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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Major von Wißmann und die evangelische Mission

nicht bis "ach Afrika, und so lange dies nicht der Fall ist, werden alle Freunde
der Kultur sich damit begnüge" müssen, daß ihnen die christlichen Missionare
die Arbeit als Pioniere der Wildnis abnehmen und den spätern Geschlechtern
die Aufgabe überlasse", die zu Christen gewordenen Afrikaner in moderne
Kulturmenschen umzuwandeln. Der Tadel, den Herr von Wißmann gegen
die evangelischen Missionen ausgesprochen hat, betrifft nichts andres als die
Missivnsmethvde. Diese wird aber von Dr. Warneck in glänzender Weise ge¬
rechtfertigt, und es kann dabei nicht fehlen, daß er gegen die katholische
MissionSart z" Felde ziehe" muß. Eins wird Herr von Wißmann jedenfalls
daraus lernen, daß es mißlich ist, ein großes Werk mit ein paar Federstrichen
herabzusetzen und daß die evangelische Mission in Ostafrika doch nur ein so
geringfügiger Teil des Ganzen ist, daß die Beurteilung von dem Werte des
Ganzen ans der Natur des Teiles in hohem Grade ungerechtfertigt erscheint.
Der Herr Reichskommissar darf sich nicht wundern, wenn es eine große Anzahl
von Protestanten giebt, die nicht an die Borschnelligkeit, sondern an die Absichtlich¬
keit seines absprechender Urteils glauben. Das konnte ihm nicht verborge"
bleiben, daß sein Urteil von ultramontan-römischer Seite so ausgebeutet werden
würde, wie es thatsächlich ausgebeutet worden ist. ?ost lloo, srgo proptor too.
Ob ein katholischer Christ öffentlich so über einen der wichtigsten Zweige seines
Vekemitnisses gesprochen haben würde, wir müssen es verneinen, denn ein ähn¬
liches Beispiel ist uns unbekannt. Auch noch nach einem andern Gesichtspunkte
war das Verfahren des Herrn Neichskvmmissars beklagenswert. Im Vergleich
zur katholischen Mission ist die evangelische der bei weitem schwächere Teil. Die
katholische Mission ist seit Jahrhunderten in Thätigkeit, sie ist ausgerüstet mit
allen Machtmitteln, wie sie der katholischen Kirche nach ihrer ganzen Organi¬
sation in reichem Maße zufließen, sie ist geleitet von einer einheitlichen Stelle,
die alles sehr sorgfältig prüft und planvoll vorgeht. Die evangelische Heiden¬
mission aber ist nichts andres, als ein Spiegelbild der gesamten evangelische"
Kirche; sie ist lediglich ans die freie Liebesthätigkeit angewiesen, die sich in
einzelne Strahlen zersplittert. Bisher in der Heimat vielfach verspottet, an¬
gefeindet und niemals von maßgebender Seite unterstützt, mußte sie in schweren
Kämpfen um ihre Existenz ringen. Auf sie einen Stein zu werfe", steht dem
Sohn ihrer Kirche nicht an. Wer wollte es leugnen, daß Mängel Vorhäute"
sind und daß vielleicht in Einzelheiten die Thätigkeit der ältern, mächtigern
und reichern Schwester größere Vorzüge besitzt! Wenn hier Herr von Wi߬
mann eine heilsame Kritik üben wollte, so konnte er sich ein Verdienst er¬
werben, aber der Weg, den er dazu wählte, war jedenfalls nicht der ge¬
eignete, und er wird vieles thun müssen, um das Verfehlte wieder gut zu
machen und die auch nach seinem Vorgehen zu Gunsten der Benediktiner in
Dar-es-Salaam begründete Befürchtung zu zerstreuen, daß unter seiner Ver¬
waltung die evangelische Mission als Stiefkind behandelt werden könnte. Schon


Major von Wißmann und die evangelische Mission

nicht bis »ach Afrika, und so lange dies nicht der Fall ist, werden alle Freunde
der Kultur sich damit begnüge» müssen, daß ihnen die christlichen Missionare
die Arbeit als Pioniere der Wildnis abnehmen und den spätern Geschlechtern
die Aufgabe überlasse», die zu Christen gewordenen Afrikaner in moderne
Kulturmenschen umzuwandeln. Der Tadel, den Herr von Wißmann gegen
die evangelischen Missionen ausgesprochen hat, betrifft nichts andres als die
Missivnsmethvde. Diese wird aber von Dr. Warneck in glänzender Weise ge¬
rechtfertigt, und es kann dabei nicht fehlen, daß er gegen die katholische
MissionSart z» Felde ziehe» muß. Eins wird Herr von Wißmann jedenfalls
daraus lernen, daß es mißlich ist, ein großes Werk mit ein paar Federstrichen
herabzusetzen und daß die evangelische Mission in Ostafrika doch nur ein so
geringfügiger Teil des Ganzen ist, daß die Beurteilung von dem Werte des
Ganzen ans der Natur des Teiles in hohem Grade ungerechtfertigt erscheint.
Der Herr Reichskommissar darf sich nicht wundern, wenn es eine große Anzahl
von Protestanten giebt, die nicht an die Borschnelligkeit, sondern an die Absichtlich¬
keit seines absprechender Urteils glauben. Das konnte ihm nicht verborge»
bleiben, daß sein Urteil von ultramontan-römischer Seite so ausgebeutet werden
würde, wie es thatsächlich ausgebeutet worden ist. ?ost lloo, srgo proptor too.
Ob ein katholischer Christ öffentlich so über einen der wichtigsten Zweige seines
Vekemitnisses gesprochen haben würde, wir müssen es verneinen, denn ein ähn¬
liches Beispiel ist uns unbekannt. Auch noch nach einem andern Gesichtspunkte
war das Verfahren des Herrn Neichskvmmissars beklagenswert. Im Vergleich
zur katholischen Mission ist die evangelische der bei weitem schwächere Teil. Die
katholische Mission ist seit Jahrhunderten in Thätigkeit, sie ist ausgerüstet mit
allen Machtmitteln, wie sie der katholischen Kirche nach ihrer ganzen Organi¬
sation in reichem Maße zufließen, sie ist geleitet von einer einheitlichen Stelle,
die alles sehr sorgfältig prüft und planvoll vorgeht. Die evangelische Heiden¬
mission aber ist nichts andres, als ein Spiegelbild der gesamten evangelische»
Kirche; sie ist lediglich ans die freie Liebesthätigkeit angewiesen, die sich in
einzelne Strahlen zersplittert. Bisher in der Heimat vielfach verspottet, an¬
gefeindet und niemals von maßgebender Seite unterstützt, mußte sie in schweren
Kämpfen um ihre Existenz ringen. Auf sie einen Stein zu werfe», steht dem
Sohn ihrer Kirche nicht an. Wer wollte es leugnen, daß Mängel Vorhäute»
sind und daß vielleicht in Einzelheiten die Thätigkeit der ältern, mächtigern
und reichern Schwester größere Vorzüge besitzt! Wenn hier Herr von Wi߬
mann eine heilsame Kritik üben wollte, so konnte er sich ein Verdienst er¬
werben, aber der Weg, den er dazu wählte, war jedenfalls nicht der ge¬
eignete, und er wird vieles thun müssen, um das Verfehlte wieder gut zu
machen und die auch nach seinem Vorgehen zu Gunsten der Benediktiner in
Dar-es-Salaam begründete Befürchtung zu zerstreuen, daß unter seiner Ver¬
waltung die evangelische Mission als Stiefkind behandelt werden könnte. Schon


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[0471] Major von Wißmann und die evangelische Mission nicht bis »ach Afrika, und so lange dies nicht der Fall ist, werden alle Freunde der Kultur sich damit begnüge» müssen, daß ihnen die christlichen Missionare die Arbeit als Pioniere der Wildnis abnehmen und den spätern Geschlechtern die Aufgabe überlasse», die zu Christen gewordenen Afrikaner in moderne Kulturmenschen umzuwandeln. Der Tadel, den Herr von Wißmann gegen die evangelischen Missionen ausgesprochen hat, betrifft nichts andres als die Missivnsmethvde. Diese wird aber von Dr. Warneck in glänzender Weise ge¬ rechtfertigt, und es kann dabei nicht fehlen, daß er gegen die katholische MissionSart z» Felde ziehe» muß. Eins wird Herr von Wißmann jedenfalls daraus lernen, daß es mißlich ist, ein großes Werk mit ein paar Federstrichen herabzusetzen und daß die evangelische Mission in Ostafrika doch nur ein so geringfügiger Teil des Ganzen ist, daß die Beurteilung von dem Werte des Ganzen ans der Natur des Teiles in hohem Grade ungerechtfertigt erscheint. Der Herr Reichskommissar darf sich nicht wundern, wenn es eine große Anzahl von Protestanten giebt, die nicht an die Borschnelligkeit, sondern an die Absichtlich¬ keit seines absprechender Urteils glauben. Das konnte ihm nicht verborge» bleiben, daß sein Urteil von ultramontan-römischer Seite so ausgebeutet werden würde, wie es thatsächlich ausgebeutet worden ist. ?ost lloo, srgo proptor too. Ob ein katholischer Christ öffentlich so über einen der wichtigsten Zweige seines Vekemitnisses gesprochen haben würde, wir müssen es verneinen, denn ein ähn¬ liches Beispiel ist uns unbekannt. Auch noch nach einem andern Gesichtspunkte war das Verfahren des Herrn Neichskvmmissars beklagenswert. Im Vergleich zur katholischen Mission ist die evangelische der bei weitem schwächere Teil. Die katholische Mission ist seit Jahrhunderten in Thätigkeit, sie ist ausgerüstet mit allen Machtmitteln, wie sie der katholischen Kirche nach ihrer ganzen Organi¬ sation in reichem Maße zufließen, sie ist geleitet von einer einheitlichen Stelle, die alles sehr sorgfältig prüft und planvoll vorgeht. Die evangelische Heiden¬ mission aber ist nichts andres, als ein Spiegelbild der gesamten evangelische» Kirche; sie ist lediglich ans die freie Liebesthätigkeit angewiesen, die sich in einzelne Strahlen zersplittert. Bisher in der Heimat vielfach verspottet, an¬ gefeindet und niemals von maßgebender Seite unterstützt, mußte sie in schweren Kämpfen um ihre Existenz ringen. Auf sie einen Stein zu werfe», steht dem Sohn ihrer Kirche nicht an. Wer wollte es leugnen, daß Mängel Vorhäute» sind und daß vielleicht in Einzelheiten die Thätigkeit der ältern, mächtigern und reichern Schwester größere Vorzüge besitzt! Wenn hier Herr von Wi߬ mann eine heilsame Kritik üben wollte, so konnte er sich ein Verdienst er¬ werben, aber der Weg, den er dazu wählte, war jedenfalls nicht der ge¬ eignete, und er wird vieles thun müssen, um das Verfehlte wieder gut zu machen und die auch nach seinem Vorgehen zu Gunsten der Benediktiner in Dar-es-Salaam begründete Befürchtung zu zerstreuen, daß unter seiner Ver¬ waltung die evangelische Mission als Stiefkind behandelt werden könnte. Schon

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/471>, abgerufen am 13.05.2024.