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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Der Rolonialrat und die Zukunft Gstafrikas

das Verlangen nach Eisenbahnen laut werden, ganze Spalten sind vollgedruckt
worden mit Kosten-, Kurven- und Steigungsberechnnngcn. Viel lieber würde
ich es sehen, wenn einmal jemand auf Grund wirklicher Thatsachen, nicht bloß
Vermutungen und willkürlicher Annahmen, die Rentabilität einer solchen Bahn
ausrechnen wollte. Da dies vor der Hand unmöglich ist, weil die Herstellung
eines so teuern Verkehrsmittels gänzlich verfrüht wäre und gerade so, als
wenn man den Bau eines Hauses mit dem Dache anfangen wollte, da sich
Sparsamkeit empfiehlt, um desto eher zu dem Endziele des materiellen Vorteils
zu gelangen, bin ich vor der Hand Gegner der Eisenbahn, nicht ohne jedoch
herzlich zu wünschen, daß die Vorbedingungen zu ihrer Daseinsfähigkeit und
Notwendigkeit bald entstehen möchten, und halte mich an die alte Thatsache,
daß ein mittelmäßiger Wasserweg immer noch besser ist, als ein teurer Schienen¬
strang. Aus diesem Grunde halte ich Umschau unter den Flüssen Ostafrikas
und sehe immer uoch keinen andern, als den Nufidji, den ich schon früher als
die Grundlage unsers Kolonisationssystems bezeichnete.

Seitdem hat sich ja unsre Lage wesentlich gebessert, die Küste gehört uns
und mit ihr Dar-es-Sacilmn, ein schöner Hafen, der vor der Hand unsern Zwecken
genügen dürfte. Das Hinterland von Dar-es-Saalam mit seinen wellenförmigen
Hügeln dürfte so gut sein wie irgend ein andrer Teil Afrikas, und bei größerer
Ausdehnung unsers wirtschaftlichen Betriebes hier stünde uns später der mächtige
Fluß zu Gebote. Hiermit soll nicht gesagt sein, daß ich das Heil nur im Rufidji
erblickte; stellt sich heraus, daß sich aus triftigen Gründen irgend eine andre
Gegend als besser erweist, so werde ich mich herzlich darüber freuen. Ich
harre des Augenblickes. Mag das Gebiet nun ausgesucht sein, wo es will,
so lange bei der Wahl nur praktische, namentlich die oben angedeuteten Gesichts¬
punkte maßgebend gewesen find, auf dieses Gebiet, aber nicht darüber hinaus,
sollte sich der Schutz, also die Thätigkeit der Truppe erstrecken.

Die Ausübung des Schutzes würde eine doppelte sein. Erstens müßte
die Truppe Patrouillen aussenden, um die Grenzen zu besichtigen, Übergriffe
anwohnender Eingeborner sowie Übermut der Bewohner des geschützten Gebietes
abzuwehren und zu verhindern; zweitens bestünde ihre Aufgabe darin, die Ein-
gebornen im eignen Gebiet uuter Kontrolle zu halten, ich möchte sagen, eine
polizeiliche Aufsicht über sie zu führen. Man sieht, die Truppe hört schon
auf, Soldat zu sein, unmerklich findet ein Übergang zur Gendarmerie statt.
In diesem Umstände liegt die ganze Änderung der zukünftigen afrikanischen
Verwaltungsmethode; statt rein militärischer Natur wird sie polizeilicher,
d. h. halb militärisch, halb zivilistisch.

Wir wollen, ehe wir uns mit der Erschließung des Landes weiter be¬
fassen, noch einige Augenblicke bei den Aufgaben der Truppe verweilen. Haben
wir auch besonders hervorgehoben, daß unsre wirtschaftlichen Arbeiten auf be¬
stimmte Grenzen beschränkt werden sollten, so ist es doch nötig, an mehr als


Der Rolonialrat und die Zukunft Gstafrikas

das Verlangen nach Eisenbahnen laut werden, ganze Spalten sind vollgedruckt
worden mit Kosten-, Kurven- und Steigungsberechnnngcn. Viel lieber würde
ich es sehen, wenn einmal jemand auf Grund wirklicher Thatsachen, nicht bloß
Vermutungen und willkürlicher Annahmen, die Rentabilität einer solchen Bahn
ausrechnen wollte. Da dies vor der Hand unmöglich ist, weil die Herstellung
eines so teuern Verkehrsmittels gänzlich verfrüht wäre und gerade so, als
wenn man den Bau eines Hauses mit dem Dache anfangen wollte, da sich
Sparsamkeit empfiehlt, um desto eher zu dem Endziele des materiellen Vorteils
zu gelangen, bin ich vor der Hand Gegner der Eisenbahn, nicht ohne jedoch
herzlich zu wünschen, daß die Vorbedingungen zu ihrer Daseinsfähigkeit und
Notwendigkeit bald entstehen möchten, und halte mich an die alte Thatsache,
daß ein mittelmäßiger Wasserweg immer noch besser ist, als ein teurer Schienen¬
strang. Aus diesem Grunde halte ich Umschau unter den Flüssen Ostafrikas
und sehe immer uoch keinen andern, als den Nufidji, den ich schon früher als
die Grundlage unsers Kolonisationssystems bezeichnete.

Seitdem hat sich ja unsre Lage wesentlich gebessert, die Küste gehört uns
und mit ihr Dar-es-Sacilmn, ein schöner Hafen, der vor der Hand unsern Zwecken
genügen dürfte. Das Hinterland von Dar-es-Saalam mit seinen wellenförmigen
Hügeln dürfte so gut sein wie irgend ein andrer Teil Afrikas, und bei größerer
Ausdehnung unsers wirtschaftlichen Betriebes hier stünde uns später der mächtige
Fluß zu Gebote. Hiermit soll nicht gesagt sein, daß ich das Heil nur im Rufidji
erblickte; stellt sich heraus, daß sich aus triftigen Gründen irgend eine andre
Gegend als besser erweist, so werde ich mich herzlich darüber freuen. Ich
harre des Augenblickes. Mag das Gebiet nun ausgesucht sein, wo es will,
so lange bei der Wahl nur praktische, namentlich die oben angedeuteten Gesichts¬
punkte maßgebend gewesen find, auf dieses Gebiet, aber nicht darüber hinaus,
sollte sich der Schutz, also die Thätigkeit der Truppe erstrecken.

Die Ausübung des Schutzes würde eine doppelte sein. Erstens müßte
die Truppe Patrouillen aussenden, um die Grenzen zu besichtigen, Übergriffe
anwohnender Eingeborner sowie Übermut der Bewohner des geschützten Gebietes
abzuwehren und zu verhindern; zweitens bestünde ihre Aufgabe darin, die Ein-
gebornen im eignen Gebiet uuter Kontrolle zu halten, ich möchte sagen, eine
polizeiliche Aufsicht über sie zu führen. Man sieht, die Truppe hört schon
auf, Soldat zu sein, unmerklich findet ein Übergang zur Gendarmerie statt.
In diesem Umstände liegt die ganze Änderung der zukünftigen afrikanischen
Verwaltungsmethode; statt rein militärischer Natur wird sie polizeilicher,
d. h. halb militärisch, halb zivilistisch.

Wir wollen, ehe wir uns mit der Erschließung des Landes weiter be¬
fassen, noch einige Augenblicke bei den Aufgaben der Truppe verweilen. Haben
wir auch besonders hervorgehoben, daß unsre wirtschaftlichen Arbeiten auf be¬
stimmte Grenzen beschränkt werden sollten, so ist es doch nötig, an mehr als


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[0450] Der Rolonialrat und die Zukunft Gstafrikas das Verlangen nach Eisenbahnen laut werden, ganze Spalten sind vollgedruckt worden mit Kosten-, Kurven- und Steigungsberechnnngcn. Viel lieber würde ich es sehen, wenn einmal jemand auf Grund wirklicher Thatsachen, nicht bloß Vermutungen und willkürlicher Annahmen, die Rentabilität einer solchen Bahn ausrechnen wollte. Da dies vor der Hand unmöglich ist, weil die Herstellung eines so teuern Verkehrsmittels gänzlich verfrüht wäre und gerade so, als wenn man den Bau eines Hauses mit dem Dache anfangen wollte, da sich Sparsamkeit empfiehlt, um desto eher zu dem Endziele des materiellen Vorteils zu gelangen, bin ich vor der Hand Gegner der Eisenbahn, nicht ohne jedoch herzlich zu wünschen, daß die Vorbedingungen zu ihrer Daseinsfähigkeit und Notwendigkeit bald entstehen möchten, und halte mich an die alte Thatsache, daß ein mittelmäßiger Wasserweg immer noch besser ist, als ein teurer Schienen¬ strang. Aus diesem Grunde halte ich Umschau unter den Flüssen Ostafrikas und sehe immer uoch keinen andern, als den Nufidji, den ich schon früher als die Grundlage unsers Kolonisationssystems bezeichnete. Seitdem hat sich ja unsre Lage wesentlich gebessert, die Küste gehört uns und mit ihr Dar-es-Sacilmn, ein schöner Hafen, der vor der Hand unsern Zwecken genügen dürfte. Das Hinterland von Dar-es-Saalam mit seinen wellenförmigen Hügeln dürfte so gut sein wie irgend ein andrer Teil Afrikas, und bei größerer Ausdehnung unsers wirtschaftlichen Betriebes hier stünde uns später der mächtige Fluß zu Gebote. Hiermit soll nicht gesagt sein, daß ich das Heil nur im Rufidji erblickte; stellt sich heraus, daß sich aus triftigen Gründen irgend eine andre Gegend als besser erweist, so werde ich mich herzlich darüber freuen. Ich harre des Augenblickes. Mag das Gebiet nun ausgesucht sein, wo es will, so lange bei der Wahl nur praktische, namentlich die oben angedeuteten Gesichts¬ punkte maßgebend gewesen find, auf dieses Gebiet, aber nicht darüber hinaus, sollte sich der Schutz, also die Thätigkeit der Truppe erstrecken. Die Ausübung des Schutzes würde eine doppelte sein. Erstens müßte die Truppe Patrouillen aussenden, um die Grenzen zu besichtigen, Übergriffe anwohnender Eingeborner sowie Übermut der Bewohner des geschützten Gebietes abzuwehren und zu verhindern; zweitens bestünde ihre Aufgabe darin, die Ein- gebornen im eignen Gebiet uuter Kontrolle zu halten, ich möchte sagen, eine polizeiliche Aufsicht über sie zu führen. Man sieht, die Truppe hört schon auf, Soldat zu sein, unmerklich findet ein Übergang zur Gendarmerie statt. In diesem Umstände liegt die ganze Änderung der zukünftigen afrikanischen Verwaltungsmethode; statt rein militärischer Natur wird sie polizeilicher, d. h. halb militärisch, halb zivilistisch. Wir wollen, ehe wir uns mit der Erschließung des Landes weiter be¬ fassen, noch einige Augenblicke bei den Aufgaben der Truppe verweilen. Haben wir auch besonders hervorgehoben, daß unsre wirtschaftlichen Arbeiten auf be¬ stimmte Grenzen beschränkt werden sollten, so ist es doch nötig, an mehr als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/450>, abgerufen am 23.05.2024.