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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Der Kolonialrat und die Zukunft Bstafnkas

von ihrem höhern Zweck ist die Mission meistens im Besitz der Kenntnis einer
Reihe von Thatsachen und Verhältnissen, die ihre Mitglieder durch dauernden
Aufenthalt in bestimmten Gegenden sammeln, Thatsachen, die dem sich doch
meist in Bewegung befindlichen Reisenden entgehen müssen, und die auch dem
Kaufmann, da dieser seine Aufmerksamkeit auf ganz andre Dinge richtet, fremd
bleiben. Die Kenntnis solcher örtlichen Verhältnisse ist oft von wesentlicher
Wichtigkeit bei der Erwägung beabsichtigter Maßnahmen. Bedenkt man ferner,
daß man durch erfolgreiche Mission einen großen Einfluß auf die Stimmung
der farbigen Bevölkerung auszuüben imstande ist, so erkennt man, wenn auch
uicht die Notwendigkeit, so doch, daß es ratsam ist, die Mission, und zwar in
den beiden in unsern Kolonien zugelassenen Konfessionen, im Kolonialrate ver¬
treten zu sehen.

Es wird ferner wohl kein Zweifel darüber herrschen, daß es wünschens¬
wert sei, die vom Kolonialrat gefaßten Beschlüsse auch im Reichstage vertreten
zu sehen. Mithin erscheint es ratsam, auch Parlamentarier in den Kolonialrat
zu wählen. Da nun, wie man annehmen darf, auf dem Gebiete der kolonialen
Verwaltung alle politischen Parteien sich einigen können, so ist es an sich gleich-
giltig, welcher politischen Richtung der in den Kolonialrat gewählte Parla¬
mentarier angehöre, so lange er nur die von ihm mitgefaßten Beschlüsse im
Reichstage vertreten will.

Wir sehen, die Zusammensetzung des Kolonialrates hat sich eigentlich ganz
von selbst ergeben; sind auch die Mitglieder keine Juristen, so stehen ihnen
doch praktische Erfahrung auf der einen Seite, klares Erkennen der angestrebten
Ziele auf der andern zu Gebote. Daß beschlossene Maßnahmen nicht in
Widerspruch mit unabweisbaren Anschauungen von Recht und^ Gesetz gelangen,
ehe sie Gesetzeskraft in unsern Kolonien erhalten, dafür werden die trefflich
geschulten Beamten der kolonialen Abteilung unsers Auswärtigen Amtes schon
Sorge tragen.

Bezüglich der Form, die dem neu zu gestaltenden Körper zu geben ist,
werden wir uns natürlich zunächst in andern Ländern mit großem Kolonial¬
besitz umsehen, um irgend eine dortige Einrichtung zum Muster zu nehmen.
Allein wir finden einesteils, daß anderwärts der Kolonialbesitz so unermeßlich
viel größer ist als der unsre, daß große Körperschaften völlig mit dessen Re¬
gierung oder Oberaufsicht beschäftigt sind, andernteils daß die Beziehungen
zwischen Kolonie und Mutterland sich so gestaltet haben, daß entweder die
Kolonie vom Mutterlande aus regiert wird, oder daß die Kolonie sich auf
freiere Füße gestellt hat und sich selbst regiert. Bei uus ist in unsern größten
und besten Kolonien ein Zustand wieder modern geworden, der früher mit dem
Ausdruck vlmrtsr vvlon^ bezeichnet wurde, und bei dem die Regierung nur eine
Oberaufsicht in den von Privatgesellschaften wirtschaftlich verwalteten Kolonien
ausübt. Da uun der Kolvnialrat der kolonialen Abteilung des Auswärtigen


Der Kolonialrat und die Zukunft Bstafnkas

von ihrem höhern Zweck ist die Mission meistens im Besitz der Kenntnis einer
Reihe von Thatsachen und Verhältnissen, die ihre Mitglieder durch dauernden
Aufenthalt in bestimmten Gegenden sammeln, Thatsachen, die dem sich doch
meist in Bewegung befindlichen Reisenden entgehen müssen, und die auch dem
Kaufmann, da dieser seine Aufmerksamkeit auf ganz andre Dinge richtet, fremd
bleiben. Die Kenntnis solcher örtlichen Verhältnisse ist oft von wesentlicher
Wichtigkeit bei der Erwägung beabsichtigter Maßnahmen. Bedenkt man ferner,
daß man durch erfolgreiche Mission einen großen Einfluß auf die Stimmung
der farbigen Bevölkerung auszuüben imstande ist, so erkennt man, wenn auch
uicht die Notwendigkeit, so doch, daß es ratsam ist, die Mission, und zwar in
den beiden in unsern Kolonien zugelassenen Konfessionen, im Kolonialrate ver¬
treten zu sehen.

Es wird ferner wohl kein Zweifel darüber herrschen, daß es wünschens¬
wert sei, die vom Kolonialrat gefaßten Beschlüsse auch im Reichstage vertreten
zu sehen. Mithin erscheint es ratsam, auch Parlamentarier in den Kolonialrat
zu wählen. Da nun, wie man annehmen darf, auf dem Gebiete der kolonialen
Verwaltung alle politischen Parteien sich einigen können, so ist es an sich gleich-
giltig, welcher politischen Richtung der in den Kolonialrat gewählte Parla¬
mentarier angehöre, so lange er nur die von ihm mitgefaßten Beschlüsse im
Reichstage vertreten will.

Wir sehen, die Zusammensetzung des Kolonialrates hat sich eigentlich ganz
von selbst ergeben; sind auch die Mitglieder keine Juristen, so stehen ihnen
doch praktische Erfahrung auf der einen Seite, klares Erkennen der angestrebten
Ziele auf der andern zu Gebote. Daß beschlossene Maßnahmen nicht in
Widerspruch mit unabweisbaren Anschauungen von Recht und^ Gesetz gelangen,
ehe sie Gesetzeskraft in unsern Kolonien erhalten, dafür werden die trefflich
geschulten Beamten der kolonialen Abteilung unsers Auswärtigen Amtes schon
Sorge tragen.

Bezüglich der Form, die dem neu zu gestaltenden Körper zu geben ist,
werden wir uns natürlich zunächst in andern Ländern mit großem Kolonial¬
besitz umsehen, um irgend eine dortige Einrichtung zum Muster zu nehmen.
Allein wir finden einesteils, daß anderwärts der Kolonialbesitz so unermeßlich
viel größer ist als der unsre, daß große Körperschaften völlig mit dessen Re¬
gierung oder Oberaufsicht beschäftigt sind, andernteils daß die Beziehungen
zwischen Kolonie und Mutterland sich so gestaltet haben, daß entweder die
Kolonie vom Mutterlande aus regiert wird, oder daß die Kolonie sich auf
freiere Füße gestellt hat und sich selbst regiert. Bei uus ist in unsern größten
und besten Kolonien ein Zustand wieder modern geworden, der früher mit dem
Ausdruck vlmrtsr vvlon^ bezeichnet wurde, und bei dem die Regierung nur eine
Oberaufsicht in den von Privatgesellschaften wirtschaftlich verwalteten Kolonien
ausübt. Da uun der Kolvnialrat der kolonialen Abteilung des Auswärtigen


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[0443] Der Kolonialrat und die Zukunft Bstafnkas von ihrem höhern Zweck ist die Mission meistens im Besitz der Kenntnis einer Reihe von Thatsachen und Verhältnissen, die ihre Mitglieder durch dauernden Aufenthalt in bestimmten Gegenden sammeln, Thatsachen, die dem sich doch meist in Bewegung befindlichen Reisenden entgehen müssen, und die auch dem Kaufmann, da dieser seine Aufmerksamkeit auf ganz andre Dinge richtet, fremd bleiben. Die Kenntnis solcher örtlichen Verhältnisse ist oft von wesentlicher Wichtigkeit bei der Erwägung beabsichtigter Maßnahmen. Bedenkt man ferner, daß man durch erfolgreiche Mission einen großen Einfluß auf die Stimmung der farbigen Bevölkerung auszuüben imstande ist, so erkennt man, wenn auch uicht die Notwendigkeit, so doch, daß es ratsam ist, die Mission, und zwar in den beiden in unsern Kolonien zugelassenen Konfessionen, im Kolonialrate ver¬ treten zu sehen. Es wird ferner wohl kein Zweifel darüber herrschen, daß es wünschens¬ wert sei, die vom Kolonialrat gefaßten Beschlüsse auch im Reichstage vertreten zu sehen. Mithin erscheint es ratsam, auch Parlamentarier in den Kolonialrat zu wählen. Da nun, wie man annehmen darf, auf dem Gebiete der kolonialen Verwaltung alle politischen Parteien sich einigen können, so ist es an sich gleich- giltig, welcher politischen Richtung der in den Kolonialrat gewählte Parla¬ mentarier angehöre, so lange er nur die von ihm mitgefaßten Beschlüsse im Reichstage vertreten will. Wir sehen, die Zusammensetzung des Kolonialrates hat sich eigentlich ganz von selbst ergeben; sind auch die Mitglieder keine Juristen, so stehen ihnen doch praktische Erfahrung auf der einen Seite, klares Erkennen der angestrebten Ziele auf der andern zu Gebote. Daß beschlossene Maßnahmen nicht in Widerspruch mit unabweisbaren Anschauungen von Recht und^ Gesetz gelangen, ehe sie Gesetzeskraft in unsern Kolonien erhalten, dafür werden die trefflich geschulten Beamten der kolonialen Abteilung unsers Auswärtigen Amtes schon Sorge tragen. Bezüglich der Form, die dem neu zu gestaltenden Körper zu geben ist, werden wir uns natürlich zunächst in andern Ländern mit großem Kolonial¬ besitz umsehen, um irgend eine dortige Einrichtung zum Muster zu nehmen. Allein wir finden einesteils, daß anderwärts der Kolonialbesitz so unermeßlich viel größer ist als der unsre, daß große Körperschaften völlig mit dessen Re¬ gierung oder Oberaufsicht beschäftigt sind, andernteils daß die Beziehungen zwischen Kolonie und Mutterland sich so gestaltet haben, daß entweder die Kolonie vom Mutterlande aus regiert wird, oder daß die Kolonie sich auf freiere Füße gestellt hat und sich selbst regiert. Bei uus ist in unsern größten und besten Kolonien ein Zustand wieder modern geworden, der früher mit dem Ausdruck vlmrtsr vvlon^ bezeichnet wurde, und bei dem die Regierung nur eine Oberaufsicht in den von Privatgesellschaften wirtschaftlich verwalteten Kolonien ausübt. Da uun der Kolvnialrat der kolonialen Abteilung des Auswärtigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/443>, abgerufen am 06.06.2024.