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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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In sicherlich sind Sie es! Zu Butter, Brot und Käse und einem Gläschen
Portwein ist man immer aufgelegt! Also warten Sie lieber mit der Pfeife,
bis Sie gegessen haben!

Während mein improvisirter Wirt draußen war, that ich, was man ge¬
wöhnlich unter solchen Umständen zu thun pflegt: ich sah mich um. Es war
gemütlich hier, eine elegante und doch ziemlich aparte Studentenwohnung. Im
Fenster grünten Epheu und Hängepflanzen; ein schöner Schreibtisch von Eichen¬
holz, auf dem ich das dänische Gesetz Christians V. und ein paar juristische
Lehrbücher fand, stand schräg in einer Ecke, dahinter erhob sich vou der Erde
bis zur Decke ein Regal mit ausgestopften Vögeln und Tieren in Spiritus
und ein Gestell mit Neagentiengläsern. An der einen Wand hingen über dem
Sofa einige Jagdflinten und ein paar große Familienbilder, die Seitenwände
wurden durch einige mehr oder weniger abnorme Geweihe geziert, auf deren weißen
Schildern angegeben war, wo und wann der betreffende Bock geschossen worden war.

Sie sind eifriger Jäger? fragte ich, als Blau zurück kam und wir unsre
Käsemahlzeit verzehrten.

Ich bins gewesen und kann es wieder werden, aber vor der Hand rühre
ich kaum an eine Büchse. Sind Sie Jäger?

Ja, das bin ich; ich werde Forstmann!

Das freut mich! Willkommen aus gute Freundschaft!

Ich hätte nicht gedacht, daß Sie Jurist wären, sagte ich darauf.

Er lachte. Nein, das glaube ich gern, denn ich weiß selber nichts davon!

Ja, aber das Gesetz Christians V. und --

O der Plunder! Sehen Sie, mein Vormund wollte durchaus, daß ich
Student werden sollte das wurde ich denn auch, dritte Zensur übrigens --,
und dann schien es ihm zweckmäßig, wenn ich das juristische Examen machte.
Ich war fügsam und schaffte mir einen Leitfaden und einige andre Bücher an,
aber nachdem ich es ungefähr einen Monat lang ausgehalten hatte, wurde mir
dies Studium zu lebhaft.

Und nun sind Sie Mediziner? fragte ich mit einem Blick auf die zoo¬
logischen Präparate.

Nein, wie kommen Sie darauf?

Aber was studiren Sie denn eigentlich?

Sagen Sie es mir! Ich studire alles mögliche und nichts, ganz wie
Sie wollen. Meiner Wehrpflicht habe ich genügt -- natürlich bei den Dra¬
gonern --, und in anderthnlben Jahren bin ich mündig; dann kaufe ich mir
jedenfalls ein Gut, denn das meines Vaters wurde nach seinem Tode verkauft.
Ich muß auf dem Lande leben, wo ich groß geworden bin, ich tauge weder
zum Stadtleben noch zum Studiren. Irgend etwas muß man sich aber hier
vornehmen, und deshalb habe ich mich auf Zoologie und Botanik geworfen,
das interessirt mich.


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In sicherlich sind Sie es! Zu Butter, Brot und Käse und einem Gläschen
Portwein ist man immer aufgelegt! Also warten Sie lieber mit der Pfeife,
bis Sie gegessen haben!

Während mein improvisirter Wirt draußen war, that ich, was man ge¬
wöhnlich unter solchen Umständen zu thun pflegt: ich sah mich um. Es war
gemütlich hier, eine elegante und doch ziemlich aparte Studentenwohnung. Im
Fenster grünten Epheu und Hängepflanzen; ein schöner Schreibtisch von Eichen¬
holz, auf dem ich das dänische Gesetz Christians V. und ein paar juristische
Lehrbücher fand, stand schräg in einer Ecke, dahinter erhob sich vou der Erde
bis zur Decke ein Regal mit ausgestopften Vögeln und Tieren in Spiritus
und ein Gestell mit Neagentiengläsern. An der einen Wand hingen über dem
Sofa einige Jagdflinten und ein paar große Familienbilder, die Seitenwände
wurden durch einige mehr oder weniger abnorme Geweihe geziert, auf deren weißen
Schildern angegeben war, wo und wann der betreffende Bock geschossen worden war.

Sie sind eifriger Jäger? fragte ich, als Blau zurück kam und wir unsre
Käsemahlzeit verzehrten.

Ich bins gewesen und kann es wieder werden, aber vor der Hand rühre
ich kaum an eine Büchse. Sind Sie Jäger?

Ja, das bin ich; ich werde Forstmann!

Das freut mich! Willkommen aus gute Freundschaft!

Ich hätte nicht gedacht, daß Sie Jurist wären, sagte ich darauf.

Er lachte. Nein, das glaube ich gern, denn ich weiß selber nichts davon!

Ja, aber das Gesetz Christians V. und —

O der Plunder! Sehen Sie, mein Vormund wollte durchaus, daß ich
Student werden sollte das wurde ich denn auch, dritte Zensur übrigens —,
und dann schien es ihm zweckmäßig, wenn ich das juristische Examen machte.
Ich war fügsam und schaffte mir einen Leitfaden und einige andre Bücher an,
aber nachdem ich es ungefähr einen Monat lang ausgehalten hatte, wurde mir
dies Studium zu lebhaft.

Und nun sind Sie Mediziner? fragte ich mit einem Blick auf die zoo¬
logischen Präparate.

Nein, wie kommen Sie darauf?

Aber was studiren Sie denn eigentlich?

Sagen Sie es mir! Ich studire alles mögliche und nichts, ganz wie
Sie wollen. Meiner Wehrpflicht habe ich genügt — natürlich bei den Dra¬
gonern —, und in anderthnlben Jahren bin ich mündig; dann kaufe ich mir
jedenfalls ein Gut, denn das meines Vaters wurde nach seinem Tode verkauft.
Ich muß auf dem Lande leben, wo ich groß geworden bin, ich tauge weder
zum Stadtleben noch zum Studiren. Irgend etwas muß man sich aber hier
vornehmen, und deshalb habe ich mich auf Zoologie und Botanik geworfen,
das interessirt mich.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/288>, abgerufen am 23.05.2024.