schonen Spaziergang geschaffen zu haben, der für künftige Jahrzehnte noch laubigere Schatten, noch köstlicheren Blütendnft verspricht, als er schon heute spendet. Vom Aufgnng zur Passegiata, in dessen Nähe auch das berühmte Tempelchen (Tempiettv) Bramantes steht, bis gegen die Mitte liegt immer ganz Rom mit einer wesent¬ lichen Ausnahme zu Füßen und vor den Augen. Ganz Rom, bis auf die Leostadt, die, in der Tiefe zwischen dem Janiculus und dem vatikanischen Hügel steckend, zunächst nicht sichtbar wird, bis mit einemmale links die ungeheure Kuppel von Sankt Peter, das Weltwahrzeichen Roms, majestätisch in dieblaue Luft emporragt. Auf dieser Strecke des einzig schönen Weges ist es, wo sich die Fülle jener Eindrücke zusammendrängt, unter denen der Beschnner, wenn er nicht ganz stumpf, ganz armselig flach ist, die unter ihm liegende, von Jahr-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/178>, abgerufen am 17.06.2024.