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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Der Rolomalrat und die Zukunft Gstafrikas

sich goldne Berge, die Sache geht auch im Anfang, nach sechs Monaten kommen
nach Jturu die Massais und jagen den Elfenbeinhündler fort, die Karawane in
Ukonongo wird von den Warori überfallen und geplündert, und beide Ge¬
schädigten, welche vielleicht mit dem Leben davon gekommen sind, lassen ihre
Verstimmung über ihren Verlust in Zeitungsartikeln aus, worin sie vor allem
energische Wiedervergeltung an den betreffenden Volksstämmen fordern, und
kann diese nicht erfolgen, sich über mangelnden Schutz n. s. w. in den Kolonien
beklagen. Wir sehen an diesem aus der Luft gegriffenen Beispiel, daß das
Wort "Schutz" in den Kolonien ziemlich genau begrenzt werden muß, um uicht
zu Mißverständnissen Anlaß zu geben und Unzufriedenheit zu erwecken.

Ist es nun wirklich schwer, genau zu bestimmen, wo und wann Schutz
einzutreten habe, in welcher Weise und wie weit er auszuüben sei, so findet
sich ein Ausweg, ihn wirksam zu machen, indem wir nicht seinen Charakter
definiren, sondern das Gebiet, wo er ausgeübt wird. Daß er da ein¬
treten muß, wo sich der wirtschaftliche Betrieb unsrer Kolonisation am inten¬
sivsten entwickelt, ist selbstverständlich, es wird nur jetzt darauf ankommen,
diese Entwicklung planmüßig zu leiten, sodaß nicht an den verschiedensten
Punkten Unternehmungen ins Leben treten, deren räumliche Entfernung von ein¬
ander ihre Überwachung sehr erschwert. Es wird vielmehr unsre Aufgabe sein,
unsre wirtschaftlichen Unternehmungen so anzulegen, daß sie nicht, von be¬
liebigen Punkten ausgehend, endlich nach größerer Ausdehnung in irgend einem
Orte, z. B. einem Hafen, mit einander wieder in Berührung kommen, sondern
wir werden unsre Kräfte an einem Punkte, sagen wir in der Nähe eines Hafens,
einzusetzen haben, und ihnen dann gestatten, sich nach allen Richtungen be¬
liebig auszubreiten. Um die Möglichkeit dieses Verfahrens zu erleichtern, könnte
man ja eine Methode einführen, die in andern Kolonien oft angewandt wird.
Man erklärt gewisse Gebiete für den Betrieb eröffnet und gestattet außerhalb
dieser keine Besiedlung oder dauernde Niederlassung.

Daß die Auswahl eines solchen Gebietes nicht ganz leicht ist und dem
betreffenden Leiter eine große Verantwortung aufbürdet, liegt auf der Hand;
aber auch hierbei sind eine Menge Anhaltepunkte vorhanden, die nur der Auf¬
merksamkeit gewürdigt zu werden brauchen, um als vorzügliche Leitfäden zu
dienen.

Der hauptsächlichste ist die Erwägung der Möglichkeit der Verkehrsherstel¬
lung. Sich an einem Punkte anzusiedeln, der, wenn an der Küste gelegen, wegen
mangelnden Hafens für Schiffe unzugänglich, oder an einem Orte im Inlande, der
von der Küste wegen schwierigen Terrains fast unerreichbar ist, würde niemandem
einfallen. Erste Bedingung sür die Auswahl des Ortes wäre also ein Hafen oder
die Möglichkeit, einen Hafen anzulegen. Sehr zu empfehlen wäre für Ostafrika
die Einführung des Ochsenwagens als Verkehrsmittel, wenigstens in solchen
Gegenden, wo Rindviehzucht möglich ist. Im übrigen hört man allerorten


Grenzboten III 1890 66
Der Rolomalrat und die Zukunft Gstafrikas

sich goldne Berge, die Sache geht auch im Anfang, nach sechs Monaten kommen
nach Jturu die Massais und jagen den Elfenbeinhündler fort, die Karawane in
Ukonongo wird von den Warori überfallen und geplündert, und beide Ge¬
schädigten, welche vielleicht mit dem Leben davon gekommen sind, lassen ihre
Verstimmung über ihren Verlust in Zeitungsartikeln aus, worin sie vor allem
energische Wiedervergeltung an den betreffenden Volksstämmen fordern, und
kann diese nicht erfolgen, sich über mangelnden Schutz n. s. w. in den Kolonien
beklagen. Wir sehen an diesem aus der Luft gegriffenen Beispiel, daß das
Wort „Schutz" in den Kolonien ziemlich genau begrenzt werden muß, um uicht
zu Mißverständnissen Anlaß zu geben und Unzufriedenheit zu erwecken.

Ist es nun wirklich schwer, genau zu bestimmen, wo und wann Schutz
einzutreten habe, in welcher Weise und wie weit er auszuüben sei, so findet
sich ein Ausweg, ihn wirksam zu machen, indem wir nicht seinen Charakter
definiren, sondern das Gebiet, wo er ausgeübt wird. Daß er da ein¬
treten muß, wo sich der wirtschaftliche Betrieb unsrer Kolonisation am inten¬
sivsten entwickelt, ist selbstverständlich, es wird nur jetzt darauf ankommen,
diese Entwicklung planmüßig zu leiten, sodaß nicht an den verschiedensten
Punkten Unternehmungen ins Leben treten, deren räumliche Entfernung von ein¬
ander ihre Überwachung sehr erschwert. Es wird vielmehr unsre Aufgabe sein,
unsre wirtschaftlichen Unternehmungen so anzulegen, daß sie nicht, von be¬
liebigen Punkten ausgehend, endlich nach größerer Ausdehnung in irgend einem
Orte, z. B. einem Hafen, mit einander wieder in Berührung kommen, sondern
wir werden unsre Kräfte an einem Punkte, sagen wir in der Nähe eines Hafens,
einzusetzen haben, und ihnen dann gestatten, sich nach allen Richtungen be¬
liebig auszubreiten. Um die Möglichkeit dieses Verfahrens zu erleichtern, könnte
man ja eine Methode einführen, die in andern Kolonien oft angewandt wird.
Man erklärt gewisse Gebiete für den Betrieb eröffnet und gestattet außerhalb
dieser keine Besiedlung oder dauernde Niederlassung.

Daß die Auswahl eines solchen Gebietes nicht ganz leicht ist und dem
betreffenden Leiter eine große Verantwortung aufbürdet, liegt auf der Hand;
aber auch hierbei sind eine Menge Anhaltepunkte vorhanden, die nur der Auf¬
merksamkeit gewürdigt zu werden brauchen, um als vorzügliche Leitfäden zu
dienen.

Der hauptsächlichste ist die Erwägung der Möglichkeit der Verkehrsherstel¬
lung. Sich an einem Punkte anzusiedeln, der, wenn an der Küste gelegen, wegen
mangelnden Hafens für Schiffe unzugänglich, oder an einem Orte im Inlande, der
von der Küste wegen schwierigen Terrains fast unerreichbar ist, würde niemandem
einfallen. Erste Bedingung sür die Auswahl des Ortes wäre also ein Hafen oder
die Möglichkeit, einen Hafen anzulegen. Sehr zu empfehlen wäre für Ostafrika
die Einführung des Ochsenwagens als Verkehrsmittel, wenigstens in solchen
Gegenden, wo Rindviehzucht möglich ist. Im übrigen hört man allerorten


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[0449] Der Rolomalrat und die Zukunft Gstafrikas sich goldne Berge, die Sache geht auch im Anfang, nach sechs Monaten kommen nach Jturu die Massais und jagen den Elfenbeinhündler fort, die Karawane in Ukonongo wird von den Warori überfallen und geplündert, und beide Ge¬ schädigten, welche vielleicht mit dem Leben davon gekommen sind, lassen ihre Verstimmung über ihren Verlust in Zeitungsartikeln aus, worin sie vor allem energische Wiedervergeltung an den betreffenden Volksstämmen fordern, und kann diese nicht erfolgen, sich über mangelnden Schutz n. s. w. in den Kolonien beklagen. Wir sehen an diesem aus der Luft gegriffenen Beispiel, daß das Wort „Schutz" in den Kolonien ziemlich genau begrenzt werden muß, um uicht zu Mißverständnissen Anlaß zu geben und Unzufriedenheit zu erwecken. Ist es nun wirklich schwer, genau zu bestimmen, wo und wann Schutz einzutreten habe, in welcher Weise und wie weit er auszuüben sei, so findet sich ein Ausweg, ihn wirksam zu machen, indem wir nicht seinen Charakter definiren, sondern das Gebiet, wo er ausgeübt wird. Daß er da ein¬ treten muß, wo sich der wirtschaftliche Betrieb unsrer Kolonisation am inten¬ sivsten entwickelt, ist selbstverständlich, es wird nur jetzt darauf ankommen, diese Entwicklung planmüßig zu leiten, sodaß nicht an den verschiedensten Punkten Unternehmungen ins Leben treten, deren räumliche Entfernung von ein¬ ander ihre Überwachung sehr erschwert. Es wird vielmehr unsre Aufgabe sein, unsre wirtschaftlichen Unternehmungen so anzulegen, daß sie nicht, von be¬ liebigen Punkten ausgehend, endlich nach größerer Ausdehnung in irgend einem Orte, z. B. einem Hafen, mit einander wieder in Berührung kommen, sondern wir werden unsre Kräfte an einem Punkte, sagen wir in der Nähe eines Hafens, einzusetzen haben, und ihnen dann gestatten, sich nach allen Richtungen be¬ liebig auszubreiten. Um die Möglichkeit dieses Verfahrens zu erleichtern, könnte man ja eine Methode einführen, die in andern Kolonien oft angewandt wird. Man erklärt gewisse Gebiete für den Betrieb eröffnet und gestattet außerhalb dieser keine Besiedlung oder dauernde Niederlassung. Daß die Auswahl eines solchen Gebietes nicht ganz leicht ist und dem betreffenden Leiter eine große Verantwortung aufbürdet, liegt auf der Hand; aber auch hierbei sind eine Menge Anhaltepunkte vorhanden, die nur der Auf¬ merksamkeit gewürdigt zu werden brauchen, um als vorzügliche Leitfäden zu dienen. Der hauptsächlichste ist die Erwägung der Möglichkeit der Verkehrsherstel¬ lung. Sich an einem Punkte anzusiedeln, der, wenn an der Küste gelegen, wegen mangelnden Hafens für Schiffe unzugänglich, oder an einem Orte im Inlande, der von der Küste wegen schwierigen Terrains fast unerreichbar ist, würde niemandem einfallen. Erste Bedingung sür die Auswahl des Ortes wäre also ein Hafen oder die Möglichkeit, einen Hafen anzulegen. Sehr zu empfehlen wäre für Ostafrika die Einführung des Ochsenwagens als Verkehrsmittel, wenigstens in solchen Gegenden, wo Rindviehzucht möglich ist. Im übrigen hört man allerorten Grenzboten III 1890 66

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/449>, abgerufen am 16.06.2024.