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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Doppelsterne

fähigkeit der Teleskope hat Grenzen, denen wir vielleicht scholl ziemlich nahe
gekommen sind. Auch bildet die Atmosphäre el" großes Hindernis, wenn es
sich um sehr feine Beobachtungen handelt. Da tritt fast unerwartet die Spektral-
Photographie hilfreich ein und lehrt uns sogar Doppelsterne erkennen, die
niemals ein Fernrohr trennen kann, und andre, deren einer Teil überhaupt
unsichtbar ist. Wie ist das aber möglich?

Zum bessern Verständnisse des Nachfolgenden möge mir gestattet fein, einige
Bemerkungen einzuschalten. Wenn mau an einer Eisenbahn steht, und el"
Schnellzug fährt vorüber, dessen Lokomotivpfeife ertönt, so hören wir beim Nahen
des Zuges deu Ton der Pfeife nicht allein lauter, sondern auch höher werden. Beim
Entfernen des Zuges sinkt die Tonhöhe. Wie hängt das zusammen ? Die Pfeife
sendet einen Ton aus, von dem wir annehmen wollen, daß er 500 Schwingungen
in der Sekunde habe. Die einzelnen Schwingungen, die aus einer stoßweisen
Vorwärtsbewegung der Luft und darauffolgenden Verzögerung bestehen, brauchen
eine Sekunde, um den Weg von AjO Meter zurückzulegen. Ertönt die Pfeife
bei stillstehender Maschine aus einer Entfernung von Metern, so langen die
dein Tone entsprechenden Wellen nach einer Sekunde an. Wenn sich aber die
Maschine zugleich dem Hörer nähert, nehmen wir an mit gleicher Schnelligkeit
wie der Ton, so empfangen wir in dieser Zeit die doppelte Anzahl von Ton-
Wellen, und der Ton erhöht sich in die Oktave. Oder braucht die Maschine,
um AZO Meter zurückzulegen, 20 Sekunden, so empfangen wir in dieser Zeit
500 -j- ^, also 525 Tonwellen und hören einen um dies Maß erhöhten Ton.
Das Umgekehrte findet statt, wenn sich der Tvngeber entfernt. Der Ton ver¬
tieft sich in demselben Maße, als er sich zuvor erhöht hatte. Nun kann mau
mit Hilfe einer mitschwingenden Membran Töne niederschreiben. Die Schrift
besteht in einer regelmüßigen Folge von Wellen. Bei einem Tone eines fest¬
stehenden Tongebers würden wir auf einer Fläche, die in einer Sekunde
vorübergeht, 500 Wellen, bei einem Tone eines sich nähernden Tongebers
mehr als 500 Wellen, d. h. ein nach links verschvbues Wellenbild haben. Das
Umgekehrte geschieht, wenn sich der Tvngeber entfernt; das Wellenbild ver¬
schiebt sich nach rechts.

Nun besteht auch das Licht aus Wellen, und zwar ans solchen des Äthers.
Das Spektrum ist das Bild eines in seine Bestandteile zerlegten Lichtstrahles.
Hier geschieht nun genau dasselbe, was oben beim Tone eines bewegten Tvn-
gebers gezeigt wurde, wenn sich die Lichtquelle uns nähert oder sich von uns
entfernt. Wir erhalten bei eiuer sich nähernden Lichtquelle eine größere Zahl,
bei einer sich entfernenden eine geringere Zahl von Lichtwellen, als die ruhende
Lichtquelle ausgesendet haben würde. Demzufolge muß sich das Lichtbild bei
einer sich nähernden Lichtquelle "ach der Seite der höhern Wellenzahl, also
nach der violetten Seite des Spektrums, im umgekehrten Falle nach dessen
roter Seite verschieben. Aber diese Verschiebung kann bei der ungeheuern


Doppelsterne

fähigkeit der Teleskope hat Grenzen, denen wir vielleicht scholl ziemlich nahe
gekommen sind. Auch bildet die Atmosphäre el» großes Hindernis, wenn es
sich um sehr feine Beobachtungen handelt. Da tritt fast unerwartet die Spektral-
Photographie hilfreich ein und lehrt uns sogar Doppelsterne erkennen, die
niemals ein Fernrohr trennen kann, und andre, deren einer Teil überhaupt
unsichtbar ist. Wie ist das aber möglich?

Zum bessern Verständnisse des Nachfolgenden möge mir gestattet fein, einige
Bemerkungen einzuschalten. Wenn mau an einer Eisenbahn steht, und el»
Schnellzug fährt vorüber, dessen Lokomotivpfeife ertönt, so hören wir beim Nahen
des Zuges deu Ton der Pfeife nicht allein lauter, sondern auch höher werden. Beim
Entfernen des Zuges sinkt die Tonhöhe. Wie hängt das zusammen ? Die Pfeife
sendet einen Ton aus, von dem wir annehmen wollen, daß er 500 Schwingungen
in der Sekunde habe. Die einzelnen Schwingungen, die aus einer stoßweisen
Vorwärtsbewegung der Luft und darauffolgenden Verzögerung bestehen, brauchen
eine Sekunde, um den Weg von AjO Meter zurückzulegen. Ertönt die Pfeife
bei stillstehender Maschine aus einer Entfernung von Metern, so langen die
dein Tone entsprechenden Wellen nach einer Sekunde an. Wenn sich aber die
Maschine zugleich dem Hörer nähert, nehmen wir an mit gleicher Schnelligkeit
wie der Ton, so empfangen wir in dieser Zeit die doppelte Anzahl von Ton-
Wellen, und der Ton erhöht sich in die Oktave. Oder braucht die Maschine,
um AZO Meter zurückzulegen, 20 Sekunden, so empfangen wir in dieser Zeit
500 -j- ^, also 525 Tonwellen und hören einen um dies Maß erhöhten Ton.
Das Umgekehrte findet statt, wenn sich der Tvngeber entfernt. Der Ton ver¬
tieft sich in demselben Maße, als er sich zuvor erhöht hatte. Nun kann mau
mit Hilfe einer mitschwingenden Membran Töne niederschreiben. Die Schrift
besteht in einer regelmüßigen Folge von Wellen. Bei einem Tone eines fest¬
stehenden Tongebers würden wir auf einer Fläche, die in einer Sekunde
vorübergeht, 500 Wellen, bei einem Tone eines sich nähernden Tongebers
mehr als 500 Wellen, d. h. ein nach links verschvbues Wellenbild haben. Das
Umgekehrte geschieht, wenn sich der Tvngeber entfernt; das Wellenbild ver¬
schiebt sich nach rechts.

Nun besteht auch das Licht aus Wellen, und zwar ans solchen des Äthers.
Das Spektrum ist das Bild eines in seine Bestandteile zerlegten Lichtstrahles.
Hier geschieht nun genau dasselbe, was oben beim Tone eines bewegten Tvn-
gebers gezeigt wurde, wenn sich die Lichtquelle uns nähert oder sich von uns
entfernt. Wir erhalten bei eiuer sich nähernden Lichtquelle eine größere Zahl,
bei einer sich entfernenden eine geringere Zahl von Lichtwellen, als die ruhende
Lichtquelle ausgesendet haben würde. Demzufolge muß sich das Lichtbild bei
einer sich nähernden Lichtquelle »ach der Seite der höhern Wellenzahl, also
nach der violetten Seite des Spektrums, im umgekehrten Falle nach dessen
roter Seite verschieben. Aber diese Verschiebung kann bei der ungeheuern


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[0184] Doppelsterne fähigkeit der Teleskope hat Grenzen, denen wir vielleicht scholl ziemlich nahe gekommen sind. Auch bildet die Atmosphäre el» großes Hindernis, wenn es sich um sehr feine Beobachtungen handelt. Da tritt fast unerwartet die Spektral- Photographie hilfreich ein und lehrt uns sogar Doppelsterne erkennen, die niemals ein Fernrohr trennen kann, und andre, deren einer Teil überhaupt unsichtbar ist. Wie ist das aber möglich? Zum bessern Verständnisse des Nachfolgenden möge mir gestattet fein, einige Bemerkungen einzuschalten. Wenn mau an einer Eisenbahn steht, und el» Schnellzug fährt vorüber, dessen Lokomotivpfeife ertönt, so hören wir beim Nahen des Zuges deu Ton der Pfeife nicht allein lauter, sondern auch höher werden. Beim Entfernen des Zuges sinkt die Tonhöhe. Wie hängt das zusammen ? Die Pfeife sendet einen Ton aus, von dem wir annehmen wollen, daß er 500 Schwingungen in der Sekunde habe. Die einzelnen Schwingungen, die aus einer stoßweisen Vorwärtsbewegung der Luft und darauffolgenden Verzögerung bestehen, brauchen eine Sekunde, um den Weg von AjO Meter zurückzulegen. Ertönt die Pfeife bei stillstehender Maschine aus einer Entfernung von Metern, so langen die dein Tone entsprechenden Wellen nach einer Sekunde an. Wenn sich aber die Maschine zugleich dem Hörer nähert, nehmen wir an mit gleicher Schnelligkeit wie der Ton, so empfangen wir in dieser Zeit die doppelte Anzahl von Ton- Wellen, und der Ton erhöht sich in die Oktave. Oder braucht die Maschine, um AZO Meter zurückzulegen, 20 Sekunden, so empfangen wir in dieser Zeit 500 -j- ^, also 525 Tonwellen und hören einen um dies Maß erhöhten Ton. Das Umgekehrte findet statt, wenn sich der Tvngeber entfernt. Der Ton ver¬ tieft sich in demselben Maße, als er sich zuvor erhöht hatte. Nun kann mau mit Hilfe einer mitschwingenden Membran Töne niederschreiben. Die Schrift besteht in einer regelmüßigen Folge von Wellen. Bei einem Tone eines fest¬ stehenden Tongebers würden wir auf einer Fläche, die in einer Sekunde vorübergeht, 500 Wellen, bei einem Tone eines sich nähernden Tongebers mehr als 500 Wellen, d. h. ein nach links verschvbues Wellenbild haben. Das Umgekehrte geschieht, wenn sich der Tvngeber entfernt; das Wellenbild ver¬ schiebt sich nach rechts. Nun besteht auch das Licht aus Wellen, und zwar ans solchen des Äthers. Das Spektrum ist das Bild eines in seine Bestandteile zerlegten Lichtstrahles. Hier geschieht nun genau dasselbe, was oben beim Tone eines bewegten Tvn- gebers gezeigt wurde, wenn sich die Lichtquelle uns nähert oder sich von uns entfernt. Wir erhalten bei eiuer sich nähernden Lichtquelle eine größere Zahl, bei einer sich entfernenden eine geringere Zahl von Lichtwellen, als die ruhende Lichtquelle ausgesendet haben würde. Demzufolge muß sich das Lichtbild bei einer sich nähernden Lichtquelle »ach der Seite der höhern Wellenzahl, also nach der violetten Seite des Spektrums, im umgekehrten Falle nach dessen roter Seite verschieben. Aber diese Verschiebung kann bei der ungeheuern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/184>, abgerufen am 17.06.2024.