Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.Doppelsterne Schnelligkeit des Lichtes nur eine äußerst geringe sein und würde nicht fest¬ Auf der Harvard-Sternwarte zu Cambridge in Nordamerika wurden seit Gleichzeitig mit dieser Entdeckung ist eine ähnliche von Professor Vogel Grenzboten III 1890 M
Doppelsterne Schnelligkeit des Lichtes nur eine äußerst geringe sein und würde nicht fest¬ Auf der Harvard-Sternwarte zu Cambridge in Nordamerika wurden seit Gleichzeitig mit dieser Entdeckung ist eine ähnliche von Professor Vogel Grenzboten III 1890 M
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0185" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208122"/> <fw type="header" place="top"> Doppelsterne</fw><lb/> <p xml:id="ID_501" prev="#ID_500"> Schnelligkeit des Lichtes nur eine äußerst geringe sein und würde nicht fest¬<lb/> gestellt werden können, wenn Nur nicht an den das Spektrum quer durch¬<lb/> schneidenden Frauuhoferscheu Linien einen festen Anhaltepunkt hätten. Wenn<lb/> wir uns nun den Fall vorstellen, daß von zwei dicht neben einander liegenden<lb/> Lichtquellen ein gemeinsames Spektrum hervorgebracht wird, so werden,<lb/> wenn diese beiden Lichtquellen derart auseinanderrücken, daß die eine sich<lb/> nähert, die andre sich entfernt, sich die gemeinsamen Linien in zwei neben<lb/> einander stehende teilen, da das eine Wellenbild nach rechts, das andre<lb/> nach links rückt. Nunmehr kehren wir zur Frage von der Natur der Doppel¬<lb/> sterne zurück.</p><lb/> <p xml:id="ID_502"> Auf der Harvard-Sternwarte zu Cambridge in Nordamerika wurden seit<lb/> mehreren Jahren photographische Ausnahmen von Sternspektren gemacht und<lb/> die in denselben befindlichen dunkeln Linien studirt. Unter diesen Sternen be¬<lb/> fand sich der Stern Mizar des großen Bären, derselbe, der das Sternchen<lb/> Alkvr, das Reiterchen, über sich hat. Im Ende des Jahres 1889 fand man,<lb/> daß eine der dunkeln Linien des Spektrums dieses Sternes sich von Zeit zu<lb/> Zeit verdoppelte, und daß diese Verdoppelung mit großer Regelmäßigkeit in<lb/> 52 Tagen wiederkehre. Nach der Rechnung mußte sie am 8. Dezember 1889<lb/> eintreten, und in der That zeigen drei an jenem Tage erhaltene Photographien<lb/> die erwähnte Dvppellinie. Die einzige befriedigende Erklärung dieser Thatsache<lb/> liegt nun in der Annahme, daß der Stern Mizar ein überaus enger Doppelstern<lb/> ist, eine zweifache Sonne, deren Komponenten fast gleich hell sind und so nahe<lb/> bei einander stehen, daß kein Fernrohr sie zu trennen vermag. Auch im<lb/> Spektroskop fallen die Spektra beider Sterne mit ihren dunkeln Linien genau<lb/> auf einander. Nun aber bewegen sich beide Sterne um ihren gemeinsamen<lb/> Schwerpunkt. Bewegt sich bei dieser Umlaufsbewegung der eine der beiden<lb/> Sterne in der Richtung ans die Erde zu, so müssen sich die Linien seines<lb/> Spektrums gegen das blaue Ende verschieben. Gleichzeitig aber bewegt sich<lb/> der zweite Stern in entgegengesetzter Richtung. Die Linien des Spektrums<lb/> werden daher gegen das rote Ende verschoben, und die zuvor aus einander<lb/> fallenden Linien rücken aus einander. Daraus, daß dies Auseinandertreten<lb/> der Spektrallinien regelmäßig aller 52 Tage wiederkehrt, ergiebt sich, daß<lb/> die Umlaufsbewegung beider Sterne 104 Tage betragen muß. Durch genaue<lb/> Messungen der Weite der Verdoppelung der Linien hat man ferner ermittelt,<lb/> daß der eine der beiden Sterne eine Bahn von 1450 Millionen Kilometer<lb/> durchläuft, und daß beide Sterne 230 Millionen Kilometer von einander<lb/> entfernt sind. Die gesamte Masse beider Sterne übertrifft diejenige unsrer<lb/> Sonne wenigstens um das Vierzigfache!</p><lb/> <p xml:id="ID_503" next="#ID_504"> Gleichzeitig mit dieser Entdeckung ist eine ähnliche von Professor Vogel<lb/> auf der Potsdamer Sternwarte gemacht worden. Von den, Stern Algol im<lb/> Sternbilde des Perseus war es seit langem bekannt, daß er in regelmäßiger</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1890 M</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0185]
Doppelsterne
Schnelligkeit des Lichtes nur eine äußerst geringe sein und würde nicht fest¬
gestellt werden können, wenn Nur nicht an den das Spektrum quer durch¬
schneidenden Frauuhoferscheu Linien einen festen Anhaltepunkt hätten. Wenn
wir uns nun den Fall vorstellen, daß von zwei dicht neben einander liegenden
Lichtquellen ein gemeinsames Spektrum hervorgebracht wird, so werden,
wenn diese beiden Lichtquellen derart auseinanderrücken, daß die eine sich
nähert, die andre sich entfernt, sich die gemeinsamen Linien in zwei neben
einander stehende teilen, da das eine Wellenbild nach rechts, das andre
nach links rückt. Nunmehr kehren wir zur Frage von der Natur der Doppel¬
sterne zurück.
Auf der Harvard-Sternwarte zu Cambridge in Nordamerika wurden seit
mehreren Jahren photographische Ausnahmen von Sternspektren gemacht und
die in denselben befindlichen dunkeln Linien studirt. Unter diesen Sternen be¬
fand sich der Stern Mizar des großen Bären, derselbe, der das Sternchen
Alkvr, das Reiterchen, über sich hat. Im Ende des Jahres 1889 fand man,
daß eine der dunkeln Linien des Spektrums dieses Sternes sich von Zeit zu
Zeit verdoppelte, und daß diese Verdoppelung mit großer Regelmäßigkeit in
52 Tagen wiederkehre. Nach der Rechnung mußte sie am 8. Dezember 1889
eintreten, und in der That zeigen drei an jenem Tage erhaltene Photographien
die erwähnte Dvppellinie. Die einzige befriedigende Erklärung dieser Thatsache
liegt nun in der Annahme, daß der Stern Mizar ein überaus enger Doppelstern
ist, eine zweifache Sonne, deren Komponenten fast gleich hell sind und so nahe
bei einander stehen, daß kein Fernrohr sie zu trennen vermag. Auch im
Spektroskop fallen die Spektra beider Sterne mit ihren dunkeln Linien genau
auf einander. Nun aber bewegen sich beide Sterne um ihren gemeinsamen
Schwerpunkt. Bewegt sich bei dieser Umlaufsbewegung der eine der beiden
Sterne in der Richtung ans die Erde zu, so müssen sich die Linien seines
Spektrums gegen das blaue Ende verschieben. Gleichzeitig aber bewegt sich
der zweite Stern in entgegengesetzter Richtung. Die Linien des Spektrums
werden daher gegen das rote Ende verschoben, und die zuvor aus einander
fallenden Linien rücken aus einander. Daraus, daß dies Auseinandertreten
der Spektrallinien regelmäßig aller 52 Tage wiederkehrt, ergiebt sich, daß
die Umlaufsbewegung beider Sterne 104 Tage betragen muß. Durch genaue
Messungen der Weite der Verdoppelung der Linien hat man ferner ermittelt,
daß der eine der beiden Sterne eine Bahn von 1450 Millionen Kilometer
durchläuft, und daß beide Sterne 230 Millionen Kilometer von einander
entfernt sind. Die gesamte Masse beider Sterne übertrifft diejenige unsrer
Sonne wenigstens um das Vierzigfache!
Gleichzeitig mit dieser Entdeckung ist eine ähnliche von Professor Vogel
auf der Potsdamer Sternwarte gemacht worden. Von den, Stern Algol im
Sternbilde des Perseus war es seit langem bekannt, daß er in regelmäßiger
Grenzboten III 1890 M
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