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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Irapa ils,l.i,us

Deshalb hast du dir alle diese Mühe gemacht? fragte ich lächelnd.

Nein, ehrlich gesprochen -- du kennst mich ja! Nun glaube ich wieder
an meine "l'rg,M, und will man zum Ziele gelangen, so darf man nicht auf
halbem Wege stehen bleiben.

Du willst also wirklich --

Iramr in Schweden suchen, natürlich!

Du glaubst also, daß sie gleich dem Geschlechte der Blaus noch in
Schweden blühe!

Es würde mich jedenfalls nicht wundern, antwortete er mit Überzeugung.

Am nächste" Morgen reisten wir von Kragebjerg ab, er nach Schweden,
ich nach .Kopenhagen.

Ans der Poststation Nnntorp angekommen, suchte Blau den nahegelegenen
Gasthof ans, mietete sich für unbestimmte Zeit in dem besten Zimmer ein und
nahm sogleich eine vorläufige Rekognoszirung der Umgegend vor. Das Er¬
gebnis davon sowie von den eingeholtem Erklärungen der Eingebornen war,
daß das große und alte Hauptgut Östbcick, das eine Viertelmeile davon lag,
einem Freiherrn Lejonfors gehöre, der sich in Stockholm aufhalte, daß es aber
um einen dänischen Lnndsmann Namens Nedsted verpachtet sei. In der Nähe
des Gutes lag ein größerer See mit Unterholz um den Ufern, und hier begann
er nun auf die gewohnte Weise seine Nachforschungen.

Er hatte das schon mehrere Tage hindurch getrieben, als eines Abends ein
älterer, aber noch schlanker und stattlicher Mann in den Gnsthos kam und ohne
weitere Einleitung auf gut Dänisch: Guten Abend, Herr Blau! zu ihm sagte.

Blau dankte natürlich und wollte eben fragen, woher ihn der Fremde
kenne, als dieser, der wohl erraten mochte, was er fragen wollte, ihm zuvor¬
kam und sagte: Sie werden es begreiflich finden, daß es sofort im Umkreise
von einer Meile ruchbar wird, wenn ein Gast im Wirtshaus einkehrt, und
Sie werden verstehen, daß man herauszubekommen sucht, wie der Gast heißt.
Das habe ich gethan, und nun komme ich, um Sie nach Ostbäck zu holen --
ich bin nämlich der Pachter Nedsted.

Blau wollte Einwendungen machen, aber Nedsted schnitt ihm das Wort
ab und fügte hinzu: Wenn man, wie ich, ein alter Witwer ist, der in ziemlich
entlegener Gegend lebt, so ist man nicht geneigt, sich einen Gast unter den
Händen entschlüpfen zu lassen, noch obendrein, wenn es ein Landsmann ist!
Wollen Sie nur gefälligst ihre Sachen zusammenpacken und mitkommen, der
Wagen hält vor der Thür!

Solcher großen und eindringlichen Freundlichkeit gegenüber ließ sich nichts
andres thun als dankend ja zu sagen, und nach einer halben Stunde saß Blau
auf Östbäck.

Jetzt, wo ich Sie unter Dach bekommen habe, müssen Sie mir auch er¬
lauben, zu fragen, weshalb Sie sich hier aufhalten; es gehen nämlich darüber


Grenzboten 111 18S0 47
Irapa ils,l.i,us

Deshalb hast du dir alle diese Mühe gemacht? fragte ich lächelnd.

Nein, ehrlich gesprochen — du kennst mich ja! Nun glaube ich wieder
an meine "l'rg,M, und will man zum Ziele gelangen, so darf man nicht auf
halbem Wege stehen bleiben.

Du willst also wirklich —

Iramr in Schweden suchen, natürlich!

Du glaubst also, daß sie gleich dem Geschlechte der Blaus noch in
Schweden blühe!

Es würde mich jedenfalls nicht wundern, antwortete er mit Überzeugung.

Am nächste» Morgen reisten wir von Kragebjerg ab, er nach Schweden,
ich nach .Kopenhagen.

Ans der Poststation Nnntorp angekommen, suchte Blau den nahegelegenen
Gasthof ans, mietete sich für unbestimmte Zeit in dem besten Zimmer ein und
nahm sogleich eine vorläufige Rekognoszirung der Umgegend vor. Das Er¬
gebnis davon sowie von den eingeholtem Erklärungen der Eingebornen war,
daß das große und alte Hauptgut Östbcick, das eine Viertelmeile davon lag,
einem Freiherrn Lejonfors gehöre, der sich in Stockholm aufhalte, daß es aber
um einen dänischen Lnndsmann Namens Nedsted verpachtet sei. In der Nähe
des Gutes lag ein größerer See mit Unterholz um den Ufern, und hier begann
er nun auf die gewohnte Weise seine Nachforschungen.

Er hatte das schon mehrere Tage hindurch getrieben, als eines Abends ein
älterer, aber noch schlanker und stattlicher Mann in den Gnsthos kam und ohne
weitere Einleitung auf gut Dänisch: Guten Abend, Herr Blau! zu ihm sagte.

Blau dankte natürlich und wollte eben fragen, woher ihn der Fremde
kenne, als dieser, der wohl erraten mochte, was er fragen wollte, ihm zuvor¬
kam und sagte: Sie werden es begreiflich finden, daß es sofort im Umkreise
von einer Meile ruchbar wird, wenn ein Gast im Wirtshaus einkehrt, und
Sie werden verstehen, daß man herauszubekommen sucht, wie der Gast heißt.
Das habe ich gethan, und nun komme ich, um Sie nach Ostbäck zu holen —
ich bin nämlich der Pachter Nedsted.

Blau wollte Einwendungen machen, aber Nedsted schnitt ihm das Wort
ab und fügte hinzu: Wenn man, wie ich, ein alter Witwer ist, der in ziemlich
entlegener Gegend lebt, so ist man nicht geneigt, sich einen Gast unter den
Händen entschlüpfen zu lassen, noch obendrein, wenn es ein Landsmann ist!
Wollen Sie nur gefälligst ihre Sachen zusammenpacken und mitkommen, der
Wagen hält vor der Thür!

Solcher großen und eindringlichen Freundlichkeit gegenüber ließ sich nichts
andres thun als dankend ja zu sagen, und nach einer halben Stunde saß Blau
auf Östbäck.

Jetzt, wo ich Sie unter Dach bekommen habe, müssen Sie mir auch er¬
lauben, zu fragen, weshalb Sie sich hier aufhalten; es gehen nämlich darüber


Grenzboten 111 18S0 47
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[0377] Irapa ils,l.i,us Deshalb hast du dir alle diese Mühe gemacht? fragte ich lächelnd. Nein, ehrlich gesprochen — du kennst mich ja! Nun glaube ich wieder an meine "l'rg,M, und will man zum Ziele gelangen, so darf man nicht auf halbem Wege stehen bleiben. Du willst also wirklich — Iramr in Schweden suchen, natürlich! Du glaubst also, daß sie gleich dem Geschlechte der Blaus noch in Schweden blühe! Es würde mich jedenfalls nicht wundern, antwortete er mit Überzeugung. Am nächste» Morgen reisten wir von Kragebjerg ab, er nach Schweden, ich nach .Kopenhagen. Ans der Poststation Nnntorp angekommen, suchte Blau den nahegelegenen Gasthof ans, mietete sich für unbestimmte Zeit in dem besten Zimmer ein und nahm sogleich eine vorläufige Rekognoszirung der Umgegend vor. Das Er¬ gebnis davon sowie von den eingeholtem Erklärungen der Eingebornen war, daß das große und alte Hauptgut Östbcick, das eine Viertelmeile davon lag, einem Freiherrn Lejonfors gehöre, der sich in Stockholm aufhalte, daß es aber um einen dänischen Lnndsmann Namens Nedsted verpachtet sei. In der Nähe des Gutes lag ein größerer See mit Unterholz um den Ufern, und hier begann er nun auf die gewohnte Weise seine Nachforschungen. Er hatte das schon mehrere Tage hindurch getrieben, als eines Abends ein älterer, aber noch schlanker und stattlicher Mann in den Gnsthos kam und ohne weitere Einleitung auf gut Dänisch: Guten Abend, Herr Blau! zu ihm sagte. Blau dankte natürlich und wollte eben fragen, woher ihn der Fremde kenne, als dieser, der wohl erraten mochte, was er fragen wollte, ihm zuvor¬ kam und sagte: Sie werden es begreiflich finden, daß es sofort im Umkreise von einer Meile ruchbar wird, wenn ein Gast im Wirtshaus einkehrt, und Sie werden verstehen, daß man herauszubekommen sucht, wie der Gast heißt. Das habe ich gethan, und nun komme ich, um Sie nach Ostbäck zu holen — ich bin nämlich der Pachter Nedsted. Blau wollte Einwendungen machen, aber Nedsted schnitt ihm das Wort ab und fügte hinzu: Wenn man, wie ich, ein alter Witwer ist, der in ziemlich entlegener Gegend lebt, so ist man nicht geneigt, sich einen Gast unter den Händen entschlüpfen zu lassen, noch obendrein, wenn es ein Landsmann ist! Wollen Sie nur gefälligst ihre Sachen zusammenpacken und mitkommen, der Wagen hält vor der Thür! Solcher großen und eindringlichen Freundlichkeit gegenüber ließ sich nichts andres thun als dankend ja zu sagen, und nach einer halben Stunde saß Blau auf Östbäck. Jetzt, wo ich Sie unter Dach bekommen habe, müssen Sie mir auch er¬ lauben, zu fragen, weshalb Sie sich hier aufhalten; es gehen nämlich darüber Grenzboten 111 18S0 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/377>, abgerufen am 12.05.2024.